Wachsende Kosten für Rohstoffe und Energie, Anhebung der Lkw-Maut, höhere Steuern in der Gastronomie: Die Belastungen für die Getränkebranche sind in den Krisen der letzten Jahre immer mehr angewachsen und steigen noch weiter. Ein weiteres Problem kommt jetzt für viele Getränkehersteller hinzu: Ein enorm hoher Zuckerpreis belastet bei Limonaden, Radler & Co die Kalkulation.
Beispiel Radler oder Biermix: Der Preis für Zuckersirup habe sich in der letzten Zeit mehr als verdoppelt, berichtet der Chef einer großen Brauerei, der namentlich nicht genannt werden möchte. Diese Kostensteigerung müsste den Abgabepreis für den Kasten Biermix für sein Unternehmen um einen Euro verteuern, rechnet er vor. Der Handel würde wie üblich noch einmal 42 Prozent aufschlagen; dann würde ein Kasten Radler für den Endverbraucher 1,50 Euro teurer werden – allein durch die höheren Zuckerpreise. Dies ist laut Branchenkennern jedoch am Markt kaum durchsetzbar.
Ein anderer großer Brauer gibt auf Nachfrage von Getränke News eine Kostenverschlechterung bei Biermischgetränken von 15 Cent pro Kasten aufgrund des höheren Zuckerpreises an. Er betont jedoch, dass dies bei seiner Brauerei zu keiner Erhöhung des Abgabepreises führen werde. (Anmerkung der Redaktion: Die Brauereien stellen Biermischgetränke meist aus Bier, Wasser, Grundstoff und Zuckersirup her.)
Wie der Internetdienst „Agrar heute“ Ende August meldete, kletterten diese zuletzt beinahe auf ein Zwölf-Jahres-Hoch. Die Gründe dafür sind komplex und reichen von weltweit ungewöhnlich hohen Energiekosten bis zu Sonderentwicklungen wie einer Verknappung durch den Verkauf von Zuckerrohr in Brasilien für die lukrativere Ethanolherstellung.
Trockenheit sorgt für geringe Ernten
Eine entscheidende Rolle spielt allerdings auch hier der Klimawandel: Hauptauslöser für den Preissprung waren laut Einschätzung von Experten Spekulationen, dass Indien – einer der großen Zuckerrohrlieferanten – bald den Export deutlich einschränken könnte, weil wegen eines zu schwachen Monsunregens eine sehr geringe Ernte droht. Auch Exporteur Thailand beklagte wegen trockenen Wetters einen starken Rückgang der Erträge.
Laut Angaben des deutschen Zuckerverbands (Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V.) ist Europa allerdings lediglich zu etwa zehn Prozent vom Weltmarkt abhängig. Mehr Ware aus Ländern wie zum Beispiel Brasilien zu importieren, ist keine wirkliche Option, denn die EU erhebt auf Weißzucker hohe Schutzzölle, die den Kauf wenig rentabel machen. Für einen Großteil der Produktion ist vielmehr Rübenzucker der wichtigste Rohstoff.
Auch hier stellt sich aber die Versorgungslage nicht besser dar: Die Erträge seien 2022 in ganz Europa wegen des trockenen Klimas besonders niedrig ausgefallen, erklärt Verbandssprecherin Sandra Fürderer. Zusätzlich erhöhten – wie in anderen Branchen auch – die krisenbedingt rasant steigenden Energiepreise den Druck auf die Zuckerproduzenten. Hinzu kämen höhere Kosten bei den Rübenanbauern, unter anderem für Treibstoff und Düngemittel.
Mittelstand besonders belastet
Auch bei den Limonadenherstellern sieht man die Entwicklung mit Sorge. Der erhöhte Zuckerpreis mache sich gerade bei einem mittelständischen Unternehmen wie seinem „natürlich deutlich bemerkbar“, berichtet Edmund Skopyrla, Geschäftsführer der Deutschen Sinalco Markengetränke. „Auch, wenn wir stark auf Mineralwasser fokussiert sind und nur in einem Teil unserer Produktrange Zucker enthalten ist, spüren wir die Veränderungen des Marktes“, so der Manager. Man müsse die Entwicklung „sehr genau im Auge behalten“, insbesondere, da Zucker bei weitem nicht der einzige Rohstoff sei, der in den vergangenen Monaten teurer wurde.
Eine gewisse Entlastung sieht Skopyrla dabei in dem Trend zu zuckerreduzierten und ganz zuckerfreien Getränken. Sinalco baue sein Angebot an solchen Alternativen kontinuierlich aus und sehe „großes Potenzial“ in den Newcomern, die zurzeit „eindeutig der Wachstumstreiber“ seien.
Zuckerkonzerne nutzen Marktmacht aus
Deutlichere Worte findet indessen der oben bereits zitierte Brauereimanager. Eine Erklärung rein über das Wetter und den Weltmarkt will er nicht gelten lassen. Seine Wut richtet sich auch gegen die Zuckerkonzerne, die nach seiner Einschätzung ihre Marktmacht ausnutzen und die Preise stärker als notwendig in die Höhe treiben. Wer aus Süddeutschland ein Angebot bei Nordzucker einholen wolle, werde an Südzucker verwiesen und umgekehrt, berichtet er und spielt dabei auch auf das mächtige Zuckerkartell an, das Ende Juni die Gemüter erhitzte.
Da nämlich verurteilte das Landgericht Mannheim die drei großen Hersteller Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen zu Schadenersatz in Millionenhöhe, weil sie nach Kartellabsprachen zu hohe Preise von Kunden wie Nestlé oder Molkerei Müller kassierten. Aus Sicht des Kartellamts haben die Unternehmen über mehrere Jahre bis 2009 neben Preisen auch Verkaufsgebiete und Quoten abgesprochen.
Dass den Zuckerproduzenten die Entwicklung nicht unrecht sein dürfte, lässt auch das Fachblatt „Börse Express“ durchblicken. „Die hohen Preise wurden zum Turbo für die Rentabilität europäischer Zuckerhersteller“, heißt es in einem Marktbericht vom 7. Juni. Südzucker habe im letzten Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von 230 Millionen Euro erzielt, das beste Ergebnis seit einem Jahrzehnt. Im laufenden Geschäftsjahr sei mit einer Verdopplung zu rechnen.
Probleme durch dominante Handelsketten verschärft
Indessen gilt der Zorn der Getränkehersteller auch den vier dominanten Handelsketten Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz-Gruppe/Lidl. Sie würden öffentlich jegliche Preiserhöhungen auf die Industrie schieben und stellten sich selbst als die großen Wohltäter dar, ärgert sich ein Marktteilnehmer anonym im Gespräch mit Getränke News. Die im allgemeinen mittelständisch geprägten Getränkehersteller und Brauereien hingegen seien auch hier das schwächste Glied in der Kette. Anders als die Großkonzerne könnten sie notwendige Preiserhöhungen kaum durchsetzen. Auch die Alternative, die Produktmenge pro Verpackungseinheit zu verringern, käme für Getränke nicht in Frage.
Auch von der Politik sieht sich die Branche im Stich gelassen. Eigentlich wäre zu erwarten, dass „regulativ bessere Rahmenbedingungen“ angestrebt würden, betont Dr. Detlef Groß, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg), auf Anfrage von Getränke News. Stattdessen sähen sich die Unternehmen mit weiteren Regulierungsplänen in Gestalt von Werbeverboten, Verpackungsvorschriften und Rezepturvorgaben konfrontiert, beklagt Groß und wünscht sich von den zuständigen Bundesministerien „eine lösungsorientierte Dialogbereitschaft, auch mit Blick auf gebotene Folgenabschätzungen“.
Doch wie wird sich die Lage in näherer Zukunft entwickeln? Sandra Fürderer vom Zuckerverband wiegelt zunächst ab. Der Zuckerpreis bewege sich „in Wellen“, es habe früher schon Phasen mit ähnlich hohen Preisen gegeben. Von 2017 bis 2021 habe die Branche allerdings eine Phase derart niedriger Preise erlebt, dass die Herstellung kaum mehr rentabel gewesen sei. Ausgelöst wurde sie laut Experten damals durch eine Marktliberalisierung mit der Abschaffung von Produktionsquoten, die zu einem weltweiten Überangebot führte. In der Folge mussten die europäischen Hersteller zahlreiche Zuckerfabriken schließen.
Zuckerindustrie sieht steigende Herausforderungen
Zurzeit sieht Fürderer „eine gewisse Stagnation“. Eine Prognose sei gleichwohl ein Blick in die Glaskugel. Klar sei aber, dass „die Herausforderungen für die Branche zur Sicherung der Erträge nicht geringer werden“. Zudem kämen auf die Zuckerwirtschaft erhebliche Aufwände für mehr Umwelt- und Klimaschutz zu.
Angesichts des Klimawandels dürfte der Markt mittelfristig wohl mehr denn je wettergetrieben und damit noch volatiler als in der Vergangenheit werden. Auch die jüngsten strukturellen Veränderungen des Marktes könnten für längerfristig höhere Preise sorgen, glauben Analysten. Für Limonadenproduzenten und Brauereien ist dies keine positive Nachricht: Günstiger wird die Produktion zuckerhaltiger Getränke in Zukunft wohl kaum werden können.