In der aktuellen Deloitte-Studie „Prost auf die Gesundheit!“ beleuchtet Anna Krug, Director Consumer Products & Retail, wie stark das Gesundheitsbewusstsein das Kaufverhalten bei Getränken verändert. Im Gespräch mit Getränke News erklärt sie, warum Konsumenten mehr als nur „zuckerfrei“ erwarten, wo die größten Lücken im Angebot liegen – und warum die Branche jetzt handeln muss, um den Spagat zwischen Genuss und Gesundheitsversprechen zu meistern.
Getränke News: Ihre Studie trägt den Titel „Prost auf die Gesundheit!“ und rückt das veränderte Konsumentenverhalten in den Mittelpunkt. Was waren für Sie die entscheidenden Impulse, sich in Ihrer Studie intensiver mit dem veränderten Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten auseinanderzusetzen?
Krug: Der Wunsch nach gesunder Ernährung ist ein Dauertrend, der zunehmend auch die Auswahl von Getränken beeinflusst und im Fokus öffentlicher Debatten steht. Unsere Studie hatte das Ziel, sich wandelnde Konsumentenbedürfnisse zu analysieren und Implikationen für Hersteller und Handel daraus abzuleiten. Wir wollten besser verstehen, was es konkret heißt, wenn Konsumentinnen und Konsumenten gesünder leben wollen – und welche Erwartungen sie damit an Getränke verbinden.
Getränke News: Ihre Umfrage zeigt: 79 Prozent der Deutschen hinterfragen aktiv ihre Ess- und Trinkgewohnheiten. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Treiber dieses Bewusstseinswandels?
Krug: Vor allem in der Post-Covid-Zeit streben viele nach einem ausgewogenen Lebensstil. Themen wie Achtsamkeit, Bewegung und gesunde Ernährung stehen stärker im Fokus. Getränke sind dabei nicht nur ein ergänzender Baustein, sondern werden immer mehr auch als Möglichkeit gesehen, ungesunde Verhaltensweisen in anderen Lebensbereichen auszugleichen. Sie sind Teil eines ganzheitlich gesünderen Lebensstils.
Getränke News: Welche Eigenschaften müssen Getränke heute erfüllen, damit es von Verbrauchern als „gesund“ wahrgenommen werden – und wie entwickeln sich dabei die Erwartungen an Funktion und Mehrwert?
Krug: Verbraucher suchen gezielt nach Produkten, die nicht nur alkohol- oder zuckerfrei sind, sondern auch natürliche Inhaltsstoffe und zugesetzte Vitamine bieten. Daneben gewinnt der funktionale Mehrwert an Bedeutung. Konsumenten wünschen sich Produkte, die beispielsweise als Immunbooster, Protein- oder Energielieferant fungieren.
Getränke News: Wie unterscheiden sich die Erwartungen an gesunde Getränke je nach Altersgruppe – und wo sehen Sie die größten Unterschiede im Konsumverhalten?
Krug: Der Wunsch nach gesunden Alternativen zieht sich durch alle Altersgruppen, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Bei Jüngeren steht zuckerfrei im Fokus, bei Älteren eher natürliche Inhaltsstoffe. Trotz des wachsenden Interesses klafft noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Viele Verbraucher haben Schwierigkeiten, ihre Vorsätze in die Tat umzusetzen – ähnlich wie bei Neujahrsvorsätzen. Faktoren wie der Preis oder die Verfügbarkeit gesunder Alternativen können die Kaufentscheidung beeinflussen und auch zu Unzufriedenheit vor dem Getränkeregal führen.
Getränke News: Fast zwei Drittel der Befragten empfinden das aktuelle Getränkeangebot als ungesund. Was genau stört sie daran – und wo liegen aus Konsumentensicht die größten Versäumnisse von Industrie und Handel?
Krug: Vor allem fehlt es an transparenter und verständlicher Kommunikation. Zwar sind die Inhaltsstoffe auf den Etiketten angegeben, doch der konkrete Mehrwert – etwa in puncto Qualität oder gesundheitlicher Nutzen – wird häufig nicht ausreichend erklärt. Hier sehen wir die größte Lücke: Es gilt, Konsumenten die Wahl gesünderer Alternativen am Regal zu erleichtern.
Getränke News: Ihre Studie zeigt, dass Konsumenten zunehmend individuelle Erwartungen an Getränke haben. Wie reagiert die Branche auf diesen Wunsch nach maßgeschneiderten Lösungen – und ist ein „Rundum-Gesundheitsversprechen“ überhaupt realistisch?
Krug: Viele Verbraucher sehnen sich nach einer einfachen Lösung – einer „Pille“, die alle gesundheitlichen Herausforderungen löst und das Wohlbefinden verbessert. So wünscht man sich auch ein „Rundumsorglos-Paket“ beim Getränk. Aber es gibt nicht das eine gesunde Getränk, genauso wenig wie den einen Konsumenten. Wir sehen einen klaren Trend zu anlassbezogenen Konsumentscheidungen: Mal geht es um Erfrischung, mal um Energie, mal um Genuss. Die Industrie wird künftig noch stärker differenzieren müssen – in der Produktentwicklung ebenso wie in der Vermarktung.
Getränke News: Welche strategischen Schritte sollten Hersteller und Händler jetzt priorisieren, um ihr Sortiment zukunftsfähig aufzustellen und neue Zielgruppen zu erschließen?
Krug: Besonders relevant ist die Ausrichtung des Portfolios an den tatsächlichen Bedürfnissen der Konsumenten. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Wo liegen noch ungenutzte Potenziale, um neue Zielgruppen zu erreichen?
Darauf aufbauend ist eine transparente Kommunikation entscheidend. Verbraucher wünschen sich nicht nur eine klare Kennzeichnung der Inhaltsstoffe, sondern auch eine verständliche Erklärung des konkreten Nutzens eines Produkts.
Ein weiterer Ansatz ist das Prinzip „Reformulierung statt Revolution“. Gemeint ist: Hersteller müssen ihr Portfolio nicht komplett neu erfinden, sondern können auf bestehende Produkte aufbauen – etwa, indem sie zuckerfreie Varianten anbieten. Viele Unternehmen gehen diesen Weg bereits und passen ihr Angebot schrittweise an neue Bedürfnisse an.
Getränke News: Transparenz ist vielen Konsumenten wichtig – aber wie gelingt es, die Vorteile eines Produkts glaubwürdig zu kommunizieren, ohne in platte Werbebotschaften zu verfallen?
Krug: Glaubwürdigkeit entsteht durch Authentizität – eine Kombination aus ehrlichen Informationen, nachvollziehbaren Beispielen, wissenschaftlichen Belegen und Testimonials schafft Vertrauen bei den Konsumenten. Alles, was sich wie ein leeres Versprechen anfühlt, wird schnell negativ wahrgenommen und kann das Markenimage nachhaltig schädigen.
Hinzu kommt die zielgruppenspezifische Kommunikation, die immer wichtiger wird. Verbraucher haben unterschiedliche Erwartungen, die je nach Altersgruppe, Lebensstil und sogar regionalen Gegebenheiten variieren. So zeigt die Studie, dass jüngere Konsumenten z.B. offener für digitale Ernährungspläne und personalisierte Produktempfehlungen sind.
Getränke News: Ein interessanter Punkt ist die Idee, Gesundheitsdaten mit Supermarkt-Apps zu verknüpfen. Sehen Sie hier schon erste Ansätze oder Pilotprojekte im Markt?
Krug: Uns hat überrascht, wie offen Konsumenten heute sind und wie bereitwillig sie ihre Gesundheitsdaten teilen. Wir sehen im LEH bereits den Einsatz von Shopper-Daten zur Personalisierung – etwa bei der Individualisierung von Produktangeboten. Der nächste Schritt wäre, Ernährungspräferenzen gezielt zu berücksichtigen – da könnte es in Zukunft sicher spannende Entwicklungen geben.
Getränke News: Welche Rolle spielt das Thema „Social Responsibility“ im Kontext gesunder Getränke – etwa durch Partnerschaften mit Initiativen wie „Dry January“?
Krug: Die Authentizität einer Marke ist entscheidend für ihre Glaubwürdigkeit. Das heißt, Maßnahmen müssen zur Markenidentität passen, um Vertrauen bei den Konsumenten zu schaffen. Unternehmen sollten gezielt auf Partnerschaften setzen, die ihre Werte und Zielgruppen widerspiegeln. Kooperationen mit Sportverbänden oder Gesundheitsorganisationen sind dann sinnvoll, wenn sie authentisch und langfristig angelegt sind.
Getränke News: Wenn die Branche die Empfehlungen Ihrer Studie ernst nimmt – wie konkret könnte das Getränkeregal in fünf Jahren aussehen? Und welche Rolle wird der Gesundheitsaspekt dann im Kaufverhalten spielen?
Krug: Ich bin überzeugt: Das Regal wird bunter und vielfältiger. Genuss und Gesundheit werden sich nicht ausschließen – vielmehr wird es für jedes Bedürfnis das passende Angebot geben. Gesundheit wird dabei ein immer wichtigeres Kaufkriterium. Und auch der demografische Wandel wird die Prioritäten verschieben – darauf sollten Hersteller sich jetzt vorbereiten.