Die Warsteiner Brauerei bereitet offenbar die Neujustierung ihres Spezialitäten-Segments vor. Zu Monatsbeginn hat sich das Unternehmen die urbayerische Markenbezeichnung „Oberbräu“ beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen (Unionsmarke 018593399). Auch ein eigener Kasten für „Oberbräu“ soll bereits in Produktion sein, wird aus dem Umfeld der Zulieferindustrie berichtet.
Schon in der Vergangenheit wurde die Marke von der Warsteiner angeschlossenen König-Ludwig-Brauerei genutzt. Mit dem Holzkirchener Ortsabsender hatte sie aber über die Region hinaus bislang keinerlei Marktbedeutung. Jetzt ließ sich die Warsteiner Brauerei die Markenbezeichnung „Oberbräu“ fürs eigene Haus schützen und eröffnete sich damit eine Option für neue Bierspezialitäten mit bayrischer Markenaura. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern bereitet Warsteiner damit den Einstieg in den zuletzt schwunghaft wachsenden Markt der Hell-Biere vor.
Mit bayerischer Folklore in Hellbier-Segment
Damit könnten sich die westfälischen Traditionsbrauer, die bislang mit ihrer König-Ludwig-Dependance in Bayern nicht so stark am Sortenwachstum partizipieren konnten wie andere, alsbald in das pulsierende Segment von Hell-Bieren einreihen. Die Warsteiner Produktdesigner hatten es bei der Neugestaltung des Labels leicht und haben schlichtweg die vektorisierte Mustervorlage ihres Warsteiner Etiketts genutzt, um analog zum äußeren und inneren Ring ihres angestammten Markenzeichens dem Newcomer Oberbräu zum klischeehaften Auftritt zu verhelfen. Zu sehen ist ein Pärchen in typischer Tracht – bayrische Folklore scheint in dem Segment ein Muss.
Tatsächlich hat der Markt der Hell-Biere in den letzten drei Jahren ein durchaus bemerkenswertes Wachstum hingelegt. Allerdings ereignete sich – anders als bei vorherigen Sortentrends – eine rasante Aufholjagd mit einer Wettbewerbsintensität, die sogar zur Schwächung des Weißbier-Segments führte. Selbst renommierte Brauer wie Erdinger Weißbräu, die mit einem reputierlichen Bayern-Image aufwarten können, haben es schwer, in dem neuen Sortensegment Fuß zu fassen. Wieder sind es die großen Player, die mit kraftvoller Vertriebsarbeit den Markt gestalten. So hat AB Inbev die Marke Spaten revitalisiert, Paulaner hat kurzerhand unter dem Paulaner-Markendach ein Hell-Bier gelauncht. Bisher gilt Augustiner beim Hellen als Marktführer, der sowohl im Hinblick auf Menge als auch auf Wertstellung das Sortensegment prägt.
Me-too-Charakter zu offensichtlich?
Allerdings dürfte es auch für die nach außen verschlossenen Münchener absehbar schwieriger werden, nachdem sich die Preisstellung inzwischen auf das nationale Weißbier-Niveau abgerutscht ist. Davon konnten die fränkischen Brauer der Gebr. Maisel mit ihrem Bayreuther Aktien-Hell ebenso profitieren wie das Mooser Liesl von Arcobräu. Inzwischen wachsen im Handel die Zweifel, ob es für folkloristische Newcomer wie Warsteiners Oberbräu oder Oetkers Retortenmarke Oberdorfer noch veritable Wachstumschancen gibt. Der Me-too-Charakter und damit die Austauschbarkeit sei, so ist von Handelsseite zu hören, einfach zu offensichtlich.
Ob Warsteiner 2022 mit einem Launch von Oberbräu für Marktbelebung sorgen kann, bleibt abzuwarten. Warsteiner-Chef Helmut Hörz hatte unlängst in einem Interview in der „Wirtschaftswoche“ angekündigt, alsbald einen neuen Pfeil aus dem Köcher zu ziehen. Dies scheint er demnächst mit Oberbräu in die Tat umzusetzen. Tatsache ist: In den vergangenen Jahren hat die Warsteiner Brauerei einige Marken neu auf den Markt gebracht und immer wieder versucht, Anschluss an Trends zu halten, doch der Erfolg blieb aus. Marken wie „Aloha“, offenbar gedacht als Windschatten-Alternative zu Bionade, oder die AfG-Bitter-Range „Le Roc“ verschwanden wieder. Zuletzt musste der Versuch, 2016 mit „Warsteiner Braumeister“ ins wachsende Segment der Spezialitätsbiere einzusteigen, aufgegeben werden.