Der Fruchtsaftmarkt ist im Umbruch. Durch Verteuerung der Rohwaren einerseits und sinkende Nachfrage andererseits geraten die Hersteller gleich aus zwei Richtungen unter Druck. Mehr denn je macht der Branche der Klimawandel zu schaffen. Wie der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF) im Januar meldete, haben die Safter 2023 die geringste Menge an Apfelsaft seit zehn Jahren gekeltert. Grund sind laut VdF die zunehmenden Wetterextreme. Anders als früher wechseln sich ertragsarme und -reiche Jahre nicht mehr ab, vielmehr sinkt die Erntemenge seit Jahren.
Noch schlimmer sah es 2023 beim Orangensaft aus. Durch witterungsbedingte Ernteausfälle in den USA und historisch niedrige Lagerbestände in Brasilien, dem weltweit größten Produzenten, sind die Vorräte im letzten Sommer praktisch auf null gesunken. Die Branche befinde sich in der schwierigsten Situation seit mehr als 50 Jahren, beschreibt VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger die Lage.
Rohwarenpreise binnen Jahresfrist verdreifacht
Nach drei schwachen bis mittleren Jahren hätten die Bestände nicht einmal zehn Prozent der üblichen Menge erreicht, erläutert der Verbandschef auf Nachfrage von Getränke News. „Diese enge Situation wird auch weiterhin anhalten, so dass die Rohwareneinstiegspreise bei über 300 Prozent des Vorjahres liegen“, so Heitlinger. Wegen des hohen Einflusses des Klimawandels sei zu erwarten, dass die Volatilität in den nächsten Jahren weiter zunehme.
Auch die Valensina-Gruppe, einer der größten Safthersteller, blickt auf „ein turbulentes Jahr“ zurück, „dessen Folgen auch 2024 noch deutlich spürbar sein dürften“. Durch langjährige Beziehungen zu den Lieferanten habe man die Orangenknappheit gut überbrückt und sei durchgängig lieferfähig geblieben; es komme zugleich aber auch auf eine breite Aufstellung an. „Unsere Stärke liegt ganz klar in der Diversität“, zeigt sich Geschäftsführer Tino Mocken zuversichtlich. „2023 war ohne Frage ein schwieriges Jahr für Orangensaft, unser Sortiment hat aber einiges mehr zu bieten“, ergänzt sein Geschäftsführungs-Kollege Felix Müller.
Gleichwohl wirkt sich die extreme Knappheit bei den Früchten bis in den Handel hinein aus. So berichtet Axel Heidebrecht, geschäftsführender Gesellschafter der Einzelhandelskette Getränkeland Heidebrecht, seine Einkaufspreise beim Orangensaft seien 2023 – „dramatisch“ – um bis über 20 Prozent gestiegen. Die Erhöhungen würden unmittelbar weitergegeben, so dass die Regalpreise die Entwicklung am Rohwarenmarkt sehr gut abbildeten.
Immer mehr Sorten mit weniger Saftanteil
Seine Kunden reagierten mit Konsumzurückhaltung, hat Heidebrecht beobachtet. Manche würden auch zu anderen Fruchtsorten wechseln. An seinem Sortiment musste der Fachhändler indessen nichts verändern – eher kamen Änderungen aus der Richtung der Hersteller; mangels Rohware würden bestimmte Produkte eingestellt oder die Hersteller böten Getränke mit geringerem Saftgehalt an, um die Preise erschwinglich zu halten. Diese Tendenz bestätigt auch Klaus Heitlinger vom Fruchtsaftverband, der prognostiziert, dass sich dieser Trend fortsetzen und der Anteil der 100-Prozent-Säfte weiter abnehmen wird.
Marktführer Eckes-Granini bestätigt dies auch für den Außer-Haus-Konsum und kündigt, im Hinblick auf die Inflation, „preisliche Alternativen für den Ausschankbereich“ an. „Für Gastronomen, bei denen der Wareneinsatz und Preis im Vordergrund steht, bieten wir im Ausschank alternativ unsere hochwertigen Nektare als Post-Mixes in Mehrweg-Glasflaschen oder als Bag-in-Box an“, erläutert Pressesprecher Boris Bolwin auf Nachfrage von Getränke News. Darüber hinaus habe man das Portfolio der „Trinkgenuss“-Linie um einen Orangennektar erweitert.
Markensäfte verlieren, No Names legen zu
Fast parallel zu den Problemen bei der Beschaffung gestaltet sich auch die Konsumentenseite immer schwieriger, denn die Verbraucher zeigen sich schon angesichts der Inflation deutlich preissensibler als in den vergangenen Jahren. Eine Entwicklung, die erkennbar auch die Markenartikel schwächt: Bereits 2023 bemerkte der VdF einen verstärkten Rückgang der Markensäfte und eine Zunahme der No-Names. „Wir rechnen damit, dass sich dies im Jahr 2024 fortsetzt, da die notwendigen Preiserhöhungen auf breiter Front jetzt beim Verbraucher ankommen“, so Verbandschef Heitlinger.
Genau diese Entwicklung erwartet man auch bei Valensina. Die steigenden Preise sorgten jetzt bereits für den vermehrten Kauf von Handelsmarken sowie Marken in der Aktion. Diese Tendenz werde sich weiter fortsetzen, da eine Entspannung auf dem Rohwarenmarkt nicht in Sicht und die Verbraucher durch Inflation und Verunsicherung angesichts der weltpolitischen Lage sparsamer geworden seien. „Wir werden im Jahr 2024 auf den anhaltenden Rückgang beim Fruchtsaftkonsum reagieren und unsere Marken noch breiter aufstellen“, kündigt Tino Mocken an. Bei den Private Labels werde das Unternehmen „mit Produktinnovationen neue Impulse setzen“.
Junge Kategorien verdrängen die Klassiker
Doch auch unabhängig von den steigenden Preisen tun sich insbesondere klassische Säfte am Markt zunehmend schwer. Im Jahr 2000 trank jeder Deutsche im Schnitt noch über 40 Liter Fruchtsaft. Seitdem geht der Konsum – mit wenigen Schwankungen – kontinuierlich abwärts. 2012 lag er bei knapp 34 Litern, 2023 erreichte er mit 28 Litern den vorläufigen Tiefpunkt.
Klaus Heitlinger führt den Rückgang vor allem auf die gesättigten Märkte zurück: Bei einem Getränkekonsum von durchschnittlich zwei Litern am Tag gehe das Wachstum von Kategorien wie Energy-Drinks, Near-Water oder auch Pflanzenmilch zulasten der etablierten Segmente, weiß der VdF-Geschäftsführer.
Auf diese Tendenz stellt man sich bei Eckes-Granini bereits seit Jahren ein und setzt verstärkt auf Produkte, die aktuellen Trends zum Beispiel zu gesundem Genuss, Zuckerreduktion oder Nachhaltigkeit folgen. Dementsprechend stünden im Vordergrund des Interesses Kategorien wie Shots, Wasser Plus, Sirupe oder Fruchtgetränke mit weniger Kalorien, erläutert Unternehmenssprecher Boris Bolwin.
Außer-Haus-Markt ins Visier genommen
Fürs Gesamtgeschäft gewinnt dabei für Eckes-Granini der Außer-Haus-Markt zunehmend an Bedeutung. In diesem Sektor hätten die Geschäfte sich „überproportional dynamisch“ entwickelt, so Bolwin. „Es ist unsere klare strategische Intention, diesen Bereich weiter auszubauen, um die Präsenz unserer Marken in relevanten Umfeldern gezielt zu stärken.“
Dabei öffnet das Unternehmen sein Sortiment immer stärker für Getränke abseits der großen Klassiker: „Fruchthaltige Erfrischung“ heißt da das Zauberwort, das bedeutet „alles, was sich zwischen Fruchtsaftgetränk, Limonade und Schorle abspielt“. Bei jüngeren Konsumenten stehen insbesondere leichtere Getränke hoch im Kurs, und insgesamt erhöhe sich auch die Nachfrage nach exotischen Sorten wie Guave-Drachenfrucht oder Maracuja. Um am anhaltenden Cocktail-Trend zu partizipieren, bietet Granini mit seinen „Cocktails“ ein Premix-Konzept für den schnellen Ausschank an.
Unter dem Strich müsse es darum gehen, ein trendorientiertes Angebot an innovativen Produkten zu liefern, das „ein weites Spektrum von Verzehranlässen“ abdeckt, wie es im Eckes-Granini-Jargon heißt. Mit Klassikern wie Orangen- oder Apfelsaft wird sich wohl die Zukunft nicht bestreiten lassen.