Seit vielen Jahren wächst die Weihenstephaner Brauerei gegen den allgemeinen Markttrend. Still und leise wurde der Ausstoß – trotz Hochpreispolitik – beinahe verdreifacht. Der Staatsbetrieb macht daraus jedoch keine große Sache, sondern setzt weiterhin auf Langfriststrategien. Brauereidirektor Prof. Dr. Josef Schrädler erläutert im Interview mit Getränke News die Hintergründe.
Getränke News: Der Bierabsatz der Brauereien aus Deutschland ging 2023 um 4,5 Prozent zurück. Wie verlief das Jahr für Weihenstephaner?
Schrädler: Wir sind im letzten Jahr in Deutschland sowohl beim Absatz als auch beim Umsatz gewachsen, in unserem Kerngebiet sogar zweistellig. Das war auch für uns überraschend, weil die Braubranche insgesamt verloren hat. Außerdem mussten wir im Frühjahr unsere Preise erhöhen, was normalerweise nicht unbedingt zu einem Absatzwachstum beiträgt. Wir haben danach aber sogar im Handel zugelegt, sowohl beim Weißbier als auch beim Hellen.
Getränke News: Wie kommt‘s?
Schrädler: Aufgrund der enorm gestiegenen Kosten mussten nicht nur wir im letzten Jahr die Preise erneut erhöhen, sondern auch viele andere Brauereien. Die niedrigpreisigen Biere spürten die Preiserhöhungen jedoch viel stärker durch Absatzrückgänge als die Hochpreisigen; starke Marken konnten zulegen.
Wir haben in den letzten Jahren unsere Braukompetenz erweitert, haben uns von einer Weißbierbrauerei hin zu einer Sortimentsbrauerei entwickelt. Unsere Biere sind seit jeher preislich hoch positioniert, was auch die Qualität und Kompetenz von Weihenstephan unterstreicht.
Getränke News: Woher kommt das Wachstum in der Gastronomie?
Schrädler: Wir sind aufgrund des höheren Endverbraucherpreises im Handel eine immer beliebter werdende Gastronomiemarke. Weil unsere Preisschere zwischen Handel und Gastronomie nicht so groß ist wie bei vielen anderen Brauereien, konnten wir im letzten Jahr auch wieder neue Gastronomen für uns gewinnen.
Getränke News: Die Erwartungshaltung der Verbraucher an die Qualität Ihrer Biere ist enorm hoch, ein Bier aus Weihenstephan muss gut sein …
Schrädler: Wir wollen, was die Qualität unserer Biere angeht, immer Benchmark sein. Deshalb haben wir den Brauereistandort über die letzten Jahre hinweg einmal runderneuert und viel Geld in moderne Brautechnologie und damit in Qualität investiert. Hinzu kommt, dass wir das Netzwerk der TU München-Weihenstephan nutzen und unsere Biere durch die Universität zusätzlich kontrollieren lassen. Mit Erfolg: Jahr für Jahr gewinnen wir bei Verkostungswettbewerben Preise, was unsere Strategie bestätigt.
Getränke News: Auch ihr Exportgeschäft wachst seit Jahren …
Schrädler: Wir sind heute in 61 Ländern vertreten, irgendeiner dieser Märkte wächst immer. Wenn wir in ein neues Land gehen, dann stets hochpreisig. Anfangs machen wir dadurch zwar keine großen Mengen, doch wenn am Ende für die Importeure die Spanne stimmt und alle Geld verdienen, forcieren sie die Marke. Das spüren wir nach einer gewissen Zeit.
Getränke News: Ist das einer der Vorteile einer Staatsbrauerei, dass Sie die Hochpreispolitik so konsequent umsetzen können?
Schrädler: Der bayerische Freistaat als unser Eigentümer trägt unsere langfristige und nachhaltige Strategie. Deshalb können unsere nationalen und internationalen Partner langfristig mit uns rechnen. Das ist sicherlich einer der Vorteile einer Staatsbrauerei. Wir dürfen einen Teil unseres Gewinns reinvestieren, müssen jedoch sämtliche Investitionen selbst stemmen, bekommen also nichts vom Staat geschenkt. Wir sind quasi eine privatwirtschaftliche Brauerei, die dem Staat gehört. Unser Wachstum über die letzten Jahrzehnte bestätigt aber unsere Strategie und unser Eigentümer ist zufrieden.
Getränke News: Wie stark war das Wachstum konkret?
Schrädler: Als ich vor 24 Jahren in die Brauerei kam, hatten wir einen Jahresausstoß von 170.000 Hektoliter, heute sind es 470.000 Hektoliter. Die Kapazität der Brauerei war bei meinem Eintritt auf 150.000 Hektoliter ausgelegt. Wir sind auf dem Weihenstephaner Berg sehr beengt und mussten uns Lagertanks anmieten, um genügend Bier brauen zu können.
Seit 2019 können wir unsere Kapazitäten ausbauen, weil wir mit unserer Logistik vom Weihenstephaner Berg weggezogen sind in ein neues Logistikzentrum. Wo vorher unsere Leergutlogistik war, entsteht gerade unser neuer Kombikeller. Dadurch können wir 250.000 Hektoliter Bier mehr als bisher brauen und werden in unseren Prozessen flexibler. Wir haben aktuell zwölf neue Tanks aufgestellt, können in Zukunft aber noch um weitere zwölf erweitern. Alles läuft vollautomatisch, wir benötigen also keinen neuen Mitarbeiter. Mit dem neuen Kombikeller ist weiteres Wachstum beim Hellen möglich.
Getränke News: Sie rechnen also mit weiterem Wachstum beim Hellen?
Schrädler: Viele regionale Brauereien sind inzwischen mit einem eigenen Hellen gestartet, das bremst das Wachstum der Hellbier-Pioniere. Der große Hellbier-Boom scheint vorbei. Ich glaube aber, dass Weihenstephaner Helles weiter zulegen wird. Der Markt fragmentiert sich zwar gerade, doch als starke Marke werden wir weiterhin wachsen. Für jeden, der allerdings jetzt noch mit einem Hellen kommt, dürfte es schwierig werden.
Getränke News: Weihenstephan hat gleich zwei Helle im Sortiment …
Schrädler: Wir hatten früher einmal die beiden Sorten Helles und Export im Portfolio. Beide wurden vor 30 Jahren ersetzt durch unser Helles Original, ein kräftiges, vollmundiges Hellbier mit 5,1 Volumenprozent Alkohol. Als der Trend zum Hellbier losging, wollten wir dazu eine Alternative mit mildem Charakter und 4,8 Volumenprozent Alkohol. Es ist außerdem mit dem Aromahopfen Saphir gehopft, hat dadurch einen eigenständigen Charakter und unterscheidet sich geschmacklich stark von unserem Hellen Original. Wir konnten damit eine völlig neue Zielgruppe erschließen, die vorher unser Helles nicht getrunken hat. Dadurch gab es im Kernmarkt auch keinen Kannibalisierungseffekt, wir haben unser Hellbier-Volumen deutlich erhöht.
Getränke News: Für weiteres Wachstum braucht die Brauerei gute Mitarbeiter. Weihenstephan hat gerade die Arbeitgebermarke „Wir sind Bier“ eingeführt.
Der Slogan trifft doch auf jede Brauerei zu, oder?
Schrädler: Aber zu keiner Brauerei passt er so gut wie zu uns. Wir brauen auf dem Weihenstephaner Berg bereits seit fast 1.000 Jahren Bier und sind gemeinsam am Standort mit der TU München-Weihenstephan, die Weltruf für ihr Brauwesen-Studium genießt. Auch die größte Hefebank der Welt befindet sich in Weihenstephan. Wir haben also in der Brauwirtschaft eine Sonderstellung und uns deshalb die Arbeitgebermarke „Wir sind Bier“ schützen lassen.
Getränke News: Wie ist bislang die Resonanz?
Schrädler: Die Resonanz ist groß und durchweg positiv. In den Medien sind wir damit nach wie vor präsent und unser Personalchef wird auf viele Konferenzen eingeladen, um das Konzept vorzustellen. Die Kampagne wirkt nach innen und nach außen: Die Mitarbeiter sind stolz und identifizieren sich mit ihrer Brauerei, nach außen ist die Arbeitgebermarke imagestiftend. Wenn wir damit unsere gemeinschaftliche Überzeugung nach außen tragen, schaffen wir eine sehr gute Basis für die nächste Generation in unserem hochmotivierten Team.
Getränke News: Sie selbst sind nun bereits seit 24 Jahren als Chef der Brauerei Teil dieses Teams. Eine solche Kontinuität an der Firmenspitze schaffen in der Braubranche die Wenigsten. Haben Sie während Ihrer Laufbahn einmal über einen Wechsel nachgedacht?
Schrädler: Als ich anfing, unterschrieb ich einen Fünfjahresvertrag, danach den nächsten usw. bis heute. Ich hatte in all den Jahren immer wieder Angebote von anderen Brauereien, doch wechseln wollte ich nie. Meine Arbeit war immer spannend und die Brauerei nach vorne zu entwickeln hat viel Spaß gemacht. Als „Hobby“ halte ich außerdem noch Vorlesungen an der TU München-Weihenstephan. Die Kombination aus der Arbeit in der Brauerei – mit einem super Team – und den Vorlesungen haben mich nie über einen Wechsel nachdenken lassen.
Getränke News: Bevor Sie in der Brauerei anfingen, waren Sie bei der Unternehmensberatung Weihenstephan. Sie sind also beinahe 30 Jahre Teil des Biermarktes. Was denken Sie, wo geht die Reise in Sachen Bier hin?
Schrädler: Der Biermarkt bleibt schwierig, auch die steigende Nachfrage nach alkoholfreien Bieren wird den anhaltenden Volumenverlust nicht aufhalten. Der Ausleseprozess in der Gastronomie wird sich fortsetzen, es werden sich noch einige vom Markt verabschieden. Auch der enorme Preisdruck im Handel wird nicht nachlassen. Der Verdrängungswettbewerb wird zunehmen und es werden wohl noch einige Brauereien aufgeben. Viele Betriebe haben heute enorme Investitionsstaus. Wer aber rechtzeitig in die Brauerei investiert hat, hat nun einen enormen Wettbewerbsvorteil.