Die Braubranche leidet weiterhin schwer unter der Corona-Krise. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist der Bierabsatz im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent (-3,025 Millionen Hektoliter) auf 43 Millionen Hektoliter gesunken. In den Zahlen sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie das aus Ländern außerhalb der Europäischen Union eingeführte Bier nicht enthalten.
82,3 Prozent des gesamten Absatzes waren für den Inlandsverbrauch bestimmt und wurden versteuert. Der Inlandsabsatz sank im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um 5,9 Prozent auf 35 Millionen Hektoliter. Steuerfrei (als Exporte und als sogenannter Haustrunk) wurden 7,588 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt (-9,5 %). Davon gingen 3,668 Millionen Hektoliter (-17,8 %) in EU-Staaten, 3,862 Millionen Hektoliter (-0,1 %) in Nicht-EU-Staaten und 57.000 Hektoliter (-1,9 %) unentgeltlich als Haustrunk an die Beschäftigten der Brauereien.
Biermixgetränke machten mit 2,203 Millionen Hektolitern 5,1 Prozent des gesamten Bierabsatzes aus. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum wurden 2,7 Prozent weniger Biermischungen abgesetzt.
Lockdown ließ Absatz einbrechen
Corona-bedingt geschlossene Bars und Restaurants, abgesagte Feste und Großveranstaltungen sorgten besonders im April (-17,3 %) und Mai (-13,0 %) für einen starken Absatzrückgang. Seit die Beschränkungen im Mai wieder gelockert wurden, erholt sich laut dem Statistischen Bundesamt auch der Bierabsatz langsam wieder. Im Juni wurde nur noch 1,9 Prozent weniger Bier als im Vorjahresmonat abgesetzt.
Die deutsche Brauwirtschaft befinde sich „in einer der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte“, kommentiert Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, die Zahlen. Gastwirte und Veranstalter seien die wichtigsten Partner der Brauer. Durch den Shutdown hätten Betriebe, deren Biere überwiegend in der Gastronomie und bei Veranstaltungen ausgeschenkt werden, in den letzten Monaten Umsatzrückgänge von bis zu 90 Prozent erlitten.
Neustart für viele Wirte „wenig rentabel“
Dabei könne die Erholung einzelner Exportmärkte und die steigende Nachfrage im Handel die dramatischen Verluste beim Fassbier nicht ausgleichen, so Eichele. Wegen der niedrigen Gästezahlen sei der Neustart für einen großen Teil der Gaststätten und Kneipen „wenig rentabel“. Zudem fehlten den Brauereien die Absätze auf den weiterhin ausfallenden Großveranstaltungen.
Viele Brauereien würden an den Folgen der Pandemie „lange zu schlucken haben“, glaubt auch Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei Veltins. Der Konsolidierungsprozess, der in der Brauwirtschaft in den letzten Jahren nur unterschwellig zu spüren gewesen sei, werde im neuen Jahrzehnt an Fahrt aufnehmen. Allerdings werden nach seiner Einschätzung die Unternehmen im sehr heterogenen Biermarkt unterschiedlich stark betroffen sein. Insbesondere für regionale Brauereien, die stark vom Gastronomie-Direktgeschäft lebten, werde „die Luft jetzt richtig dünn“, so Huber. Investitionsstau, geringe Margen und Steuerstundungen wirkten sich dort besonders stark aus.
Auch bei den großen Brauereien schätzt der Veltins-Chef die Lage sehr unterschiedlich ein. Während andere Premiummarken zum Teil zweistellige Verluste erlitten hätten, falle Veltins dank dem dynamischen Wachstum der letzten Jahre lediglich auf seinen Ausstoß von 2017 zurück. Wie das Unternehmen kürzlich in seiner Halbjahresbilanz veröffentlichte, ging hier der Ausstoß in den ersten sechs Monaten „moderat“ um 4,5 Prozent zurück. Das Flaschenbiergeschäft sei sogar um zehn Prozent gewachsen.
Einkaufsverhalten gibt „Grund zur Hoffnung“
Mit einem Flaschenbieranteil von ca. 83 Prozent (2019) ist Veltins in der Krise noch recht sicher aufgestellt. Das derzeit rasante Wachstum in diesem Bereich stimme „einigermaßen versöhnlich, weil es zeigt, dass die Menschen im Land weiterhin Lust auf Biergenuss haben“, unterstreicht Michael Huber. Das Einkaufsverhalten der Deutschen gebe jedenfalls „Grund zur Hoffnung“. Die Menschen hätten es sich zu Hause gemütlich gemacht – „und das geht am besten mit einem guten Bier“.
Grund zu großer Sorge gibt der Gesamtbranche hingegen auch für die Zukunft das Thema Fassbier. So zeigt sich Brauer-Bund-Chef Holger Eichele für die kommenden Jahre wenig optimistisch. Er rechnet mit tiefgreifenden Veränderungen in der Gastronomie, die den deutschen Biermarkt langfristig verändern könnten. Viele Kneipen, Bars und Restaurants werden nach seiner Einschätzung aufgeben müssen, die Innenstädte blieben leerer, weil sich das Ausgehverhalten ändere. Auch im Tourismus, bei Tagungen und Events müsse man sich dauerhaft auf harte Einschnitte gefasst machen. „Dieser Strukturwandel ist tiefgreifend, er hat gerade erst begonnen“, so der Brauer-Bund-Chef.
Normalbetrieb frühestens 2022
Für die Gastronomie bleibe die Situation schwierig, meint auch Michael Huber. Viele Betriebe erreichten nach wie vor nicht mehr als 50 Prozent ihrer Wochenumsätze. Noch stärker seien Hotels betroffen, die durch das wegfallende Tagungsgeschäft und den noch immer schwachen Tagestourismus in den Städten vielerorts gerade einmal eine Auslastung von 20 Prozent verzeichneten. Mit einer Rückkehr zum Normalbetrieb rechnet der Veltins-Generalbevollmächtigte daher nicht vor 2022. Dennoch sieht er „bei allen dunklen Wolken keinen Grund zur Schwarzmalerei“. Es werde zwar viele Betriebsaufgaben geben, andere Betreiber würden aber die Lücken schließen und „für neue Impulse sorgen“.
Aktualisierung
Absatzstatistik Juni 2020
Lag im Mai das Absatzminus noch bei 13 Prozent (wir berichteten), gab es im Juni für die Brauereien eine leichte Erholung. Das Minus gegenüber dem Vorjahresmonat lag bei 1,9 Prozent (-160.000 Hektoliter). Die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager haben im Juni 2020 rund 8,4 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt. Der Absatz von Biermischgetränken ging im Juni um 8,0 Prozent (-47.000 Hektoliter) auf 534.000 Hektoliter zurück.
Erholung beim Exportgeschäft
Bei der Ausfuhr in EU-Länder gab es im Juni mit einem Minus von 8,2 Prozent (-76.000 Hektoliter) eine leichte Erholung gegenüber den Vormonaten. Die Ausfuhren in Drittländer stiegen im Juni um 7,0 Prozent (+42.000 Hektoliter). Insgesamt wurden im Juni in EU-Länder rund 859.000 Hektoliter, in Drittländer rund 644.000 Hektoliter exportiert.
Absätze nach Bundesländern
Schaut man sich den Bierabsatz der Brauereien in den einzelnen Bundesländern an, gab es große Unterschiede. Während die in Sachsen-Anhalt (+15 Prozent), Thüringen (+13,2 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (+2,9 Prozent), Berlin/Brandenburg (+2,5 Prozent) und Rheinland-Pfalz/Saarland (+1,5 Prozent) ansässigen Brauereien sogar ein Absatzplus verbuchen konnten, lagen die Brauereien in den anderen Bundesländern im Minus. Die größten Absatzeinbußen gab es für Brauereien aus Hessen (-22,4 Prozent), Schleswig-Holstein/Hamburg (-15,2 Prozent) und Sachen (-7,4 Prozent). Die Brauereien aus Niedersachen/Bremen (-1,7 Prozent), Bayern (-1,7 Prozent), Nordrhein-Westfalen (-1,5 Prozent) und Baden-Württemberg (-0,4 Prozent) verbuchten ein leichtes Absatzminus.
In den Zahlen sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie das aus Ländern außerhalb der Europäischen Union eingeführte Bier nicht enthalten.
Der Artikel wurde am 31.7.2020 um die Absatzstatistik vom Juni ergänzt. Die Informationen sind vom Deutschen Brauer-Bund unter Verweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamts.