Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die vom Heidelberger Ifeu-Institut im Juli veröffentlichte und zwischenzeitlich wegen falscher Angaben zurückgezogene Ökobilanz zu Getränkekartons und Mehrwegflaschen (wir berichteten) als „Musterbeispiel für Greenwashing“. Die Einwegverpackungen bestünden bis zu 50 Prozent aus Kunststoff und Aluminium und würden lediglich zu etwa einem Drittel recycelt und oft in der Umwelt entsorgt.
Für die Verbraucherschutzorganisation handelt es sich um „eine Auftrags-Ökobilanz, die mit falschen Angaben zu Mehrweg und dem Zauberinstrument der ‚CO2-Gutschrift‘ ausgerechnet den Getränke-Plastikkarton schönrechnet“, kommentiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Negative ökologische Folgen von Kunststoffverpackungen wie die Vermüllung der Landschaft, Eintrag von Kunststoffpartikeln in Flüsse, Seen und Meere oder die Belastung von Tieren und Menschen mit Schadstoffen und Mikroplastik seien bei der Betrachtung ausgeklammert worden. Zudem liege die angenommene Recyclingquote für Getränkekartons nach Berechnungen der DUH nicht bei 64,7 Prozent, sondern tatsächlich bei nur 35,8 Prozent. Kartonverpackungen seien „nicht kreislauffähig“, da sie immer wieder aus neuem Kunststoff, Aluminium und Papierfasern hergestellt würden und eben nicht aus im Kreislauf wiedereingesetztem Material bestünden.
Einwegverpackungen nicht „ökologisch vorteilhaft“
Mit dem Gutachten hätten die Kartonhersteller gezeigt, „dass sie kein Interesse an ehrlichen Bewertungen ihrer nicht kreislauffähigen Verbundverpackung haben“, kritisiert die DUH. „Erfreulicherweise hat sich der Gesetzgeber in der EU und in Deutschland auf die Abfallhierarchie besonnen und stellt Mehrweg- über Einwegverpackungen. Die deutsche Bundesregierung hat sich nicht ohne Grund von der Bewertung einer so genannten ‚ökologischen Vorteilhaftigkeit‘ von Einwegverpackungen verabschiedet“, so Jürgen Resch.
In der Ifeu-Ökobilanz wurden für Mehrwegflaschen für Milch Transportentfernungen von 1.443 Kilometern und für Saft und Nektar von 1.231 Kilometern angenommen. Auf dieser Basis kommunizierten das Institut und der Getränkekarton-Verband FKN, dass Getränkekartons für Milch aus Umweltsicht besser sowie für Saft und Nektar gleichauf mit Mehrwegflaschen seien. Nach Kritik aus der Branche hat das Institut inzwischen eingeräumt, mit falschen Zahlen gerechnet zu haben.
CO2-Gutschriften als „Trick“ kritisiert
Als „besonders dreist“ bewertet die DUH „den Trick, durch absurd hohe CO2-Gutschriften – ausgerechnet für die Verwendung von Primärfasern anstelle recycelten Papiers sowie die Verbrennung der Getränkekartons – die Klimabilanz der Einwegverpackung schönzurechnen“. Die CO2-Gutschriften machen laut DUH Getränkekartons für Milch auch dann klimafreundlicher als Mehrwegflaschen, wenn diese ohne jeglichen Transport in der Molkerei abgefüllt, leer getrunken und wiederbefüllt würden. Gleichzeitig könnten laut der Studie Getränkekartons tausende Kilometer weit transportiert werden, erklärt der stellvertretende Leiter für Kreislaufwirtschaft, Philipp Sommer.
„Den Annahmen des Ifeu-Instituts zufolge ist es klimafreundlich, Bäume zu fällen und daraus Papier herzustellen. Dabei gehen mit der Papierherstellung massive CO2-Emissionen einher und das im Papier gebundene CO2 wird am Ende wieder freigesetzt. Von einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sind wir weit entfernt“, erklärt Sommer weiter.
Aktuelle Recherchen der DUH ergeben, dass tatsächlich nur 35,8 Prozent der Getränkekartons recycelt werden. Den meisten Verbrauchern sei nicht bewusst, dass in der offiziellen Recyclingquote weder die Restinhalte, Fremdmaterialien, Faserverluste noch das verbrannte Aluminium und Plastik abgezogen würden. Insgesamt landeten etwa 37 Prozent der Getränkekartons gar nicht erst im Gelben Sack, sondern würden in der Papiertonne, dem Restabfall oder der Umwelt entsorgt.
FKN: Vorwürfe sind „haarsträubend“
(Aktualisierung vom 17.10., 16:30 Uhr) Gegen die Vorwürfe hat sich inzwischen der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN) verwehrt. Die Angriffe der vom Umweltbundesamt geprüften Studie seien „haarsträubend“, sagt Verbandsgeschäftsführer Michael Kleene. Schon die Bezeichnung der Verpackungen als „Plastikkartons“ sei „sachlich falsch und gezielt irreführend“, da sie im Durchschnitt zu drei Vierteln aus Karton bestünden. Die Behauptung, es sei mit zu hohen Recyclingquoten gerechnet worden, sei zudem „absoluter Unfug“.
Der sachlich unzutreffende Hinweis auf „absurd hohe CO2-Gutschriften“ für den Getränkekarton zeige überdies, dass die DUH „entweder keine Ahnung von den methodischen Grundlagen der Ökobilanzierung habe oder die Öffentlichkeit bewusst täuschen“ wolle. Es gehe der Umwelthilfe „um Klickraten und Spenden und nicht um eine sachliche Aufklärung der Verbraucher“, so Kleene.
Die Erkenntnisse aus der Ökobilanz seien „in einem transparenten Verfahren nach den Spielregeln des Umweltbundesamtes ermittelt“ worden. Dennoch habe die DUH wenige Tage nach der Veröffentlichung bereits einen Spendenaufruf gestartet, um die „Tricksereien der Einwegindustrie“ offenzulegen. Die Verbraucherschutzorganisation beschuldige damit renommierte Forschungsinstitute und eine Bundesbehörde indirekt der Kumpanei mit der Industrie, so der FKN.
DUH: FKN kann Kritik nicht entkräften
(Aktualisierung vom 19.10., 12:30 Uhr) Nach der Erwiderung des Getränkekartonverbands FKN bekräftigt die Deutsche Umwelthilfe ihre Kritik. Der FKN könne keinen der von der DUH ins Feld geführten Punkte widerlegen, unterstreicht DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Auch das Umweltbundesamt habe auf Nachfrage erklärt, es habe seine positive Bewertung der inzwischen verworfenen Ökobilanz vom Juli zurückgezogen. Der DUH liege zudem ein Schreiben des Studienerstellers Ifeu an den Auftraggeber FKN vor, in dem die Verwendung falscher und viel zu langer Transportentfernungen für Mehrwegflaschen eingeräumt werde.
Der vom FKN wiederholt vorgetragene Hinweis auf die Einhaltung von Ökobilanzstandards laufe ins Leere, wenn in der Studie mit falschen Daten gerechnet und ungerechtfertigte Gutschriften zu Gunsten von Getränkekartons vergeben würden. Die Studie sei „ein Ökobilanzdesaster“, sagt Resch und erneuert seinen Rat an Verbraucher, aus Umweltschutzgründen weiterhin lieber regionale Mehrwegflaschen zu nutzen.