Christian Gieselmann, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, wird zum 15. November auf eigenen Wunsch aus dem operativen Geschäft der Warsteiner Gruppe ausscheiden, meldet das Unternehmen. Seine operativen Aufgaben übernimmt kommissarisch Helmut Hörz, seit Juli 2021 CFO und Vorsitzender der Warsteiner-Geschäftsführung.
Undercover Boss
Christian Gieselmann hatte im März 2018 zunächst die Position des kaufmännischen Geschäftsführers der Warsteiner Gruppe übernommen und wurde 2019 zum Geschäftsführer Marketing und Vertrieb ernannt. Nur wenige Monate nach seinem Einstieg sorgte er in der Branche bereits für reichlich Gesprächsstoff: Für die RTL-Real-Life-Doku „Undercover Boss“ tauschte er seinen Anzug gegen einen Blaumann und arbeitete als „Stefan“ in verschiedensten Berufen des Unternehmens. Die Sendung wurde im Januar 2019 ausgestrahlt.
In seiner Zeit als Marketing- und Vertriebschef schaffte Gieselmann es nicht, die Absätze der Marke Warsteiner zu steigern. Im Gegenteil: Es ging weiter bergab. 2019 meldete das Unternehmen einen Absatzrückgang im In- und Ausland von insgesamt 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit sank der Gesamtabsatz auf geschätzt rund 2,2 Millionen Hektoliter. Die Ursachen für den rückläufigen Bierkonsum begründete Gieselmann damals mit insgesamt weniger vorteilhaften Wetterbedingungen als 2018 und fehlenden sportlichen Großereignissen.
Sinkflug fortgesetzt
2020 litt die Brauerei deutlich stärker unter der Pandemie als die Mitbewerber. 2020 gingen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt 16,2 Prozent Warsteiner-Absatz verloren. Im Inland betrug das Minus sogar 17,4 Prozent. Für das erste Halbjahr 2021 gibt die Brauerei einen Absatzrückgang in Deutschland von 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Damit dürfte Ende 2021 der Jahresausstoß bei unter 1,8 Millionen Hektolitern liegen. Während die Mitbewerber ihre Gastronomie-Ausfälle größtenteils durch steigendes Flaschenbier-Geschäft im Handel kompensieren konnten, lief es auch hier für Warsteiner nicht gut. Die Jahresbilanz im nationalen Handel zeigte trotz höchster Aktionstätigkeit – zuweilen auch unter der 9-Euro-Marke – bedenklich wenig Absatzstärke.
Tatsache ist: Warsteiner ist in der Pandemie im nationalen Handel laut Marktforschung regelrecht unter die Räder gekommen. Nielsen bilanziert von Januar bis August allein bei Warsteiner Pils Marktverluste von -7,9 Prozent. Im Handel ist die Pilsmarke in der Marktbedeutung hinter das sächsische Ur-Krostitzer zurückgefallen. Der Warsteiner-Pils-Marktanteil liegt nur noch bei 3,5 Prozent, während der einstige Rivale Krombacher inzwischen dreimal mehr Menge verkauft.
Inhaberin holt erfahrenen Sanierer
Auch die Warsteiner-Preiseinstiegsmarke Paderborner gibt nach diesjährigen Verlusten von -11,8 Prozent keinen Grund zum Optimismus. Kein Wunder also, dass die Warsteiner-Inhaberin und geschäftsführende Gesellschafterin Catharina Cramer offenbar auf die Talfahrt reagierte und Mitte 2021 mit Helmut Hörz (60) einen erfahrenen Sanierer als neuen Finanzchef an Bord holte.
Hörz war von 2017 bis 2019 CEO bei Alete. Der Hersteller von Babynahrung wurde 2019 an die DMK Group verkauft. Von 2019 bis 2021 war Hörz CEO der Homann Feinkost GmbH, die Ende Juni 2021 an den niederländischen Salathersteller Signature Foods BV verkauft wurde. Seit Juli 2021 ist Hörz nun CEO bei Warsteiner. Den Vorsitz der Geschäftsführung hatte er bei seinem Einstieg von Christian Gieselmann übernommen. Gieselmann schien angezählt und für Branchenkenner war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er das Unternehmen verlassen würde.
Gieselmann bleibt beratend tätig
Wie die Brauerei meldet, wird Gieselmann nach seinem Ausscheiden Mitte November der Brauerei-Gruppe weiterhin in beratender Funktion zur Seite stehen. Zudem werde er in Beteiligungsunternehmen weiterhin seine Tätigkeiten ausüben. Derzeit ist er als Aufsichtsratsvorsitzender der Trinks GmbH und als Beirat der König Ludwig International GmbH & Co. KG für die Warsteiner Gruppe tätig.
„Mit Christian Gieselmann hatte ich einen tollen und hoch geschätzten Menschen und Manager an meiner Seite, auf den ich mich immer verlassen konnte und mit dem wir die schwierige Corona-Zeit überwunden haben. Dafür danken wir ihm alle sehr“, sagt Catharina Cramer.
Warsteiner Gruppe
Die Warsteiner Brauerei war in den 1990er Jahren Marktführer in Deutschland und erzielte 1994 mit rund 6,2 Millionen Hektolitern den höchsten Absatz ihrer Firmengeschichte. Auch heute zählt sie mit rund 1,9 Millionen Hektolitern Jahresabsatz (geschätzt) zu den größten Privatbrauereien Deutschlands. Gegründet 1753, ist sie ein Familienunternehmen in neunter Generation. Die Warsteiner Gruppe umfasst die Herforder Brauerei, die Privatbrauerei Frankenheim, die Paderborner Brauerei sowie Anteile an der König Ludwig Schlossbrauerei.
Mehr über die Geschichte der Warsteiner Brauerei lesen Sie in unserer großen Serie „Bier-Marken-Analyse“.