Das Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) muss seine kürzlich veröffentlichte Ökobilanz zu Milch- und Fruchtsaftverpackungen überprüfen. Das teilt der Fachverband Kartonverpackung für flüssige Nahrungsmittel (FKN) mit, der die Studie in Auftrag gegeben hat.
Nachdem Verbände der Glas- und Fruchtsaftindustrie sowie des Getränkefachgroßhandels Zweifel an den nach ihrer Einschätzung zu hohen Transportdistanzen von Mehrwegflaschen angemeldet haben, wurden die Distributionsmodelle nochmals überprüft. Dabei wurde laut dem FKN festgestellt, dass Daten eines externen Fachgutachtens fehlerhaft übernommen wurden. Fragen zur Distributionsstruktur und der Zuordnung von Abfüllmengen konnten darüber hinaus nicht abschließend geklärt werden. Laut Ifeu-Institut muss daher die Distributionsstruktur in der Kategorie der Säfte und Nektare tiefergehend analysiert werden.
Erste Ökobilanz nach UBA-Kriterien
Fruchtsaft ist neben Frischmilch und H-Milch einer von drei Getränkebereichen, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Es handelt sich um die erste Ökobilanz, die nach den neuen Anforderungen des Umweltbundesamtes (UBA) erstellt wurde. Darin wird dem Getränkekarton bei Milch eine deutliche ökologische Überlegenheit im Vergleich zu allen konkurrierenden Mehrweg- und Einwegalternativen und bei Fruchtsaft eine ökologische Gleichwertigkeit mit Mehrweg-Glas attestiert.
Eine grundsätzliche Änderung der Studienergebnisse ist allerdings dem FKN zufolge nach ersten Berechnungen des Ifeu-Instituts selbst dann nicht zu erwarten, wenn mit halbierten Mehrweg-Transportentfernungen gerechnet würde. Allerdings würde sich der bislang deutliche Vorteil des Getränkekartons bei Saft in der Kategorie Klimaschutz verkleinern. Bei Milch sei der Vorsprung des Getränkekartons in nahezu allen Wirkungskategorien gegenüber Mehrweg und PET-Einwegflaschen so groß, dass sich an dem Befund nichts ändern werde, so der Verband.
Der FKN sagt zu, die Ergebnisse des ökobilanziellen Vergleichs zwischen der Fruchtsaft-Mehrwegflasche und dem Getränkekarton nicht weiter zu kommunizieren, bis belastbare Daten zu Transportentfernungen vorliegen.
„Fachleute haben nicht richtig hingeschaut“
Aktualisierung 12. September, 16:30 Uhr
Für Dirk Reinsberg, geschäftsführender Vorstand des GFGH-Bundesverbands, ist der Mehrweg-orientierten Branche allerdings bereits ein nicht unerheblicher Schaden entstanden: Aufgrund des gravierenden Fehlers in der Annahme viel zu langer Transportwege werde das ökologisch vorteilhafte und abfallvermeidende Mehrweggebinde diskreditiert. „Diese unhaltbare Studie ist jetzt in der Welt, es wird – auch nach einer Korrektur – schwierig sein, die fehlerhaften Ergebnisse wieder aus den Köpfen herauszubekommen“, ärgert er sich.
Dabei sieht Reinsberg den „eigentlichen Skandal“ in dem Umstand, dass weder die Experten des auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit spezialisierten Ifeu-Instituts noch die hinzugezogenen externen Fachleuten den elementaren Fehler bemerkt haben. Nach seiner Einschätzung fallen die deutlich überhöhten Transportentfernungen selbst bei oberflächlicher Betrachtung auf. So sei es „mehr als peinlich für alle Beteiligten, wenn die eigens zur Durchführung derartiger Studien erarbeiteten Maßstäbe und Grundsätze nicht eingehalten werden“, so Reinsberg.
Integraler Bestandteil einer Ökobilanz ist laut ISO-Norm eine sogenannte „Kritische Prüfung“. In sie wurden laut dem Umweltbundesamt Fachleute des Ökoinstituts Freiburg, eines auf Abfallwirtschaft spezialisierten Berliner Ingenieurbüros und des Nabu Bundesverbands einbezogen. „Hier haben offenbar einige Leute nicht richtig hingeschaut“, ist Reinsberg überzeugt.
Über den FKN
Der FKN mit Sitz in Berlin vertritt die gemeinsamen Interessen der Hersteller von Getränkekartons. Mitglieder des Verbands sind die Firmen Tetra Pak, SIG Combibloc und Elopak. Sie repräsentieren ca. 95 Prozent des deutschen Marktes.