Der Klimawandel beeinflusst sehr stark auch die Getränkeproduktion. Für unsere aktuelle Serie fragen wir Branchenteilnehmer, wie sie sich darauf einstellen. In Teil 5 geht es um Obst für die Saftherstellung.
Obst reagiert extrem sensibel auf veränderte klimatische Bedingungen. Der Klimawandel trifft damit Obstbaubetriebe in besonderem Maße – was starke Auswirkungen auch für die Hersteller von Fruchtsäften hat. Die beiden wohl wichtigsten Früchte für die Herstellung – Orangen und Äpfel – haben mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Doch unterm Strich wird Fruchtsaft für die Hersteller immer teurer, was auch die Verbraucher zu spüren bekommen.
Kostengerecht müsste Orangensaft derzeit mindestens 2,50 oder 3 Euro pro Liter kosten, ein Preis, der im Laden kaum zu erzielen ist, sagt der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaftindustrie (VdF), Klaus Heitlinger. „Die Industrie macht Verluste“, ist sein nüchternes Urteil. Die Preise für Orangen und damit auch für Saft haben sich mindestens verdreifacht – der Liter Orangensaft beispielsweise aus Brasilien liege derzeit bei 1,50 Euro pro Liter. „Dann müssen Sie ja noch verpacken, dazu kommen die Kosten für Logistik, und der Handel will natürlich auch seine Spanne haben“, sagt der Fachmann. „Der Markt ist enorm unter Druck und die Preise werden weiter steigen.“
Citrus Greening zerstört ganze Plantagen
Bei den Orangen ist es eine kleine Zitruslaus, die sich unter den veränderten klimatischen Bedingungen besonders wohlfühlt und eine Pflanzenkrankheit überträgt, die ganze Plantagen zerstört und von den Obstbauern einen enormen Aufwand verlangt. „Gelber Drache“ oder „Citrus Greening“ heißt die Krankheit, die zum Abfallen der Früchte und im weiteren Verlauf zum Absterben der Bäume führt. Noch gibt es keine Heilung, so Heitlinger – das Einzige, was den Bauern bleibt, ist, die übertragenden Insekten zu erwischen. „Die fliegen aber nur morgens und abends und man muss sie praktisch im Flug erwischen, sonst sitzen sie hinter den Blättern“, erklärt er. Letztlich führt dieses Greening dazu, dass die Bäume entnommen und verbrannt werden müssen, mitsamt dem Bakterium.
Rund 80 Prozent des weltweit vermarkteten Orangensaftes kommt laut Heitlinger aus Brasilien, wo das Greening ein riesiges Problem sei. Dazu kämen weitere klimabedingte Erschwernisse wie schlecht verteilte Niederschläge. Während man diesen mit großen Zisternen zu begegnen versucht, führt das Greening zu großräumigen Ernteausfällen, was sich im Preis für den Orangensaft niederschlägt.
Bei Eckes-Granini schaut man mit Sorge auf die aktuelle Situation im Saftmarkt – der Markt verliere an Volumen, sagt Sprecher Boris Bolwin. „Neben der kritischen Situation bei der Orange haben zusätzlich schlechte Ernten zum Beispiel beim Apfel, bei der Schwarzen Johannisbeere und auch bei Rhabarber dazu geführt, dass am Markt eine ausgeprägte Knappheit an Rohwaren besteht und die Rohwarenpreise entsprechend stark gestiegen sind.“
Geringerer Saftanteil als Ausweg
Bei Granini nutzt man neue Konzepte im Fruchtsaftgetränkemarkt, um langfristig die Abhängigkeit von erntebedingten Schwankungen einzelner Rohstoffe zu reduzieren. In den letzten Jahren konnte das Unternehmen mit wachstumsstarken Kategorien wie Health Shots, fruchthaltigen Erfrischungsgetränken und Wasser-Plus-Konzepten Marktanteile ausbauen, so Bolwin. „Und natürlich versuchen wir auch, attraktive Preisangebote zu machen“, betont er. „Hier haben wir aktuell ganz besondere Erfolge mit unserer leichten Orange von hohes C mit 60 Prozent Fruchtanteil und auch mit der Neueinführung des Granini Trinkgenuss-Orangennektars.“ Beide Produkte funktionierten gut am Markt, weil sie den Konsumenten ein preissensibles Angebot mit einer hohen Qualität machten, sagt der Sprecher.
Auch der Apfelsaft bleibt nicht vom Klimawandel verschont. Die Äpfel leiden vor allem unter Wetterkapriolen, aber auch Schädlinge und Krankheiten machen den Früchten zu schaffen. Höhere Durchschnittstemperaturen, längere Hitze- und Trockenphasen oder häufiger auftretender Hagel und Starkregen: Veränderungen durch den Klimawandel beeinflussen direkt oder indirekt den Ertrag und die Qualität der Früchte. Die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte träfen Obstbaubetriebe besonders hart, weil viele Kulturen sehr sensibel auf wechselnde Bedingungen reagierten, heißt es beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Im Gegensatz zu Kulturen etwa im Ackerbau hätten Obstbäume sehr lange Standzeiten, so dass Betriebe nicht kurzfristig auf veränderte Anbaubedingungen reagieren könnten, indem sie beispielsweise besser angepasste Sorten wählen.
Immer öfter Probleme durch Spätfröste
Ein großes Problem ist die vielerorts durch den Klimawandel nach vorne rückende Apfelblüte, erhöht sie doch das Risiko für größere Ertragseinbußen durch Spätfröste. Die Betriebe müssten die frostempfindlichen Blüten häufig schützen, etwa durch Frostschutzberegnung oder durch Gas- oder Ölbrenner in den Plantagen, so das Bundesinformationszentrum.
Professor Peter Braun forscht am Institut für Obstbau der Hochschule Geisenheim an besser angepassten Apfelsorten. Während die für den Handel bestimmten Tafeläpfel auch unter neu eingewanderten Insekten wie beispielsweise Stinkwanzen litten, sei es bei der Mostproduktion vor allem der Sonnenbrand, der die Äpfel selbst für die Saftpresse unbrauchbar mache. „Die Äpfel schmecken nach angebranntem Apfelmus und sind auch im Getränkebereich nicht mehr vermarktbar“, weiß der Wissenschaftler. Beim Tafelobst könne man dem mit Hagelschutznetzen vorbeugen, deren Schatten die Früchte genug abkühlen, um den Sonnenbrand zu verhindern. Beim Mostobst sei das wirtschaftlich nicht darstellbar.
Künftig Plantagen statt Streuobstwiesen?
Ein Problem, das nur bedingt dem Klimawandel zuzuschreiben ist, sei der Rückgang der Streuobstflächen. „Tafelobst ist für einen hochqualitativen Saft nicht gut genug“, sagt Braun. „Sie brauchen ein anderes Inhaltsspektrum, etwas mehr Säure und vor allen Dingen komplexe Aromastoffe, die in Deutschland traditionell aus dem Streuobstanbau kommen“, erläutert er.
In Geisenheim forscht Braun an Baumformen und Sorten, die für den Mostanbau besonders gut geeignet sind. Wenn 80 Millionen Menschen Apfelsaft trinken wollten, komme man in Zukunft nicht umhin, auch in Deutschland mit großen Plantagen zu arbeiten, glaubt er. Wirtschaftlich seien Streuobstwiesen eigentlich nicht rentabel, so der Wissenschaftler. Allerdings fürchtet er, dass die Verbraucher die modernen Züchtungen als „Industrieobst“ abtun könnten, was die öffentliche Debatte erschwere.
Gerade arbeitet Braun mit sogenannten Säulenäpfeln, einer Stammform, die sich für eine mechanische Ernte besonders gut eigne. Diese werde jetzt mit Sorten für eine hohe Saftqualität zusammengebracht. „Da haben wir eine sehr ideale Umgebung bei uns, weil wir hier in Geisenheim ja auch noch den Saft- oder Getränketechnologie-Bereich haben“, so der Professor. Man teste jetzt in kleinem Maßstab, ob am Ende des Tages dabei auch guter Saft herauskomme.
Witterung immer unsteter
Vor allem auf Streuobst setzt man, allen Widrigkeiten zum Trotz, beim Safthersteller Wolfra. „Als Natursaftkelterei steht Wolfra seit mehr als 90 Jahren für Fruchtsäfte in Auslesequalität, Regionalität und den Schutz der traditionellen Streuobstwiesen“, sagt Dr. Sebastian Grünwald, der als Pomologe die Kelterei berät. Auch er sieht die Apfelsaftproduktion durch den Klimawandel in Gefahr. „Die Erträge schwanken stark und fallen langfristig geringer aus, weil Spätfröste häufiger werden. Auch die Witterung wird unsteter und dadurch schwieriger für die Pflanzen und Bäume. Wir haben kein ausgeglichenes Klima mehr: große Hitze mit Trockenschäden, Hitzeschäden und Sonnenbrand oder im Gegenteil viel Regen mit Schädlingsbefall, Pilzbefall, Fäulnis und dadurch kränkelnde Bäume.“
Die Versorgungslage in Bayern sei gerade unterschiedlich gut: Während in Ober- und Niederbayern in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Mostäpfel geerntet werden können, da es keinen Spätfrost und ausreichend Niederschlag gab, ist die Situation in Franken eine andere; dort hat der Spätfrost sehr stark zugeschlagen, wodurch kaum Verarbeitungsäpfel zur Verfügung stehen. „Nächstes Jahr kann das schon wieder anders sein“, so Grünwald. Dann würden vielleicht die Bäume, die dieses Jahr sehr stark tragen, eine Pause machen.
Der regionale Apfelsaft von Wolfra aus der Ernte von vielen Kleinbauern trage dazu bei, die Streuobstwiesen in der Region zu erhalten, betont Grünwald. Diese seien nicht nur seit Jahrhunderten landschaftsprägend in vielen Gegenden Bayerns, sondern auch wertvolle Biotope. Wolfra hat zusammen mit dem Kurort Bad Birnbach in Niederbayern und dem Landkreis Rottal-Inn das Bündnis Streuobstwiesen initiiert, das Menschen über die wichtige Funktion dieser Biotope aufmerksam machen soll.
Praktisch alle Obstsorten betroffen
Bedingt durch den Klimawandel müssten sich Verbraucher in Zukunft noch häufiger darauf einstellen, dass Ernten Schwankungen unterliegen, sagt der Experte. Natürliche Produkte wie Apfelsaft könnten dadurch teurer und weniger verfügbar werden. Das gelte allerdings nicht nur für die Apfelernte. In diesem Jahr war beispielsweise auch die Rhabarberernte von hohen Ausfällen betroffen, sodass es auch hier zu einer Verknappung kam.
Mit welchen Früchten die Safthersteller auch versuchen, die schlechten Ernten bei Äpfeln und Orangen aufzufangen – irgendwann schlägt auch dort der Klimawandel zu, weiß Saftexperte Klaus Heitlinger. „Johannisbeere ist teurer geworden und Sauerkirsche auch. Alles ist teurer geworden – nicht zuletzt wegen der Klimawandel-Risiken.“