Für den Handel gibt es derzeit Grund genug, auf den Aktionsflächen für einen heißen Sommer zu sorgen. Nach dem furiosen Absatzschub im Juni blieben die Monate Juli und August hinter den Erwartungen zurück – die Getränkeindustrie hat das Sommerloch der Ferienwochen zu spüren bekommen. Dabei ist in diesen Wochen eine Neujustierung der Sortenpräferenzen zu beobachten: Der Handel sondiert die Aktionsfähigkeit der Sorte Hell – jetzt wird über die Wegbereiter des Segments entschieden.
Während sich das lange Zeit favorisierte Bayreuther Hell aus der Maisel-Brauerei unlängst mit einem Brandbrief an Handelsentscheider aus dem Aktionsfeuerwerk zurückzog, haben längst andere Marken den frei gewordenen Platz übernommen. Sie kommen gleich aus der Nachbarschaft und sind damit nicht weniger erfolgreich. Die Hit-Märkte lassen die schon vom Keller- und Landbiertrend verwöhnten Kulmbacher Brauer mit dem Hellen von Mönchshof in die Bresche springen und bieten den produktionstechnisch kostspieligen Halbliter-Kasten mit Bügelverschlussflasche für attraktive 11,49 Euro an.
Kaufland bedient sich der Paulaner-Marken und hält mit Hacker Pschorr für 11,80 Euro dagegen, das Chiemseer im Euro-Retro-Kasten schafft es auf 12,80 Euro. Aber auch als Sechser-Träger mit Glaszugabe und als Aktionsdose kann die Hauptmarke Paulaner Helles schon den ganzen Sommer über die Kraft der Ellenbogen beweisen – der Handel schießt mit allen Marken aus vollen Rohren auf den Hellbier-Trend.
Traditionsmarken wiederbelebt
Doch nicht nur die Paulaner-Gruppe unternimmt vielfältige Anstrengungen, um im nationalen Handel über den hauseigenen Markenmix die Sortenhoheit mitzugestalten. Auch die seit geraumer Zeit aktionsgetriebenen Konzernbrauer von AB Inbev geben sich redlich Mühe und schicken zwischenzeitlich das wiederbelebte Spaten Bräu im Kasten (12,90 Euro) und der Dose (Lidl 0,79 Euro) in den Handel. Bei Penny gibt’s dieser Tage für 3,99 Euro ein Wiedersehen mit dem Halbliter-Sechserträger Löwenbräu – womöglich ein kleiner Funke Hoffnung, die einst große Traditionsmarke neu zu beatmen.
Auch mit Benediktiner, das von der Bitburger Tochter Licher in Nordhessen gebraut wird, wird das Aktionskarussell angeschoben. Der Six-Pack in der Drittel-Liter-Euroflasche gibt’s bei Wasgau für 3,49 Euro, die 0,5-Liter-Dose geht für 0,79 Euro zeitgleich an die Penny-Kunden. Und selbst Aldi Süd forciert nunmehr die Sorte Hell mit der Schultenbräu-Halbliter-Dose für 0,39 Euro.
Kommt Hellbier weiter nach Norden?
Aber wohin geht die Reise der Sorte Hell? Während gegenwärtig 60 Prozent der nationalen Menge vorzugsweise im Süden auf einer Fläche von gerade mal 30 Prozent des Bundesgebietes verkauft werden, ist man von einem deutschlandweiten Erfolgsweg des Hellen noch lange entfernt. Derweil leidet die Radeberger Gruppe unvermittelt an ihrer angestammten und de facto nicht ausgeräumten Nordlastigkeit. Übers beschauliche Allgäuer Brauhaus wird seit letztem Jahr der Hell-Trend mit dem Launch von Oberdorfer bedient. Der 20er-Halbliter-Kasten steht beim Cash & Carry von Selgros gerade für 14,04 Euro im Regal und damit zum gleichen Preis wie „Franz Josef Bayrisch Helles“ aus der Eschenbacher Brauerei, die erst 2018 von Arco-Bräu („Mooser Liesl“) übernommen wurde.
Mengenfantasien der Brauer
Wie schon immer im Biermarkt beschleunigt ein Sortentrend die Mengenfantasien der Brauer und sorgt wenig später für Handelsoffensiven. Dieser Zeitpunkt ist gekommen: Das Helle hat die nationale Aktionspreisbühne erst gerade betreten und erlebt das erste Preisfeuerwerk. Leidtragende dürften in absehbarer Zeit vor allem die Weizenbiere sein. Noch können sie sich mit ihrem Aktionspreis an die 12-Euro-Schwelle klammern. Weißbierbrauer, die anders als Paulaner oder AB Inbev keine Chance haben, aus dem eigenen Markenkarussell ein Hellbier in den Markt zu schicken, dürften beim Sortentausch der Verbraucher auf absehbare Zeit ein schmerzhaftes Nachsehen haben. Auch Krombacher steht in den Startlöchern und wartet nach seinem ins Stocken geratenen Dachmarken-Hell auf den Neustart mit Beteiligungspartner Starnberger Brauhaus.
Kampf um Marktanteile beim Pils
Derweil wird im Norden und Osten der Republik weiter mit harten Bandagen um Marktanteile im Pils-Markt gefochten. Holsten hat endgültig seinen Platz unterhalb der Premium-Schwelle gefunden und steht für 8,99 Euro bei Tegut im Schaufenster. Das jüngst erfolgte Carlsberg-Investment in einen neuen Kasten samt attraktiver Produktausstattung dürfte bei gleicher Preisstellung damit auf absehbare Zeit verpuffen. Zugleich sorgt der Handel dafür, das einstige, wohl nie vergessene Holsten-Image gerade wieder zu aktualisieren: Für 49 Cent steht die Dose bei Thomas Philipps auf dem Tray, für den Preis von 1,11 Euro gibt’s bei NP-Discount sogar gleich drei Dosen Holsten. Nur Meisterpils mit 0,29 Euro in der Halbliter-Dose bei Globus schafft es noch günstiger.
Da wahrt Dosen-Marktführer Krombacher mit 0,69 Euro bei seinem selbst gewählten Mengenturbo Aldi Süd noch den moderaten Preisabstand. Die AB Inbev-Marken geben indes weiter Gas beim Preisfeuerwerk: Gleich mehrere Handelsschienen haben in der laufenden Woche die Hasseröder-Doppelkasten-Aktion im Angebot. Zwischen 14,00 und 15,00 Euro bleibt die Ostmarke vorerst noch ein beliebter Spielball der Handelseinkäufer. Einzelne Ausreißer wie der Halbliter-Kasten Rostocker für 8,00 Euro bei Kaufland auf Rügen oder der Dosen-Sixpack Feldschlösschen für 2,45 Euro bei Lidl im Osten sind angesichts der permanenten Bewegungen zumindest verbraucherseitig willkommene Impulse.
Da scheint die Welt in Köln zumindest in Teilen noch in Ordnung zu sein: Während Früh seinen Neuzugang Schreckenskammer-Kölsch mit einem Euro Nachlass für 18,99 Euro zum Kunden wandern lässt, geht das Reissdorf Kölsch bei 23,00 Euro in Verbraucherhand – als Doppelkasten-Aktion versteht sich. Freud und Leid liegen im Schatten des Kölner Doms nah beieinander.