Der steile Weg von Warsteiner
Für die meisten Deutschen ist es immer noch „eine Königin unter den Bieren“, wenngleich das Marketing ihr vor geraumer Zeit das traditionelle Selbstverständnis in der Bildmarke genommen hat. Die Marke Warsteiner blickt an der Jahrzehntschwelle auf eine Entwicklung zurück, die sie bis heute unvergleichlich macht – mit Höhen und Tiefen. Mit sechs Millionen Hektolitern vor genau 25 Jahren war es die erste Einzelmarke, die diese magische Schwelle überschritt. Vor 20 Jahren wurde „Das einzig Wahre“ dann als langjähriger Marktführer von Krombacher abgelöst – die Hektoliter wanderten peu à peu ins Siegerland. Geblieben ist das ehrliche Bemühen der Inhaberfamilie Cramer, etwas vom zweifellos strahlenden Markencharakter auch absatztechnisch zurückzuholen. Doch im Gesamtausstoß hat die Marke Warsteiner heute wieder die Größe von 1987 erreicht.
Die Herausforderung der Brauwirtschaft
Es ist ein Menetekel, das die deutsche Brauwirtschaft in ihrer Nachkriegsgeschichte wie ein ungeschriebenes Gesetz begleitet: Jeder seiner Marktführer hat nach dem Verlust der Spitzenposition nie wieder zu alter Stärke zurückgefunden. War es 1954 die Dortmunder Union, die erstmals eine Million Hektoliter überschritt, oder in den 1980er-Jahren die Marke König, die bei über zwei Millionen Hektolitern ihre Führungsposition verlor – sie alle haben nie wieder alte Absatzkraft erreicht. Und das nicht etwa, weil die Produktqualität gelitten hätte, sondern weil sich die Verbraucher schlichtweg abgewendet haben und einer neuen, unverbrauchten Marke huldigten.
Meist führten die Mengenverluste gar zum Verlust der Selbstständigkeit – König Pilsener wurde zu Jahrtausendbeginn an die Holsten-Gruppe verkauft und später an die Bitburger Braugruppe durchgereicht. Dieses Schicksal blieb Warsteiner erspart. Aber woran liegt es dann, dass eine Marke mit einem Mengenpolster von sechs Millionen veritabler Hektoliter einen solchen Strömungsabriss erfährt und 20 Jahre nach der Übergabe des Staffelstabes an Krombacher auf Platz sieben im Markenranking zurückfällt?
Sensationeller Werdegang zur Marktführerschaft
Tatsächlich hatte die Warsteiner Brauerei schon in den 1970er-Jahren vieles richtig gemacht. Mit ungeheurem Eifer ging das Unternehmen unter der anfänglichen Ägide der Gesellschafter Albert Cramer und seines Vetters Claus Cramer an einen Markenaufbau, den allenfalls Dr. Leo König im fernen Duisburg zeitgleich vollzog. Im Sauerland formierte man die Königin unter den Bieren, an der Mündung von Rhein und Ruhr thronte König Pilsener. In beiden Unternehmen arbeitete man am Aufbau einer trendgerechten Marke – und das in einer Zeit, als die regionalen Brauer ihre Produkte fast überall als profanes Bier an den Kunden brachten.
Dass die favorisierte Nachkriegssorte Export im schlichten Becherglas damals an Popularität verlor, half insbesondere Warsteiner, seine neue Position zu erobern. Das Pils mit seiner feinherben Note wurde als leichter empfunden, hinzu kam das edle schlanke Glas, die Warsteiner Exklusiv-Tulpe, die dem Bierfreund auf den ersten Blick signalisierte: „Hier steht etwas Besonderes vor dir auf dem Tresen!“ Warsteiner stieg früh in die nationale Werbung ein und zelebrierte das eigene Produkt – keine Menschen, keine Lebenswelten. Wenig Emotionen, vor allem Nutzwert und – ganz wichtig – Prestige wurden kommuniziert. Das kam an.
Und als Albert Cramer dann in den frühen 1980er-Jahren alleine die Führung der Warsteiner Brauerei übernahm, ging es zielsicher nach vorn. Er hatte das, was den meisten anderen Brauern in jenen Jahren fehlte: das Gefühl für Zeitgeist – den richtigen Moment in der deutschen Braugeschichte für sich nutzbar zu machen. Vertrieblich setzte er auf die Branchenlegende Helmut Hülsbeck, jenen Vertriebschef, der vielen Weggefährten im deutschen Getränkefachgroßhandel als Leitwolf begegnet und in Erinnerung geblieben ist.
Hülsbeck setzte konsequent auf den Getränkefachgroßhandel und formierte mit einer Hochpreispolitik noch vor der Wende Verleger, die in allen Teilen des Landes als verlässliche Partner und Absatzmittler im wettbewerbsintensiven Biermarkt unterwegs waren und die regionale Verankerung brachten. Während Helmut Hülsbeck die Seinen um sich scharte, übernahm Albert Cramer die Markenführung und den Ausbau der Brauerei. Bis 1995 verging kein Jahr ohne Wachstum. Cramer erkannte früh den richtigen Weg, siedelte den Braubetrieb aus der Enge der Stadt Warstein aus und baute vor den Toren der Stadt, inmitten des Waldes, eine großzügige, hocheffizient arbeitende Brauerei – die Waldpark-Brauerei.
Albert Cramer war schon in den 1980er-Jahren bekannt für ehrgeizige Pläne. Einer davon war der Bau einer eigenen Brauwassertalsperre, die allerdings letztlich am politischen Widerstand scheiterte. Ansonsten sollte ihm vieles auf dem Weg zur Marktführerschaft geschmeidig und mit Fortune gelingen. Er hängte die Dortmunder Erzrivalen der beiden Nachkriegsjahrzehnte schlichtweg ab. Als man in Warstein im Olympiajahr 1972 die 500.000-Hektoliter-Marke überschritt, machte sich die Reviermetropole gerade auf, alsbald als Europas Bierstadt mit fünf Millionen Hektolitern aufzutrumpfen.
Der Gleichklang von Marketing, Vertrieb und Braubetrieb funktionierte bei Warsteiner jahrzehntelang tadellos – und der Hektolitererfolg ließ den Wettbewerb vielerorts blass zurück. Selbst die frühen und großen TV-Marken wie Wicküler oder Beck’s konnten nicht mithalten, nur Bitburger, Veltins und Krombacher hielten Anschluss. Die Premium-Philosophie trug Inhaber Albert Cramer zeitlebens wie eine Monstranz vor sich her – er war sich des Wertes seiner Marke bewusst. Und stets im Wissen um den partnerschaftlichen Vorteil, den Gastronomie und Handel ebenfalls daraus für sich nutzbar machen konnten.
In den 1980er-Jahren galt Warsteiner deutschlandweit als eine Trendmarke, die in der Gastronomie für Aufmerksamkeit sorgte. Das runde Markenlogo, das noch heute so etwas wie das Vermächtnis des Inhabers ist, hatte Absatzwirkung: Der Claim „Eine Königin unter den Bieren“ besaß noch dann Glaubwürdigkeit, als der Sortenhinweis auf die Pilsener Brauart dem „Premium Verum“ weichen sollte. Der Weg zur Marke war geschafft!
Hektoliter-Millionär seit 1978
1978 war die Hektoliter-Million genommen worden, sechs Jahre später hatte sich der Ausstoß verdoppelt – die 1980er-Jahre waren die Startrampe für ein ungebremstes Wachstum. Dr. Leo König, damals am anderen Ende Nordrhein-Westfalens immerhin Deutschlands Marktführer, hatte auf die Frage von „Welt“-Autorenlegende Hans Baumann nach dem Erfolg von Warsteiner nur eine knappe Antwort übrig: „Wo liegt Warstein?“ Wenig später wurde er überholt. Alle Erfolgsbrauer wissen heute, dass Selbstbewusstsein keineswegs schadet, aber Demut vor dem herausfordernden deutschen Biermarkt eine Tugend sein sollte.
Die großen Gruppen wie Union-Schultheiss, Deutsche Brau AG, Wicküler oder Löwenbräu hatten damals zumeist Aktienkapital großer Banken im Rücken und damit unwägbares Risiko. Für Warsteiner, aber auch für Krombacher, Bitburger oder Veltins waren sie die willkommenen „Hektoliterspender“ der 1980er-Jahre. Gerade die mittelständischen, familiengeführten Brauereien waren es, die mit Langfristperspektive in den Biermarkt investierten. Dem Verbraucher ging es seinerzeit längst nicht mehr um Größe der Braukonzerne mit ihren Dutzenden unprofilierten Bieren im Portfolio, sondern um Markenpersönlicheiten und Genuss. Dies hatten die selbsternannten Premium-Brauer früher begriffen als alle anderen.
Grenzöffnung brachte rasantes Wachstum
Im Jahr der Grenzöffnung kratzte Warsteiner mit 2,94 Millionen Hektolitern Ausstoß bereits an der bis dahin unerreichten Drei-Millionen-Marke. Und Widersacher König-Pilsener war längst abgehängt. Als dann die Wiedervereinigung vollzogen war, wuchs der Marktführer im selben Jahr um 700.000 Hektoliter. Als dann die D-Mark im Osten angekommen war, legte Warsteiner in nur zwölf Monaten nochmals 1,2 Millionen Hektoliter zu. Eine atemberaubende Entwicklung! Als 1994 sagenhafte 6,24 Millionen Hektoliter durch die Warsteiner-Sudkessel flossen, kehrte sich die historische Sogbewegung aus den neuen Bundesländern in eine Rückbesinnung auf eigene Ost-Marken – die Hektoliterverluste sollten unausweichlich werden.
Tatsächlich schien nach übereinstimmender Meinung von Zeitzeugen das Wachstum in Warstein so rasant, dass man offenbar den schärfsten Wettbewerber Krombacher aus den Augen verloren hatte. Er lief sich bereits lange Jahre warm und hatte mit Günter Heyden einen Vertriebsstrategen an Bord, der nicht nur Getränkefachgroßhandel und Gastronomie zu nehmen wusste, sondern vor allem den Handel verstand. Dort fehlte es Warsteiner in den 1990er-Jahren an einer funktionierenden Strategie, vor allem aber schlagkräftigen Außendienstmannschaft, obwohl gerade im LEH die Musik immer stärker spielte und schwarze Paletten aus Krombach die gelben aus Warstein zusehends zu verdrängen vermochten.
Nach der Jahrtausendwende
Der Einstieg ins neue Jahrtausend bedeutete zwar nicht den Verlust an Warsteiner-Markenkraft, allerdings einen spürbaren Wahrnehmungsverlust beim Verbraucher. Im vereinten Deutschland hatte Warsteiner lange Jahre die Führungsposition als unumstrittene nationale Marke inne gehabt, galt als Bier, „mit dem man nichts falsch macht“. Genau diese Pole-Position sollte Krombacher übernehmen und in den Folgejahren das Wachstum fortsetzen – bemerkenswerterweise ebenfalls bis zur aktuellen Sechs-Millionen-Hektoliter-Schallmauer.
Wie so oft in der Geschichte von inhabergeführten Mittelstandsunternehmen sind es Managementprobleme, die auch den Motor von Unternehmen und Marke zum Stottern bringen. War es zu Jahrtausendbeginn die Strategie, mit „schnellen Lidl-Hektolitern“ im 12er-Einwegkarton verloren gegangene Menge zu kompensieren, kamen zu späte Produktentscheidungen hinzu. Der Biermixzug fuhr in den Boomjahren ohne Warsteiner aus dem Bahnhof, ehe man später, für viele Beobachter viel zu spät, nachzog. Dabei ehrt es Albert Cramer, stets die Marke und das Unternehmen im Fokus behalten zu haben, selbst zu einer Zeit, als erste Personaleinschnitte unabdingbar wurden.
2006 berief der Inhaber dann seine jüngste Tochter Eva-Catharina mit 28 Jahren als Geschäftsführerin an seine Seite. Wenig später musste der langjährige Generalbevollmächtigte Gustavo Möller-Hergt das Feld räumen. Zu unterschiedlich waren die Charaktere einer bodenständigen Westfälin, die von ihrem Vater zu Recht in der Nachfolge auf Platz eins gesetzt wurde, und des bis dahin schon schlagzeilenträchtigen, stets führungshungrigen Südamerikaners.
Verantwortungsvolles Erbe lastet auf junger Inhaberin
Es hatte dem Unternehmen gut getan, gerade in dieser schwierigen Phase der fortschreitenden Volumenverluste ein klares Signal in den Markt und die Belegschaft zu geben, dass es als familiengeführtes Unternehmen weitergeht. Dass ein großes, verantwortungsvolles Erbe auf der jungen Inhaberin lastete, wurde spätestens deutlich, als ihr Vater 2012 verstarb. Die junge Chefin packte an – und zeigte Präsenz genau dort, wo ihre Produkte gefragt waren: beim Kunden. Zwar gingen seit dem Eintritt von Eva-Catharina Cramer 2006, als 3,32 Millionen Hektoliter bilanziert wurden, bis zum Jahr 2018 mit einem Ausstoß von 2,26 Millionen Hektolitern über eine Million Hektoliter verloren, doch die Marke hielt Kurs, versuchte immer wieder einen Neuanfang. Personell und werblich. Schmerzlich vor allem die Tatsache, dass es solide Fassbier-Hektoliter und damit deutliche Präsenz in der Gastronomie waren, die dem Unternehmen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten abhandengekommen sind. Von 1,05 Millionen Hektoliter schrumpfte der Fassbier-Ausstoß auf ein Drittel.
Impulse durch Produktentwicklung
Nur wenige erinnern sich an die tollkühne Idee von Albert Cramer, als er Mitte der 1990er-Jahre mit dem Warsteiner Dosenkasten die Einwegdose in einem eigens konstruierten, dann auch serienreifen Mehrwegkasten unterzubringen versuchte. Cramer hatte das Dosendilemma fast ein Jahrzehnt vor der Einführung des Einwegpfandes kommen sehen, freilich keine Marktunterstützung erhalten. Zeitweise baute er sogar eine eigene Kastenproduktion auf, um angesichts des Wachstums den Nachschub an Flaschen-Mehrwegkästen aus eigenen Spritzgussmaschinen zu sichern.
Nach der Jahrtausendwende war es das Jahr 2003, als die Warsteiner Brauerei zum 250-jährigen Jubiläum die Biermixe Warsteiner Lemon und Warsteiner Cola vorstellte. Im selben Jahr sollte die Klarglasflasche als „Limited Club Edition“ als Antwort auf Beck’s Gold dienen. Zugleich stieg Warsteiner mit der „Lufthansa-Flasche“ in die eher kostspielige Airline-Belieferung ein.
Branchenbegleiter erinnern sich noch an die Internorga 2004, als am Messemontag die neue Produktrange Warsteiner HiLight vorgestellt wurde. Großflächige Plakate an Wänden und Taxen sorgten in der Hansestadt über Nacht für einen spektakulären Auftritt. Es sollte ein erster Befreiungsschlag werden, um mit etwas ganz Neuem im Biermarkt zu starten. „Warsteiner HiLight, das ist echter Geschmack mit vollem Alkoholgehalt, aber weniger Kalorien. Ein echtes HiLight deutscher Braukunst“, hieß es vollmundig. Womöglich war man der Low-Carb-Welle einfach zu weit voraus. Die Verbraucher konnten sich nicht für die neuen Biere erwärmen. Die Warsteiner Brauerei stellte 2004 als erste Brauerei Deutschlands überdies eine 0,25-Liter-Mehrwegflasche Warsteiner Premium Verum im völlig neuen 15er-Kasten vor. Sowohl die „Piccola“-Flasche als auch der dazugehörige 15er-Kasten sollten ideal für den „Genuss zwischendurch“ sein.
Gleiches galt 2007, als Warsteiner mit Chili con Lemon die damals innovativen Biermixe bereichern sollte. Premium Chili con Lemon bestand aus 60 Prozent Warsteiner, natürlichen Chili-Extrakten und dem Geschmack von Lemon bei 2,9 Volumenprozent Alkohol. Doch mit der Schärfe war es einfach zuviel. Glücklicher verlief der Schachzug 2013, gegen die herben norddeutschen Biere anzutreten – Warsteiner Herb und Herb Alkoholfrei sollten in der grünen Flasche schnelle Achtungserfolge einfahren und das Sortiment dauerhaft ergänzen können.
Dann 2016 der Versuch zum Einstieg ins Spezialitätensegment: Trotz eines differenzierenden Retro-Auftritts war der Produktneuheit „Warsteiner Braumeister“ als Vertreter traditioneller Braukunst nur eine kurze Verweildauer gegönnt – zu geschmacksschwer, befanden Verbraucher. Dabei hatte die Warsteiner Brauerei das naturtrübe Bier, das mit ausgewählten Aromahopfensorten eingebraut wurde, passend zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebots herausgebracht. Der seit fünf Jahren währende Spezialitätentrend wird 2020 mit dem Neuprodukt Warsteiner Brewers Gold nachgeholt.
Warsteiner im Spiegelbild der Markenkommunikation
Keine andere Marke kann in ihrem werblichen Auftritt auf eine solch hohe Kontinuität verweisen wie Warsteiner. Vor allem die Print-Kampagne ist es, die das Erscheinungsbild des Premium-Pilseners unverwechselbar prägt. Gemeinsam mit der einstigen Werbeagentur B/W wurde eine Inszenierung schon früh in den 1970er-Jahren vervollkommnet, die das Produkt alleine in den Fokus stellt. Legendär sind die Vergleiche des Warsteiner Pilseners mit Champagner – die Menschen verstanden auf Anhieb, dass das Bier aus dem Sauerland etwas Besonderes bedeuten sollte. Zwar gab es immer wieder Versuche, die mangelnde Emotionalisierung nachzuholen. 2004 startete die Kampagne „Goldene Momente“ zugleich in Print und TV, die die Marke Warsteiner mitten ins Leben der Menschen bringen. Allein der Mut des Durchhaltens fehlte, man besann sich wieder auf die menschenfreie Produktdarstellung – bis heute.
Im Sponsoring unternahm die Warsteiner Brauerei einen Ausflug in die Formel 1 sowie in den Tourenwagensport. Gerade in den Jahren, als die Motorsport-Begeisterung in Deutschland für flächendeckende Aufmerksamkeit sorgte, waren die goldenen Rennfahrzeuge in den Warsteiner-Farben unterwegs. In den 1980er-Jahren folgte dann der Einstieg in den Reitsport und Wintersport. Skilegende Markus Wasmeier trug jahrelang das Warsteiner-Stirnband ebenso wie Skispringer Jens Weissflog. Lediglich im TV-Engagement mit klassischer Werbung hielt sich Warsteiner bis weit in die späten 1990er-Jahre zurück, während andere Marken dort bereits Millionen-Spendings platzierten.
Noch vor der Jahrtausendwende folgte dann die Rückkehr in die Formel 1, zwischenzeitlich ließ sich Warsteiner auch zum Sponsoring bei Borussia Dortmund hinreißen, das 2001 mit einem Fünf-Jahres-Vertrag an den Start ging. Im Bereich der Testimonial-Werbung bedienten sich das Marketing-Management bei den Klitschko-Brüdern und bei Liverpool-Trainer Jürgen Klopp. Allerdings konnten alle Sportler lediglich dazu genutzt werden, die alkoholfreien Biere zu bewerben. In den letzten Jahren brachte Warsteiner die Markenverjüngung durch eine intensive Präsenz bei Festivals voran.
Beteiligungen
Internationale Beteiligungen in Argentinien, Vietnam und Afrika wurden bereits nach der Jahrtausendwende aufgegeben. Während der Brauerei-Standort Paderborn seit 1991 als Teil der Haus Cramer-Gruppe unverändert das Preiseinstiegssegment bedient, ist man für den 2007 übernommenen Standort der Herforder Brauerei noch auf Partnersuche. An der Schlossbrauerei Kaltenberg hatte sich die Warsteiner Brauerei schon 2001 mit 50 Prozent beteiligt; hinzu kam die Beteiligung an einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft.
Die 2004 übernommene Altbierbrauerei Frankenheim war 2008 bereits verkauft worden; die Marke mit ihren verbleibenden Altbier-Hektolitern wird seither in Warstein gebraut. Innerhalb der von Roland Berger beschleunigten Restrukturierung des Jahres 2018 wurden sämtliche Beteiligungen am Getränkefachgroßhandel aufgegeben und veräußert, so dass die Konzentration auf das angestammte Geschäftsfeld wieder in den strategischen Fokus genommen wurde. Lediglich Sauerland-Getränke als Versorger rings um den Brauerei-Standort blieb als 100-Prozent-Tochter erhalten.
Ausblick ins nächste Jahrzehnt
Es bleibt dabei, die Marke Warsteiner bleibt am Ende des Jahrzehnts ein ernstzunehmender Wettbewerber für das gesamte Premium-Segment. Vorausgesetzt es gelingt, die Marke wieder preislich und imageträchtig auf Augenhöhe von Krombacher, Bitburger, Radeberger oder Veltins zu bringen und in ruhiges Fahrwasser zu führen. Dank des verjüngten Markenbildes – auch durch den neuen Mehrwegkasten – bestehen gute Chancen, die gewonnene Kraft in Absatzstärke umzumünzen, idealerweise mit Branchenexpertise und einkehrender Kontinuität in der Führung. Branchenbegleiter halten dieses nach mehreren Wechseln an der Vertriebs- und Marketingspitze schon seit langem für unerlässlich. Dass man bei Warsteiner mit Bedacht den soliden Weg der Kunden- und Verbrauchernähe gehen muss, sollten in Zukunft auch die Produktinnovationen beweisen.
Die Restrukturierungen der jüngsten Vergangenheit waren zweifellos schmerzhaft, allerdings auch unabdingbar, um die Privatbrauerei für das nächste Jahrzehnt fit zu machen. Es geht um souveräne Marktbearbeitung und Markenpflege, soviel ist gewiss. Die Warsteiner-Höhenflüge längst vergangener Jahrzehnte sind deutsche Braugeschichte. Und für neues Wachstum wird es angesichts des enormen Wettbewerbsdrucks nur wenig Aussicht geben, wenn man den konsequenten Premium-Kurs mit dem Prinzip der Ertragsstärke vor Menge fortsetzt. Eines kann dabei helfen: Das Markendepot in den Köpfen der Verbraucher ist immer noch groß, wenn es um „eine Königin der Biere“ geht. Auch wenn es in der Bildmarke rund um den Warsteiner-Schriftzug nicht mehr dort zu lesen ist.
Zahlen & Fakten
Ausstoß 2018: 2,3 Millionen Hektoliter*
Fassbier: 370.000 Hektoliter*/ Anteil 15 Prozent
Export: 480.000 Hektoliter*
Marktanteil im Handel: 4,6 Prozent**
*geschätzt
**AC Nielsen
Über die Serie
In unserer Serie „Bier-Marken-Analyse 2020“ betrachten wir monatlich eine der Top-Biermarken in Deutschland. Teil 8 „Erdinger“ erscheint Ende Januar 2020.