Kölsch-Brauer-Prozess vor der Wende?
Im Prozess um verbotene Preisabsprachen der Kölsch-Brauer Früh, Gaffel und Erzquell könnte es eine überraschende Wendung geben. Das Oberlandgericht Düsseldorf stellte heute den drei Brauereien eine Reduzierung der Bußgelder um mehr als 80 Prozent in Aussicht.
Der Vorsitzende Richter des 4. Kartellsenats, Manfred Winterscheidt, zeigte sich in der heutigen Gerichtsverhandlung mild gestimmt und betonte, dass die drei eher kleineren Brauereien nach Auffassung des Gerichts bei dem Bierkartell eine eher untergeordnete Rolle gespielt hätten. Die Kölschbrauer hätten zwar in den Jahren 2006 und 2007 über Bierpreise gesprochen und damit die Grenze des kartellrechtlich Erlaubten überschritten, doch für die Preisbildung hätte man sich dabei an den großen Pils-Brauern orientiert. Dies wäre wahrscheinlich auch ohne die vom Kartellamt monierten Gespräche der Brauerei-Verantwortlichen geschehen, so der Richter. Ein Teil der Vorwürfe sei außerdem möglicherweise verjährt.
„Corona-Rabatt“ von 25 Prozent
Das Gericht signalisierte zudem die Bereitschaft, die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Bier-Geschäft bei den Geldbußen zu berücksichtigen und räumte den drei Kölsch-Brauern einen „Corona-Rabatt“ von 25 Prozent ein. Zuvor hatte Rechtsanwalt Johann Brück in der Verhandlung über die Umsatzrückgänge der Gaffel Brauerei berichtet. Die Fassbierabsätze seien im März um 65 Prozent, im April um 99 Prozent und im Mai um 90 Prozent zurückgegangen. Die Gaffel-Gruppen-Umsätze seien im Mai durch die Schließung der Gastronomie um 47 Prozent eingebrochen. Auch die Ausfälle von Großveranstaltungen und Fußballspielen seien deutlich zu spüren. „Geister trinken kein Bier“, so Brück. Im aktuellen Marktumfeld sei es nicht möglich, ein positives Ergebnis zu erzielen. Mit einer schnellen Erholung des Geschäfts rechnet Gaffel trotz der Wiederöffnung der Gastronomie nicht. Der Anwalt der Erzquell-Brauerei bestätigte die Marktausführungen des Gaffel-Rechtsbeistandes und sprach von Absatzverlusten von 40 Prozent und Umsatzverlusten von 50 Prozent.
Der zweite Verhandlungstag ist am 17. Juni. Sollten die drei Kölsch-Brauer die vom Gericht in Aussicht gestellte Verständigungslösung annehmen, könnte nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Zahlung der Geldbußen eingestellt werden. Mit „Corona-Rabatt“ könnten diese dann auf insgesamt rund eine Million Euro sinken.
Zum Bierkartell
Nach einer umfassenden Beweisaufnahme und Zeugenbefragungen zum Bierkartell (2006 bis 2008) wurde der Prozess gegen Carlsberg Anfang April 2019 vor dem Oberlandgericht Düsseldorf wegen Verjährung eingestellt. Zuvor hatten sich die Brauereien Barre, Bitburger, Bolten, Krombacher, Veltins und Warsteiner im Rahmen sogenannter Settlements außergerichtlich mit dem Bundeskartellamt geeinigt. Die Radeberger Gruppe hatte ihren Einspruch gegen das Anfang 2014 verhängte Bußgeld von 160 Millionen Euro zurückgezogen und konnte sich dadurch 30 Millionen Euro Zinsen sparen. AB Inbev blieb als Kronzeuge straffrei.