Die Nachricht schlug im Getränkefachgroßhandel ein wie eine Bombe: Mit Rhodius wird erstmals ein deutscher Mineralbrunnen einen eigenen Pfandsatz erheben: Wer den zum Jahresende auf den Markt kommenden neuen Individualkasten kauft, muss statt den standardmäßigen 3,30 Euro fast doppelt soviel, nämlich 6 Euro, auf den Tisch legen – die Hälfte davon für den Kasten und 25 Cent für jede Flasche.
Dem Getränkefachgroßhandel droht damit in ohnehin schon schwierigen Zeiten neues Ungemach; entsprechend kritisch sieht man den Vorstoß beim GFGH-Bundesverband. Schon die steigende Zahl an Individualgebinden steigere die Komplexität in der Logistik und Sortierung extrem. Das neue Pfand würde die Unterscheidung und Sortierung der Gebinde noch aufwändiger machen, prognostiziert der geschäftsführende Vorstand Dirk Reinsberg auf Anfrage von Getränke News.
Hinzu kommt für ihn ein Sicherheitsaspekt: Falls sich ein höheres Pfand durchsetzen würde, müsse man wohl künftig „Leerguthöfe zu Hochsicherheitstrakten machen“, um sich vor Diebstahl zu schützen. Noch schwerer wiegt allerdings nach Reinsbergs Einschätzung ein anderes Problem: das der Liquidität. Angesichts eines beinahe verdoppelten Pfandsatzes hätten Händler eine deutlich höhere Kapitalbindung zu schultern.
Kritische Stimmen aus dem Handel
Das sehen laut Reinsberg auch viele Fachhändler ähnlich. Es habe bereits erste Reaktionen aus dem GFGH gegeben – von Händlern, die nicht bereit seien, das neue Gebinde einzulisten, und ankündigten, weiterhin ausschließlich auf die bewährte GDB-Poolkiste zu setzen, die Rhodius nach eigenem Bekunden auch künftig als Alternative anbieten will.
Einen gänzlich anderen Standpunkt freilich nimmt der Brunnen selber ein, für den es am Ende um nichts Geringeres geht als die Tragfähigkeit seines Geschäftsmodells. Mit der gegenwärtigen Lösung könne man „nicht mehr wirtschaftlich arbeiten“, erklärt Frauke Helf, geschäftsführende Gesellschafterin bei Rhodius, gegenüber Getränke News.
Der Brunnen mit Sitz in Burgbrohl (Landkreis Ahrweiler) ist in Rheinland-Pfalz sowie in NRW und Hessen mit seinen Getränken vertreten. In diesem Raum gebe es jedoch kaum Wettbewerber, die sowohl die Flaschen als auch die Kisten ausschließlich aus dem neuen GDB-Pool beziehen. „Damit gibt es die logistischen Vorteile des Pools nicht mehr“, erklärt Frauke Helf die Entscheidung für das Individualgebinde.
Glas-Boom bringt GDB-Pool an Grenzen
Die derzeit bekanntermaßen enorm wachsende Nachfrage nach Glasflaschen bringt Helf zufolge den GDB-Pool und die angeschlossenen Brunnen immer stärker in Bedrängnis. Bei weitem nicht alle Unternehmen würden regelmäßig in neue Gebinde investieren. Zugleich zögen manche Wettbewerber auf Kosten anderer Poolteilnehmer deutlich mehr Flaschen und Kisten aus dem Pool heraus – mit der Folge, dass manche dadurch einen deutlichen Leergutverlust verzeichnen, der sie vor große wirtschaftliche Herausforderungen stellt.
Bei einem Neupreis von 6,30 Euro für eine GDB-Kiste und einem Pfandwert von 3,30 Euro bedeute das einen Verlust von drei Euro pro verlorene Kiste. Wie viel der Brunnen für ein neues, nun mit sechs Euro abgesichertes Individualgebinde zahlt, will Helf nicht sagen. Die Differenz zwischen dem neuen erhöhten Pfandsatz und dem Wiederbeschaffungswert sei jedoch deutlich geringer – zudem kehre die mit dem Markenschriftzug versehene Einheit im Allgemeinen zum Unternehmen zurück.
Die meisten Bedenken von Dirk Reinsberg indessen teilt Frauke Helf nicht. Nach ihrer Aussage sind die Reaktionen im Handel sehr unterschiedlich. „Für manche ist es kein Problem, andere halten es für nicht handlebar und wollen erst einmal abwarten“, so die Geschäftsführerin. Gerade das vom GFGH-Verband als besonders prekär eingeschätzte Liquiditätsproblem sieht sie so nicht. Das werde „überbewertet“, zudem werde der Schnelldreher Mineralwasser ja zügig weiterverkauft, so Helf.
Pfandsätze nicht mehr marktgerecht
In einem ist sie sich gleichwohl mit Reinsberg einig: Das Mehrwegsystem steht vor gewaltigen Problemen. Die Schlussfolgerungen sind allerdings sehr unterschiedlich. Seit seiner Einführung sei das Pfand praktisch nicht erhöht worden, unterstreicht Frauke Helf. Auf der anderen Seite stiegen die Kosten stetig; so rechnet Helf damit, dass alleine im nächsten Jahr die Glaspreise zweistellig steigen werden.
Daher plädiert nach ihrer Aussage Rhodius generell für eine Erhöhung der Pfandsätze auf ein wirtschaftliches Niveau: „Man kann doch nicht glauben, dass 50 Jahre alte Pfandsätze noch marktgerecht sind“, ärgert sich die Brunnenchefin – und ist überzeugt: Nur eine generelle Erhöhung der Pfandsätze wird das Mehrwegsystem langfristig wettbewerbsfähig und damit überhaupt überlebensfähig machen. Wenn die Umstellung innerhalb des bestehenden Systems nicht so schwierig wäre, würden sich nach Einschätzung des Brunnens auch viele Wettbewerber in der GDB ebenfalls für ein höheres Pfand aussprechen. Wie herausfordernd es ist, hier einen gangbaren Weg zu finden, zeigt nicht zuletzt die Diskussion, die der Bundesverband privater Brauereien unlängst in der Bierbranche losgetreten hat.
Dirk Reinsberg hingegen fürchtet, höhere Pfandsätze seien „der Dolchstoß für ein funktionierendes Mehrwegsystem“. Ein Handeln wie das von Rhodius helfe nur dem Hersteller, nicht aber dem System, glaubt er – und fordert alle Produzenten auf, „sich mal Gedanken zu machen, ob eine Pfanderhöhung derzeit das richtige Signal“ wäre. „In Zeiten, in denen das Mehrwegsystem gesellschaftlich und politisch Rückwind hat, ist das absolut kontraproduktiv“, so der Verbandschef. Zumal die Politik ein weiteres Absinken der Mehrwegquote nicht tolerieren werde.