In einer Welt, die sich immer schneller verändert, wünschen sich Menschen Verlässlichkeit und Beständigkeit – und fliehen auch bei ihren Konsumvorlieben gerne in „die gute alte Zeit“. Produkte mit Geschichte wirken vertrauenswürdig, Nostalgie schafft eine emotionale Bindung zu Marken, Retro liegt voll im Trend.
Ein prominentes Beispiel liefert seit einigen Jahren der Cola-Orange-Mix. Im AfG-Markt zählt die Kategorie aktuell zu den wenigen Segmenten mit Wachstum. Marken wie Original Spezi, Mezzo Mix oder Paulaner Spezi, die in den 1970er Jahren und früher bereits gefragt waren, feiern ein Revival.
Wie aktuelle Marktforschungsdaten zeigen, ist das Wachstum insgesamt allerdings deutlich geringer als „der gefühlte Trend“: Wie Nielsen IQ auf Anfrage mitteilt, legte die Kategorie 2024 lediglich um 2,6 Prozent bei der Menge zu, fürs Vorjahr muss man bei +0,2 Prozent eher von Stagnation sprechen.
Hoffnungsträger für die Brauer
Wie groß in absoluten Zahlen das Segment aber inzwischen ist, zeigen Getränke News vorliegende, ausführlichere Marktdaten von Nielsen IQ, die das Marktforschungsunternehmen nur ihren Kunden zugänglich macht: Im Zeitraum August 2023 bis Juli 2024 wurden allein im Handel (LEH, DM, GAM) fast 8,8 Millionen Hektoliter Colamix abgesetzt. Die Gastronomie ist da noch gar nicht eingerechnet. Hohen Anteil haben in immer stärkeren Ausmaß die Brauereien, die sich in dem Bestreben, ihre Verluste am schwierigen Biermarkt etwas auszugleichen, mit Colamix ein weiteres Standbein aufbauen wollen.
Dabei ist es unter den Marken vor allem eine, die den Markt in den letzten Jahren ordentlich befeuert hat, nämlich Paulaner Spezi. Während der Gesamtmarkt von August 2021 bis Juli 2024 im Handel um gut 7,5 Prozent zulegte, wuchs die Marke mit den knalligen Spezi-Wellen im Retro-Look um fast 75 Prozent von rund 900.000 auf beinahe 1,6 Millionen Hektoliter und ist damit gleichauf mit Coca-Colas Mezzo Mix, das zuletzt nur noch leicht auf dem bereits hohen Niveau an Absatz gewann.
Paulaner Spezi habe in den letzten Jahren immer mehr Verwender für sich gewinnen können und die Distribution sukzessive ausgebaut, auch außerhalb des Heimatmarktes Bayern, berichtet Pressesprecher Johannes Rieger. Dabei sei die Nachfrage sowohl in der Gastronomie als auch im Handel deutlich gestiegen.
Paulaner ganz groß im Geschäft
Möglicherweise hat auch der Sieg gegen Riegele vor dem Landgericht München im Oktober 2022 Paulaner ermutigt und beflügelt, mit seinem Spezi richtig Druck zu machen. Zur Erinnerung: Die Augsburger Brauerei wollte gerichtlich einen Lizenzvertrag zur Nutzung des Markennamens „Spezi“ mit den Münchnern erzielen, die sich hingegen auf eine 1974 geschlossene Koexistenz-Vereinbarung beriefen.
Die Richter gaben Paulaner Recht, und die geplante Berufung ein Jahr später vor dem Oberlandesgericht zog Riegele wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurück; die Gefahr von Lizenzgebühren in Millionenhöhe war damit ausgeräumt. Paulaner profitiere überproportional von dem Trend, räumt denn auch Sebastian B. Priller ein, Geschäftsführer der Brauerei Riegele, die 1956 das erste „Spezi“ überhaupt auf den Markt brachte. Doch auch der Markt insgesamt zeige „eine ungeahnt positive Dynamik“, und der Spezi-Verbund feiere gerade „ein neues Allzeithoch“.
Auch Pilsmarktführer setzt auf Spezi
Wie attraktiv indessen die Kategorie ebenfalls für andere Großbrauereien heute ist, zeigt der Einstieg von Krombacher Spezi in den Markt, der den Wettbewerb noch einmal deutlich verschärfte. Im Frühjahr 2023 gelauncht, wurden von August 2023 bis Juli 2024 im Handel laut Marktforschung bereits 92.000 Hektoliter abgesetzt – mehr als doppelt so viel wie beispielsweise von dem Colamix der Marke Vita Cola.
Ein Erfolg, mit dem man bei Krombacher „sehr zufrieden“ ist, wie Peter Lemm, Leiter der Unternehmenskommunikation, auf Anfrage von Getränke News festhält. Seit der Einführung sei die Marke kontinuierlich gewachsen, und man werde auch 2025 mit verschiedensten Maßnahmen in Kommunikation und Vertrieb das Wachstum weiter forcieren. Anders als Paulaner ist Krombacher dem Spezi-Verbund beigetreten und zahlt an Riegele Lizenzgebühren.
Für Gesprächsstoff sorgte Krombacher vor der offiziellen Markteinführung bereits mit der Präsentation des Designs seiner Neuheit: Farblich ähnelte es sehr stark dem Look von Paulaner Spezi, nur schmückten diagonale Streifen statt des Wellenmusters die Etiketten. Noch vor dem tatsächlichen Launch änderte Krombacher aber nach Kritik aus der Branche freiwillig den Look.
Möglicherweise kam man damit einer Klage der Paulaner Gruppe zuvor, die ihre führende Position – auch juristisch – mit viel Energie verteidigt: Im November 2024 klagte der Konzern gegen Berentzens „Mio Mio Cola-Orange“ wegen einer angeblich ähnlichen Etikettengestaltung, und vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Münchner auch gegen die „Brauerlimo“ von Karlsberg gerichtlich vorgehen. Nicht kritikwürdig fand man hingegen offenbar den vor einem Jahr präsentierten Colamix „Paderborner Limo“ aus dem Haus Cramer (ehemals Warsteiner), die ebenfalls in Farbe und Muster stark an das Paulaner Spezi erinnert.
Markt mit viel Potenzial
Ungeachtet der Bemühungen gegen vermeintliche Me-too-Produkte bewertet indessen Paulaner den Einstieg von Wettbewerbern aus den Reihen von Brauern und anderen Getränkeherstellern in den Markt als gutes Zeichen. „Das wertet zuallererst die Kategorie auf, denn das zeigt, dass in dem Markt noch viel Potenzial steckt“, betont Pressesprecher Johannes Rieger. Auch am POS werde den Colamixes deshalb im Regal mehr Platz eingeräumt, ist er überzeugt.
Chancen für Wachstum eröffnen sich vor allem auch außerhalb Bayerns, dort sei „die Distribution noch deutlich ausbaufähig“, sagt Sebastian B. Priller von Riegele. Tatsächlich wird fast ein Drittel der Mengen laut Nielsen IQ im Freistaat verkauft, alle anderen Regionen folgen mit sehr weitem Abstand.
Erstaunen kann derweil auch ein Blick auf die Zielgruppen: Colamix-Konsumenten sind nämlich keineswegs nur Ältere, die Spezi & Co. als Kinder in den 1960er oder 1970er Jahren tranken und nun aus Nostalgie darauf zurückkommen. Die Verwender seien „häufig etwas jünger als der Gesamtmarkt der alkoholfreien Erfrischungsgetränke“, berichtet Krombacher-Sprecher Peter Lemm. Das Spezi aus dem eigenen Hause begeistere sogar „überproportional viele jüngere Menschen“.
Auch Johannes Rieger von Paulaner betont, die Marke habe gerade bei der jungen Zielgruppe deutschlandweit eine große Käuferreichweite erzielen können. Und das, obwohl die Kategorie dem oft beschriebenen Trend zu gesünderen, weniger zuckerhaltigen Getränken so gar nicht entspricht.
Auch Preise deutlich im Aufwind
Überraschend positiv stellt sich auch die Preisentwicklung im Segment dar: 2023 und 2024 stieg der Umsatz im Handel laut Nielsen IQ mit 16,4 und 13,2 Prozent deutlich überproportional zum Absatz. Lag der Durchschnittspreis pro Liter 2022 noch bei 72 Cent, wurden 2024 bereits 91 Cent erreicht. Paulaner Spezi lag mit zuletzt 1,59 Euro bei steigender Tendenz deutlich darüber, Krombacher Spezi erreichte im vergangenen Jahr gar 1,67 Euro. Werte, von denen Coca-Colas Mezzo Mix – mengenmäßig im Handel mit Paulaner Spezi gleichauf – nur träumen kann. Dafür zahlten Konsumenten 2024 im Schnitt nur 1,05 Euro pro Liter.
Ob es für Spezi & Co. auch weiterhin aufwärts geht, muss sich erst noch zeigen. Aktuell jedenfalls sind sie eine der wenigen Trendkategorien – und zwar für Brauer und AfG-Hersteller gleichermaßen.