In den 80er und 90er Jahren waren markenstarke Gastronomiekonzepte wie „Warsteiner Stuben“ oder „Diebels Fasskeller“ Wegbereiter für den Erfolg großer Brauereien in der Gastronomie. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute versuchen namhafte Brauer wie Krombacher und Bitburger, bayerische Wirtshauskonzepte erfolgreich zu etablieren. Trotz neuer Anläufe und ambitionierter Ideen zeigen gescheiterte Projekte, dass ein starker Markenname allein nicht mehr ausreicht. Die Kernfrage: Können die großen Pilsbrauer überhaupt bayerische Wirtshäuser betreiben?
Inspiriert vom Hellbiertrend und der anhaltenden Popularität bayerischer Folklore haben Top-Brauereien inzwischen bayerische Wirtshauskonzepte entwickelt. Vor allem die Pils-Brauer Krombacher und Bitburger wollten das Feld nicht allein den Marken Augustiner, Paulaner oder Hofbräu überlassen. So platzierte die Krombacher Brauerei, die seit 2020 am Starnberger Brauhaus beteiligt ist, am Kölner Heumarkt das Gastronomiekonzept „Starnberger Alm“. Kent Hahne, Inhaber und CEO vom Bonner Betreiber Apeiron, hatte sich zur Eröffnung im Frühjahr 2022 noch euphorisch gezeigt. „Mit der Eröffnung werden gleich zwei Wünsche auf einmal wahr. Mein Traum war es schon immer, auch ein deutsches Restaurant-Konzept zu kreieren. Jetzt, wo sich die Chance am Heumarkt geboten hat, musste ich einfach zuschlagen.“
Zu wenig authentisches Ambiente
Doch das Objekt blieb erfolglos: Anfang 2024 gingen in der Starnberger Alm die Lichter aus. Gäste hatten am touristischen Hotspot immer wieder zu wenig authentisches bayerisches Ambiente bemängelt. Zu kitschig, zu aufgesetzt, so das Urteil vieler. Während sich in den anderen Gastronomieobjekten rings um den Heumarkt die Besucher tummelten, blieb die Starnberger Alm oftmals mäßig besetzt. Anders im Augustiner, das Ende 2022 gleich nebenan eröffnet wurde. In typisch bayerischer Manier funktionierte das Wirtshaus von Anfang an. Die Erkenntnis aus dem gescheiterten Starnberger-Konzept: Selbst für einen erfolgreichen Betreiber wie Apeiron, ausgestattet mit Expertisen bei L‘Osteria und dem Steakhouse-Konzept Ash, war ein Hauch bayerischer Folklore mit einer authentischen Hellbier-Marke keine solide Basis für gastronomischen Erfolg.
Unlängst wurde von Krombacher in Hessen ein neuer Versuch unternommen und auf dem Union-Gelände im Frankfurter Ostend ein neues Starnberger Wirtshaus eröffnet. Betreiber des Restaurants mit Obazda, Schweinshaxe und Hellem vom Fass ist Andreas Euchner, der auch seit vielen Jahren die Pizzeria „Das Leben ist schön“ nur wenige Meter entfernt führt. Mit an Bord ist auch Ardi Goldman, dem die Fläche und der angrenzende Club „Fortuna Irgendwo“ gehören.
Im neuen Starnberger Wirtshaus sorgen die hohen bemalten Decken, die Tische mit über tausend Sprüchen und ein grüner Kachelofen für Wohlfühlatmosphäre. Herzstück des Konzepts sind Bilder von 25 aus Bayern stammenden bekannten Personen an den Wänden. Unter ihnen sind die Geschwister Scholl, Liedermacher Konstantin Wecker oder Regisseur Rainer Werner Fassbinder. Ob das Konzept aufgeht, wird sich zeigen. Krombacher hat aber offenbar aus den Fehlern von Köln gelernt.
Benediktiner im Eigenbetrieb fehlgeschlagen
Auch Bitburger musste beim Benediktiner-Konzept Lehrgeld zahlen. 2021 öffnete nach über zwölfmonatiger Bauzeit mit dem Benediktiner Weissbräuhaus in Gießen der erste Eigenbetrieb eines Gastronomieobjekts der Braugruppe. Auf insgesamt 730 Quadratmetern bot das Haus bis zu 258 Sitzplätze im Innen- sowie 174 Sitzplätze im Außenbereich. Hohe Räume, großflächige Wandverkleidungen und Holzdielen, dazu traditionell bayerische Elemente mit modernen Einflüssen verknüpft: All das hob das Haus von herkömmlichen Wirtshäusern ab. Vor dem Projekt in Gießen wurden bereits die beiden Standorte der neu konzeptionierten Bräuhaus-Marke in Dortmund (2021) und Attendorn (2018) eröffnet, beide jedoch nicht in Eigenregie. Was vielversprechend begann, endete mit der Schließung aller drei Objekte. Bereits Mitte 2023 machte Gießen dicht, nun meldete der Pächter der beiden Objekte in Dortmund und Attendorn Insolvenz an.
„Mit dem Benediktiner Wirtshaus in Gießen wollten wir unser neu entwickeltes Gastronomiekonzept testen. Wir haben uns damals dazu entschlossen, es in Eigenregie zu führen, das heißt, wir haben das Objekt eingerichtet, gepachtet und selbst betrieben“, erklärt Bitburger-Fassbierchef Rainer Noll im Gespräch mit Getränke News. In der täglichen Praxis habe man aber gesehen, dass die Stärken der Braugruppe woanders liegen: „Wir können gut Standorte aussuchen und Gastronomieobjekte einrichten; um sie dann aber auch selbst zu betreiben, sind wir einfach zu weit weg von den jeweiligen Standorten“, so Noll.
Nachfolge-Gastronomie erfolgreich
Am Standort und auch an der Investitionshöhe lag es offenbar nicht, dass das Objekt unter der Ägide von Deutschlands stärkster Fassbiermarke ins Aus steuerte. Das bestätigt die erfolgreiche Gastronomie des Nachfolgers. „Moto59“ heißt der jüngst gestartete Konzept des neuen Betreibers. Die neu gestalteten Räume sind von der Decke bis zum Fußboden jetzt mit Motorsport-Devotionalien dekoriert. Mit dem Brauhaus-Ambiente wich auch die Speisekarte. Aufgetischt werden fortan Pizza, Pasta oder Burger – im Ausschank gibt es Licher Pils und Benediktiner Weißbier.
Im Gegensatz zu dem Objekt in Gießen wurden die beiden Benediktiner Wirtshäuser im sauerländischen Attendorn und in Dortmund von der Bitburger Braugruppe nicht in Eigenregie betrieben. „Wir haben mit den Eigentümern eine Vereinbarung getroffen und die Objekte eingerichtet. Sie wurden dann von den Eigentümern an einen Betreiber verpachtet, der sie inzwischen aus persönlichen Gründen wieder schließen musste“, erläutert Noll. „Für beide Objekte werden jedoch neue Pächter gesucht, sie werden fortgeführt.“
Benediktiner-Konzept weiterentwickelt
Die Bitburger Braugruppe glaubt nach wie vor an das bayerische Konzept. „Wir entwickeln die Idee der Benediktiner Wirtshäuser über unsere Konzeptfabrik ständig weiter und glauben an den Erfolg. Es gibt eine große Nachfrage“, sagt der Bitburger-Fassbierchef. Erst vor wenigen Wochen wurde im nordhessischen Willingen ein weiteres Benediktiner Wirtshaus eröffnet. „Wir haben es für einen Getränkefachgroßhändler eingerichtet, der es nun verpachtet hat“, so Noll. Der einzige Nachteil am Standort Willingen könnte sein, dass es dort angesichts der hohen Wintersportaffinität nur so von Alm-Konzepten wimmelt. Entscheidend sei, wie glaubwürdig bayerische Gastronomiekonzepte sind, die von nichtbayerischen Pilsbrauern getragen werden, erklärt Noll. „Wir bieten mit dem Benediktiner Wirtshaus ein modernes Gastronomiekonzept und wollen damit auf keinen Fall bayerische Folklore nachahmen.“
Augustiner, Paulaner und Hofbräu ohne Sorgen
Solcherlei Gedanken brauchen sich Augustiner, Paulaner und Hofbräuhaus nicht zu machen. Die Münchner Brauereien betreiben schon sehr lange eigene Wirtshäuser in ihrem Kerngebiet und haben die Konzepte dann nach und nach auch in den Ferngebieten und im Ausland erfolgreich umgesetzt. So funktioniert beispielsweise das Augustiner im Schatten der Dresdner Frauenkirche seit Jahr und Tag. Die sächsische Touristenmetropole kann ihr Herz für gut gemachte Bayernfolklore erwärmen, während die Platzhirschen Radeberger, aber auch die Feldschlösschen Brauerei der TCB den Markterfolg anerkennen müssen. So werden in Dresden Tag für Tag die Holzfässer herausgerollt, um dann nach dem Schlagen der Messinglocke angestochen zu werden. Solche Lederhosen-Rituale liebt das Volk.
Beim Hofbräuhaus bedurfte es für den Markterfolg am Berliner Alexanderplatz nicht einmal einer Traditionsimmobilie. Dort wird Bayern-Image in einer Halle mit DDR-Fassadencharme präsentiert. Aber es funktioniert seit Jahren. Auch Paulaner expandiert munter weiter und eröffnete gerade ein weiteres Wirtshaus in Mannheim. Authentische bayerische Traditionsgastronomie jenseits des Weißwurstäquators hat eben ihre eigenen Gesetze.
Fazit:
Die jüngsten Schließungen bayerischer Wirtshaus-Konzepte verdeutlichen, dass ein starker Markenname allein nicht ausreicht, um in der Gastronomie nachhaltig erfolgreich zu sein. Während bayerische Traditionsmarken mit ihrem authentischen Charme nach wie vor auf Akzeptanz stoßen, fehlen den modernen Interpretationen oft die notwendigen emotionalen Anknüpfungspunkte. Ob sich durch eine stärkere Anpassung an lokale Bedürfnisse oder durch einen völlig neuen Ansatz doch noch ein Wendepunkt für die Marken-Gastronomie der großen Brauereien ergibt, bleibt offen. Klar ist: Der Erfolg wird künftig nicht allein von der Marke, sondern von der richtigen Mischung aus Konzept, Lokalität und Authentizität abhängen.