Aludosen kehren in großer Zahl in den Getränkemarkt zurück. 20 Jahre nach der Einführung des für das Gebinde vernichtenden Pflichtpfands knüpft die Dose bald wieder an ihre Glanzzeiten an. 2023 lag ihr Marktanteil beim Bier über zehn Prozent. Getränke News hat den Markt unter die Lupe genommen.
Kommt eine Mehrweg-Angebotspflicht? Gibt es eine Lenkungsabgabe auf Einweggebinde? Wird eine Mehrweg-Zielquote gesetzlich festgeschrieben? Das sind nur drei von vielen Fragen, die Getränkehersteller und -händler im Blick auf die gerade entstehende EU-Verpackungsverordnung (PPWR) brennend interessieren.
Auch das deutsche Verpackungsgesetz soll novelliert werden. Ein wichtiges Ziel beider Vorhaben ist die Reduzierung von Verpackungsmüll. In welchem Maße die Förderung von Mehrwegverpackungen dabei eine Rolle spielen wird und spielen soll, wird seit Monaten heftig diskutiert. Doch während die Getränkebranche gebannt Richtung Brüssel und Berlin starrt, werden am Markt längst Fakten geschaffen, und ein lange tot geglaubtes Gebinde zeigt sich als zunehmend lebendig: die Dose. 20 Jahre, nachdem die Einführung des Einwegpfands den Markt über Nacht zusammenbrechen ließ, wächst sie inzwischen wieder gewaltig.
Beim Bier einziges Gebinde mit Zuwachs
Beispielsweise beim Bier stieg ihr Marktanteil von 2,6 Prozent im Jahr 2011 auf 10,8 Prozent 2023. Das geht aus aktuellen Nielsen-Daten (LEH + GAM, Januar – Oktober 2023, Bier + Biermix) hervor. Damit war die Dose letztes Jahr im schwächelnden Biermarkt das einzige Gebinde überhaupt mit Zuwachs. Allein 2023 legte sie um 3,8 Prozent in der Menge zu, während beispielsweise die bei weitem beliebteste Verpackungseinheit – der 20 x 0,5-Liter-Kasten – 6,5 Prozent an Absatz verlor.
Keine Frage: Aus dem Portfolio der großen Brauereien ist die Dose nicht mehr wegzudenken, und selbst kleinere setzen inzwischen wieder vermehrt auf das Alu-Gebinde. „Die Getränkedose ist eine wichtige Säule in unserer Gebindepolitik“, unterstreicht etwa Peter Lemm, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Krombacher Brauerei, die im Premium-Segment zu den größten Lieferanten von Dosenbier zählt. Seit sechs Jahren zeige die Dose über alle Krombacher-Pils-Sorten hinweg ein deutliches Wachstum – und das „altersübergreifend“.
Insbesondere jüngere Konsumenten schätzten die Vorteile der Dose, ergänzt Lemm: Sie ist leicht, bruchsicher, handlich und lässt sich zudem sehr schnell kühlen. Alles große Vorteile gerade für den Verbrauch unterwegs. Mit der Bepfandung hat die Zielgruppe keine Probleme; die jungen Leute sind damit aufgewachsen und kennen es nicht anders. Auch ihr früheres Billig-Image konnte die Dose in ihrer heutigen Form längst ablegen. Die hochwertig bedruckten Alu-Behälter brauchen sich hinter den Flaschen nicht zu verstecken.
Die Dose als „Recyclingmeister“
Auch in Sachen Umweltfreundlichkeit scheint die Dose die Verbraucher zu überzeugen, und in der Tat hat sich ökologisch einiges für sie zum Besseren gewendet. Europaweit kann die Alu-Getränkedose eine Recyclingrate über 76 Prozent vorweisen, in Deutschland liegt diese durch die Bepfandung sogar bei über 99 Prozent, wie Felix Brandenburg, Geschäftsführer des Forums Getränkedose, betont. Damit sei sie „der Recyclingmeister unter den Getränkeverpackungen“.
Auch dem Vorwurf der Mehrweg-Verfechter, bei der Herstellung von Dosen würde viel Energie aufgewendet und damit auch CO2 ausgestoßen, tritt Brandenburg entgegen. Dosenrecycling verbrauche lediglich fünf Prozent der Energie, die bei der Produktion aus Primäraluminium aufgewendet werden müsse, und es fielen nur sechs Prozent der Treibhausgase an. „Die Dose verbindet Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz“, lautet sein Fazit.
Auch beim Transport könne das Gebinde überzeugen: Durch das geringe Volumen und Gewicht werde wenig Energie verbraucht und auch die Emissionen seien niedrig. Nicht zuletzt sei der Transport der leeren Dosen in gepresster Form deutlich effizienter als der von Mehrwegflaschen.
Einwegbranche fordert neue Ökobilanz
Einen wirklich belastbaren Beweis dafür kann der Verband indessen nicht vorweisen – wie freilich auch die Gegenseite nicht. Seitens der Einwegbranche wird deshalb der Ruf nach einer neuen Ökobilanz immer lauter. „Die Mehrweg-Befürworter operieren mit über 30 Jahre alten Zahlen“, wirft etwa Wolfgang Hinkel der Branche vor. Als ehemaliger Geschäftsführer von Ball Packaging Europe ist er tief in dem Thema und berät mit seiner WH Beratungs- und Handels GmbH bis heute Unternehmen in diesem Gebindesektor.
„Ohne neue Ökobilanzen können keine richtigen Entscheidungen getroffen werden“, ist Hinkel überzeugt, denn in den letzten Jahrzehnten habe sich die Lage stark verändert. Er führt dies vor allem auf die Ausbreitung von Individualflaschen und -kästen zurück. Sie hätten die ökologische Vorteilhaftigkeit des Mehrwegsystems durch drastisch verlängerte Transportstrecken und eine hohe Zahl an vernichteten Gebinden sehr stark reduziert.
Systeme können gut nebeneinander existieren
Ein Brauer, der mit genau diesem Problem kämpft und deshalb seit einigen Monaten neben den klassischen Mehrwegsystemen – auch – auf die Dose setzt, ist Georg Rittmayer, Geschäftsführer der Brauerei Rittmayer in Hallerndorf. Kisten und Flaschen, die er in Regionen außerhalb seines bayerischen Kerngebiets lieferte, kamen nicht in die Brauerei zurück. Wegen der Individualisierung ist das Leergut auch für andere Brauer nicht zu verwenden. Nicht zuletzt den Export könne er mit Dosen besser bedienen, erklärt Rittmayer auf Anfrage von Getränke News.
Deshalb hat er im Mai 2023 auch eine Dosenanlage in Betrieb genommen, auf der er neben seinen eigenen Bieren im Lohnverfahren auch fremde Produkte abfüllt. Der Kritik, der er deshalb zuweilen seitens anderer mittelständischer Brauer ausgesetzt ist, stellt er sich entgegen. Seine Argumente hätten manche Kritiker überzeugen können, sagt Rittmayer, der auch Präsident des Verbands Private Brauereien Bayern ist. Für ihn schließen im Übrigen beide Systeme einander nicht aus: „Ich werde mich weiterhin für den Erhalt des Mehrwegsystems einsetzen“, unterstreicht er.
Dass die Branche durchaus zweigleisig fahren kann, glauben viele Vertreter der Einwegbranche seit langem. „Sowohl Mehrweg als auch Einwegsysteme mit Pfand haben ihre ökologische Berechtigung“, betont etwa Felix Brandenburg vom Forum Getränkedose. Die pauschale Annahme, dass Mehrweg per se ökologischer und damit förderungswürdiger sei, spiegele die Verhältnisse in der Praxis nicht korrekt wider und beruhe nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Wir sollten Verpackungen nach ihrem realen ökologischen Fußabdruck beurteilen anstatt nach Ideologien“, so sein Fazit.
Unabhängiges Urteil gefragt
Den Vergleich scheut er dabei nicht, spricht sich vielmehr für eine „zeitgemäße Ökobilanz“ aus, wie sie „eigentlich“ vom Gesetzgeber gefordert werde. Da Studien, die von Branchenunternehmen in Auftrag gegeben werden, nicht immer öffentlich akzeptiert würden, sei es „essenziell, dass das Umweltbundesamt seiner Rolle als unabhängige Instanz gerecht wird und objektive und vertrauenswürdige Analysen mit aktuellen Daten durchführt“.
Vehementer Widerspruch kommt in dieser Frage von den Mehrweg-Befürwortern. Hier ist die Meinung weit verbreitet, es sei prinzipiell besser, „eine Flasche bis zu 50 Mal wieder zu befüllen als nach einmaligem Gebrauch immer wieder neue Dosen in Umlauf zu bringen“, wie etwa Günther Guder, geschäftsführenden Vorstand von Pro Mehrweg, kürzlich gegenüber Getränke News betonte. Eine Ansicht, die Wolfgang Hinkel scharf kritisiert: Sie zeige nur, dass die Mehrwegseite „den reellen Vergleich nicht schwarz auf weiß haben“ wolle.