Hopfen und Reben haben Trockenstress, der Saftbranche fehlt es an gesunden Früchten, den Mineralbrunnen geht das Wasser aus: Klimabedingte Probleme in der Landwirtschaft wirken sich sehr stark auch auf die Getränkeproduktion aus. Für unsere neue Serie fragen wir Lieferanten der Getränkebranche, wie der Klimawandel ihre Arbeit erschwert und wie sie sich darauf einstellen. Den Anfang machen wir heute mit den Winzern.
Der Klimawandel stellt die Weinproduzenten vor Herausforderungen. Heiße, trockene Sommer bedeuten für Winzer einen großen Aufwand zum Schutz der Trauben. Das wärmer werdende Wetter verschiebt mancherorts die Erntezeit oder zwingt die Produzenten sogar, auf andere Traubensorten auszuweichen. Auf der anderen Seite liefern unrentable Lagen mit einem Mal hervorragende Weine. Der Norden Europas beginnt, sich als Weinproduzent einen Namen zu machen.
„Durch die Wetterkapriolen steigt das wirtschaftliche Risiko für die Winzerinnen und Winzer stark – zusätzlich zu dem allgemeinen Kostendruck durch die globale Marktlage. Auch der Arbeitsaufwand im Weinberg steigt, da mehr Qualitäts- und Schutzmaßnahmen durchgeführt werden müssen“, sagt der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes (DWV), Klaus Schneider.
Wetter immer unberechenbarer
Das vergangene Jahr war herausfordernd für die deutschen Winzer. Nach einem zunächst trockenen Frühsommer drehte sich die Wetterlage und es folgten Wochen mit starken Regenfällen, die die Traubengesundheit stark gefährdeten. Schließlich ließ eine stabile Hochdruckwetterlage Anfang September die Mostgewichte rasch zulegen. „Das Weinjahr 2023 wird somit wohl als eines mit der schnellsten Lese in die Geschichte eingehen“, so der Weinbaupräsident.
Die Sommer 2018, 2019 und 2022 gehörten zu den heißesten, die je in Deutschland dokumentiert wurden, sagt Schneider. Hinzu käme, dass das Wetter immer „unberechenbarer“ und extremer werde. Starke Trockenperioden wechselten sich mit Hagel und großen Niederschlagsmengen ab, die der Boden dann nicht mehr aufnehmen könne.
Nach Ansicht des DWV ist jetzt auch die Politik gefragt, den Weinbauern unter die Arme zu greifen. Unter anderem fordert der Verband eine staatliche Förderung von Mehrgefahrenversicherungen, um Betriebe vor „Super-Gau“-Jahren mit Ernteausfällen und starken Qualitätsverlusten zu schützen. Die 2023 in Kraft getretene „grünste“ Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) hält Schneider aus Sicht der Weinbauern für wenig gelungen. Durch ausufernde Strategiepläne, hohe bürokratische Anforderungen an Nachweise und nicht für die Weinbranche zugeschnittene Öko-Regelungen wurde hier eine Chance zur tatsächlichen Verbesserung der grünen Architektur vertan, glaubt er.
„Die neue GAP muss dabei logisch, praxisnah, einfach und bürokratiearm gestaltet werden, um so eine einfache Umsetzung aller drei Säulen der Nachhaltigkeit zu unterstützen“, so Schneider. Gerade im ökonomisch-ökologischen Spannungsfeld der Nachhaltigkeit seien im Rahmen der GAP bei Innovationen und Investitionen hinreichende Mittel vorzusehen, um auch kleinen Betrieben die Teilhabe am technischen Fortschritt zu ermöglichen.
Neue Anbaumethoden gefragt
Die Winzer in Deutschland und Europa werden sich anpassen müssen, soviel ist klar. Das kann durch die sogenannten „Piwis“ geschehen, also Rebsorten, die gegenüber Pilzerkrankungen widerstandsfähiger sind. Bei starker Trockenheit könnten auch Altanlagen mit ihren tiefen Wurzeln erst einmal jungen Rebstöcken voraus seien, da sie weniger anfällig gegenüber Trockenstress seien, erklärt Schneider. Fruchtstandregulierung, die Minimierung von Bodenerosion und die Investition in technische Schutzeinrichtungen wie Bewässerungssysteme, Beschattungen und Hagel- beziehungsweise Windschutz seien weitere Maßnahmen, über die Winzer künftig genauer nachdenken müssten.
Zu den Profiteuren des Klimawandels gehört der Winzer Klaus Peter Keller. Er hat sich als Produzent von trockenem Riesling einen Namen gemacht und nutzt seine Bekanntheit dafür, Politiker und Unternehmer auf der ganzen Welt auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. „Große Herausforderungen gab es in jeder Generation. Kriege, Frost, extrem kalte Winter – der Kampf um Reife wurde abgelöst durch den Kampf gegen Überreife oder zu schnelle Reife“, sagt er. Die Kehrtwende sei in Deutschland in den 90er Jahren eingetreten. Fragten sich die Winzer bis dahin oft „wie bekomme ich meine Trauben reif?“, gab es plötzlich keinen Jahrgang mehr, der nicht ausreifen konnte. Der Klimawandel verändert den Weinbau.
In Rheinhessen sei die Lage derzeit hervorragend. „Wir befinden uns gerade im besten Reifefenster der letzten 100 Jahre für unsere Rebsorte – noch unsere Urgroßeltern hätten fast jeden Jahrgang, der heute am Stock perfekt ausreift, als absoluten Ausnahmejahrgang gefeiert“, berichtet er.
Riesling bald aus Norwegen?
Für den Riesling oder die Burgunder-Sorten sei das wärmere Klima momentan perfekt. „Früher hatten wir zwei sehr gute, zwei gute, aber sechs unreife Jahre pro Dekade – heute haben wir acht sehr gute und zwei gute Jahrgänge“, sagt der Winzer. Er glaubt auch nicht, dass seine Trauben in absehbarer Zeit ein Problem mit der Witterung bekommen könnten. „Im Weinberg können wir durch andere Pflanzsysteme, die mehr Schatten spenden und die Verdunstung verringern, mit großer Sicherheit auch die nächsten 30, 40 Jahre noch klasse Rieslinge erzeugen und die roten Burgunder werden immer besser werden“, ist er überzeugt. Wichtig sei, dass man sich auch selbst verändere und im Anbau mit der Zeit gehe, wenn sich das Klima verändert.
Mit der Zeit geht er auch mit seinem Riesling-Projekt in Kristiansand in Norwegen. „Norwegen wurde 2008 gepflanzt und 2017 reif“, berichtet der Winzer. 2019 bis 2023 waren dann allesamt Jahre, die zu kühl für den Riesling in Kristiansand waren. „Als wir damals pflanzten, sagte die Uni in Geisenheim, dass etwa ab 2050 dort regelmäßig reife Trauben geerntet werden könnten.“ Nähme der Einfluss des Golfstromes allerdings etwas ab (auch dieses Szenario gibt es ja), werde man dort wohl weiterhin Verjus aus unreifen Trauben ernten und vielleicht wieder Eiswein wie früher machen können. „Wir sind Optimisten und werden uns anpassen.“
Cava-Branche fehlen 80 Millionen Flaschen
Dass der Klimawandel auch zu einschneidenden Eingriffen ins Sortiment führen kann, wurde zuletzt beim Schaumweinproduzenten Freixenet deutlich. Nach einer extremen Trockenheitsperiode in der Weinbauregion Penedès entschied sich Freixenet, die gesamte Carta-Range in den Märkten Deutschland, Österreich und Schweiz durch die neue Linie „Cuvée de España“ zu ersetzen.
„Aufgrund des Klimawandels und extremer Witterungsbedingungen hat Katalonien, insbesondere die Region Penedès, mit einer langen und extremen Dürre und mit Problemen in der Landwirtschaft und im Weinbau zu kämpfen“, berichtet Vanessa Lehmann, Head of Communication bei der Henkell Freixenet Holding. Die Weinernte für Cava sei allein in Katalonien je nach Gebiet um mehr als 45 Prozent zurückgegangen. „Angesichts dieser Traubenknappheit begegnet die gesamte Branche allein im Jahr 2024 einem Defizit von 80 Millionen Flaschen und es ist unmöglich, die gleichzeitig steigende weltweite Nachfrage zu bedienen“, erläutert Lehmann die Konsequenzen.
Eine Besserung sei derzeit auch nicht in Sicht. „Erste Projektionen zeigen, dass die Versorgungslage innerhalb der D.O. Cava vorerst angespannt bleibt, da auch in diesem Jahr mit einer schwachen Ernte zu rechnen ist.“ Freixenet diskutiere gemeinsam mit anderen Cava-Herstellern, Gewerkschaften und Traubenproduzenten, wie der angespannten Versorgungslage entgegengewirkt werden könnte.
Für die Weinbranche sei der Klimawandel eine Herausforderung, betont auch Lehmann. „Wir sind alle gewöhnt, dass man zwischen dem 30. und 50. Breitengrad Nord und Süd problemlos Wein anbauen kann. Dies wird auch künftig möglich sein, dennoch gibt es Regionen weltweit, unter anderen auch in Spanien und im Süden Europas, in denen es jedes Jahr wärmer und trockner wird, was den Weinbau erschwert.“
Hälfte der Anbaugebiete auf der Kippe
Die Folgen des Klimawandels für den Weinanbau sind weltweit deutlich zu spüren. Ein Team der University of British Columbia untersuchte für eine Studie elf Weintraubensorten, darunter Chardonnay, Merlot und Riesling, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Reifezeiten interessant für die Anpassung an verschiedene Regionen sind. Bei einer Erderwärmung von zwei Grad zeigte ihr Prognosemodell bis zum Jahr 2100 weltweit große Verluste von Anbaugebieten. 51 Prozent der Anbaugebiete könnten bei dieser Erwärmung für den Weinanbau verloren sein.
Durch die Umstellung auf andere Sorten könne der Schaden auf nur 24 Prozent der verlorenen Fläche begrenzt werden, so die Forscher. Bei einer Erwärmung um vier Grad wären 77 Prozent der Gebiete betroffen, neue Varianten könnten den Verlust auf 58 Prozent beschränken. „In gewisser Weise ist Wein wie der Kanarienvogel im Kohlebergwerk für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft, weil die Trauben so klimaempfindlich sind“, sagt ein Autor der Studie.