„Viele Brauereien werden aufgeben müssen“
Die Corona-Krise trifft die Getränkebranche mit voller Wucht. Der Außer-Haus-Markt ist vollständig zum Erliegen gekommen, ein Ende ist nicht in Sicht. Welche Folgen das für die deutsche Brauwirtschaft hat, erläutert Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, im Interview mit Getränke News.
Getränke News: Die Corona-Krise verschärft sich mit jeder Woche weiter, auch für die Brauwirtschaft. Ist die Versorgung gesichert?
Eichele: Wir können aktuell sagen: Die Versorgung durch die rund 1.500 Brauereien in Deutschland ist gesichert. Viele Brauereien haben außerdem die Herstellung von Mineralwasser und anderer alkoholfreier Getränke stark hochgefahren, um die gestiegene Nachfrage in diesem Bereich zu decken. Zum Glück haben wir stabile Logistikketten, um den Lebensmittelhandel und die Getränkemärkte mit genügend Ware versorgen zu können. Auch bei den Heim- und Lieferdiensten herrscht Hochbetrieb.
Getränke News: Es gibt erste Berichte über einen Mangel an Leergut.
Eichele: In der Tat ist das Leergut ein kritischer Punkt. Bei den meisten Brauereien ist die Versorgung mit Leergut noch gewährleistet, aber wir müssen die Situation in den nächsten Wochen sehr genau beobachten.
Wenn es stellenweise Engpässe gibt, dann aus vier Gründen: Viele Verbraucher haben ihr Einkaufsverhalten geändert und bringen leere Flaschen und Kästen nicht mehr so zügig zurück. Einige haben auch bewusst Bier gehortet. Wir sehen zudem, dass der Handel überlastet ist und deshalb manche Läden vorübergehend kein Leergut zurücknehmen. Hinzu kommt, dass einige Sortierzentren nur eingeschränkt arbeiten können, weil Personal für Sortierung und Transport fehlt.
Fazit: Noch läuft es, aber es könnte beim Leergut bald eng werden für die Brauereien.
Getränke News: Gaststätten und Kneipen sind seit zwei Wochen dicht, und ein Ende ist nicht in Sicht. Wie lange hält die Branche das noch aus?
Eichele: Ich möchte betonen: Die Schutzmaßnahmen von Bund und Ländern sind richtig und wichtig, ich unterstütze diese Strategie. Aber die Situation in der Gastronomie ist wirklich alarmierend. Die wirtschaftliche Lage der von Schließung betroffenen Gaststätten, Restaurants, Eckkneipen, Cafés, Clubs und Bars wird von Tag zu Tag dramatischer. Die meisten Betriebe haben überhaupt keine Umsätze mehr. Bereits jetzt befinden sich manche Wirte am Rande ihrer Existenz oder haben schon Insolvenz angemeldet. Anders als in anderen Branchen können die verlorenen Umsätze im Gastgewerbe nicht nachgeholt werden.
Getränke News: Wie kann der Staat helfen?
Eichele: Das Problem: Stundungen oder Kredite helfen in einer Situation, in der das gesamte Gastgewerbe mit dem Rücken zur Wand steht, nicht weiter. Nur Soforthilfen in Form von unbürokratischen Zuschüssen können die drohende Pleitewelle in der Gastronomie noch abwenden. Gelingt es jetzt nicht, das Gastgewerbe zu retten, werden viele Familienbetriebe für immer aus unseren Städten und Gemeinden verschwinden.
Das traditionelle Wirtshaus im Dorf, die Kneipe an der Ecke, der international bekannte Club in der Großstadt, das neu gegründete Studentencafé – all dies ist Teil unserer Kultur, unseres sozialen und gesellschaftlichen Lebens. Wir müssen uns überlegen: Wie sollen unsere Städte aussehen, wenn diese Krise überstanden ist?
Getränke News: Wie sehr wird die Brauwirtschaft durch die Krise der Gastronomie in Mitleidenschaft gezogen?
Eichele: Das trifft uns mit voller Wucht, denn hier entsteht ein Domino-Effekt: Unsere mittelständisch geprägte Brauwirtschaft ist massiv betroffen, weil viele Brauereien einen Großteil ihres Umsatzes über die regionale Gastronomie erzielen. Dazu kommen Pachtzahlungen und Kredite der Gaststätten, die jetzt zum Teil komplett ausfallen. Wir sitzen in einem Boot, und dieses Boot hat gefährlich Schlagseite. Zehntausende Veranstaltungen wurden abgesagt, auch die Fußball-EM und Bundesliga-Spiele, das bricht jetzt alles komplett weg. Überdies ist das Exportgeschäft weitgehend zum Erliegen gekommen. Den Mittelstand trifft das mit voller Härte.
Getränke News: … aber gerade der Mittelstand fällt in den meisten Bundesländern mangels zielgerichteter Hilfe durchs Raster.
Eichele: Genau das ist das Problem! Bund und Länder konzentrieren sich sehr auf Existenzgründer und Handwerksbetriebe, das ist wichtig, aber wir dürfen den Mittelstand und auch größere Unternehmen nicht vergessen, die unser Wirtschaftswachstum nun mal tragen.
Tatsache ist: Die Kettenreaktion, die im Gastgewerbe, dem Tourismus und Veranstaltungsgeschäft droht, ist hoch explosiv. Viele Gastronomiebetriebe und viele Brauereien werden diese Krise ohne staatliche Hilfen nicht überstehen. Hier muss schnell geholfen werden.
Als erster Familienbetrieb hat letzte Woche die Wernecker Brauerei in Bayern aufgegeben – nach 400 Jahren. Wir befürchten, dass in den kommenden Wochen eine Vielzahl von Gaststätten und Brauereien wird aufgeben müssen, wenn nicht schnell Hilfe kommt.