Der einstige Marktführer kämpft um seine Marktbedeutung
Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2019 gerade noch die Million-Hektoliterschwelle erreicht, kämpft die Marke König trotz der rasanten Ausstoßverluste der letzten zwei Jahrzehnte unverdrossen, um ihre Marktbedeutung im Premium-Segment zu erhalten. Gleich zum Jahrtausendbeginn als stolze Familienbrauerei in die Hände der Premium-unerfahrenen Hamburger Holsten AG gewandert, wurde die 1858 gegründete König-Brauerei schon 2004 an die Bitburger-Gruppe durchgereicht – eine große Marke war zum Spielball von Marktlaunen geworden.
Zurück zur Wertschätzung des strahlenden 1980er-Jahre-Marktführers sollten die Bitburger Brauer ihre zweite Markenperle allerdings nie wieder bringen. Zu groß waren die Kannibalisierungseffekte im eigenen Vertriebskoffer. Zwei Premium-Pils-Marken mit hoher gastronomischer Reputation und dazu noch mit störender Gebietsüberschneidung waren einfach wachstumsuntauglich. Die zurückliegenden König-Jahrzehnte sind die Geschichte von einem scheinbar grenzenlosen Erfolgsweg, aufkommender Marktunsicherheit und limitierendem Gruppendenken neuer Eigner.
Vom Bier zur Premium-Marke
Es war eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. Gleich nach dem Krieg machten die Enkel von Gründer Theo König im Duisburger Ortsteil Beeck klar Schiff. Mit dem Anker im Etikett wurde der Wiederaufbau mühelos gestemmt. Von 1948 bis zum 100. Jubiläumsjahr 1958 schnellte der Ausstoß auf 500.000 Hektoliter hoch. Stahl und Kohle prägten das Revier an Rhein und Ruhr. Und als Urenkel Dr. Leo König 1967 das Ruder übernahm, stand er von Beginn an für den Marken- und Premiumgedanken.
Es besteht heute kein Zweifel daran – sie waren die großen Wegbereiter des Pils-Booms in Deutschland: Dr. Leo König (1924-2018), Albert Cramer (1943-2012/Warsteiner) und Rosemarie Veltins (1938-94). Alle drei prägten in den Boomjahren den Markt bis heute, hatten aber stets ihr Premium-Pils und die Gastronomie als Referenzgeber im Blick. Als die meisten Brauereien ihre Bierfreunde noch auf die Sorte Export eingeschworen hatten, waren König, Warsteiner und Veltins schon weiter. Sie pflegten die besondere Gastronomie und zelebrierten ihr Pils im edlen Pokal oder in einer der Champagnerflöte ähnlichen Tulpe. So waren die 1960er- und 1970er-Jahre weichenstellend für den Biermarkt.
Und allen voran war es König-Pilsener, kurz „KöPi“, das an Rhein und Ruhr aus einem Sortentrend eine Markengeschichte machte. Zwischen dem Erfolg von Pils in Duisburg und dem Niedergang von Export in Dortmund lagen in jenen Jahrzehnten zwar nur 60 Kilometer, aber gut und gerne zehn Millionen Bierfreunde, die damals von den Dortmunder Brauereien scheinbar unbemerkt ihre Genussgewohnheiten veränderten. Immerhin sollte die Duisburger König-Brauerei mit Dr. Leo König an der Spitze unweigerlich zum Marktführer unter den Bieren Pilsener Brauart aufsteigen – flankiert von ungeheuren Investitionen in eine trendgerechte, begehrlich machende Werbung.
Dr. Leo König zeigte sich vom bedrohlich heranrückenden Wettbewerb lange Zeit unbeeindruckt. Auf die Frage von „Welt“-Autorenlegende Hans Baumann nach dem Erfolg von Warsteiner hatte er nur eine knappe Antwort übrig: „Wo liegt Warstein?“ Immerhin 2,5 Millionen Hektoliter waren in den 1980er-Jahren der Duisburger Ausstoß-Spitzenwert, ehe Warsteiner 1988 König als Marktführer ablöste. Es mag der späte Fluch der Marktführerschaft im deutschen Biermarkt sein, dass die Beliebtheit immer nur eine Zeitlang anhalten soll. Denn allen großen Brauereien der Nachkriegsjahre war nur eine temporäre Marktführung beschieden – danach ging es bergab, manches Mal sehr steil. Das Schicksal ereilte die Dortmunder Hektoliter-Millionäre in den 1980er-Jahren ebenso wie zuvor Wicküler, Löwenbräu oder Henninger. Auch Warsteiner und Oettinger mussten nach der Jahrtausendwende – verstoßen vom Thron – schmerzliche Verluste hinnehmen. Allein Krombacher gelingt es sei geraumer Zeit, durch ein umfangreiches Portfolio seine Marktführerschaft zu behaupten.
Unsicherheit und Anzeichen der Zeitenwende
Dass es für Dr. Leo König und seine Tochter Dr. Doris König in den Jahren nach der Wiedervereinigung schmerzlich war, den Verfall ihrer einstigen Marktführerschaft mitzuerleben, versteht sich von selbst. Aber wie soll eine Familienbrauerei damit umgehen? Gerade der Generationswechsel in beginnenden Krisenzeiten schaffte wenig Mut zum Durchhalten. Hinzu kam 1993 die bittere, gar einschneidende Entscheidung, einen deutlichen Personalabbau mit bleibendem Imageschaden in der Standortregion durchsetzen zu müssen. Damals berichteten die Medien landesweit und sahen das Unternehmen bereits in der Krise. Tatsächlich ahnte die Brauwirtschaft schon vor der Jahrtausendwende vielerorts, dass die internationalen Konzerne vor der Tür standen. Interbrew-Manager für Merger & Akquisition verteilten auf den damaligen Roland-Berger-Seminaren unverhohlen ihre Visitenkarten und sprachen bei jeder Brauerei vor, die einen Termin möglich machte.
Rechtzeitig Kasse gemacht
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bilanzierte zum Jahresstart 2000, dass Dr. Doris König mit ihren 44 Jahren „zu einem Zeitpunkt Kasse gemacht“ habe, an dem ihr Unternehmen noch ordentliche Gewinne abwerfe. „Man muss in die Zukunft gucken“, wird die einstige Inhaberin zitiert. Da sehe es nach eigener Einschätzung selbst für eine so bekannte Marke wie König Pilsener trübe aus. „Auch für viele andere starke Marken ist es fraglich, ob sie den ruinösen Wettbewerb durchhalten“, wird Dr. Doris König zitiert. Sie orakelte keineswegs unbegründet, denn viele Gesellschafter anderer großer Brauereien dachten in ihrer Unsicherheit bereits über einen Verkauf nach. Wenig später sollten Diebels und Beck’s an Interbrew (heute AB Inbev) gehen, Paulaner-Inhaber Schörghuber sollte sich Heineken an Bord holen.
Kein Wunder, dass Dr. Doris König, so die „Rheinische Post“, einem Gutachten Glauben geschenkt hatte, dass der Fortbestand einer großen Privatbrauerei im neuen Jahrtausend immer schwieriger werden sollte. 350 Millionen D-Mark Umsatz bei geschätzten Marketinginvestments von 50 Millionen standen beim Verkauf auf der Habenseite. Holsten-Vorstand Andreas „Buffy“ Rost war geradezu euphorisch, mit der Marke König seine allzu ertragsschwache Konsumbier-Scharte ausgewetzt zu haben: „Nur mit der Marke können wir Geld verdienen“, sagte Rost dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ angesichts der Übernahme. Rund 300 Millionen D-Mark soll der anfängliche 75-Prozent-Anteil nach Brancheneinschätzung den Hamburger Brauern damals wert gewesen sein.
So gelang dann 2000 der Verkauf an die Holsten AG, die einerseits stark einwegorientiert, andererseits allerdings in der Führung einer nationalen Premium-Pils-Marke erfahrungslos war. Überdies geriet die Holsten AG nach ihren Akquisitionen von König und Licher sowie durch den Mengenverlust infolge des Einwegpfands wenig später dermaßen in Schieflage, dass das Unternehmen selbst zum Übernahmekandidaten wurde. Die dänische Carlsberg-Gruppe bediente sich am Stammsitz und übernahm die Nordaktivitäten; die König-Brauerei und die Licher-Brauerei gingen zur Bitburger Braugruppe. Es hatte eine Holsten-Filetierung ganz nach dem Beispiel der Jahre zuvor zerschlagenen März-Gruppe und gleichzeitig liquidierten Brau-und-Brunnen-Gruppe stattgefunden.
Dass im Geschäftsjahr 2004 der König-Ausstoß bereits auf 1,9 Millionen Hektoliter abgeschmolzen war, stand auf einem Blatt, der weitere Leidensweg auf einem anderen. Die Kernfrage, die damals die Brauwirtschaft bewegte, war klar gestellt: Kann unter dem großen Markendach eine weitere starke Marke wachsen? Bitburger-Vertriebsleitwolf Dr. Michael Dietzsch hatte 1999 die Verantwortung als operativer Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Brauerei abgegeben und war als Vorsitzender in die Verwaltungsgesellschaft gewechselt. Für ihn war es, so berichten es Branchenbegleiter, eine „Genugtuung“, den Erzrivalen im Premium-Wettbewerb unter das eigene Dach zu holen. Der Deal soll inklusive Licher laut dem „Trierischen Volksfreund“ Aufwendungen von nunmehr 470 Millionen Euro bedeutet haben. Doch die Integrationsprobleme begannen erst. Denn tatsächlich sollten sich recht schnell Kannibalisierungseffekte bemerkbar machen. Trotz vieler Impulse und auch Investitionen in Marke und Standort Duisburg blieb König in der Bitburger Gruppe immer nur der zweite Platz und selten der Volumengewinner.
GFGH-Entscheider jener Jahre sind sich einig darüber, dass es niemals hätte gelingen können, zwei so große Pilsmarken gleichberechtigt ohne signifikante Abschmelzverluste im Portfolio zu führen. Und so verwundert es heute niemanden, dass die Marke König in den letzten Jahren nur noch knapp die Ausstoßgrenze von einer Million Hektoliter überspringen kann. Es dürfte angesichts der Marktentwicklung und des Drucks im Premium-Segment nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch diese Hektoliterschwelle unterschritten wird. Dabei bleibt unübersehbar, dass König Pilsener in der Gastronomie beliebt und verkaufsstark unterwegs ist. Doch auch dort gibt es Abschmelzverluste. Inzwischen hat sich der Fassbierausstoß von rund 720.000 Hektolitern zur Jahrtausendwende auf rund 330.000 Hektoliter mehr als halbiert.
Das Heil der Marke lag immer in der Kommunikation
Als andere Marken noch mit plakativen Motiven des Nachkriegsjahrzehnts um die Gunst der Verbraucher buhlten, ging es bei König 1968 in eine neue Zeitrechnung. Nachdem die großen Illustrierten als wesentliche Werbeträger auf den Farbdruck ihrer Anzeigenmotive umgestellt hatten, konnten die Duisburger Brauer mit einer Imagekampagne punkten, die vorher noch niemand zu sehen bekommen hatte. Die „König-Treuen“ sollten Bierwerbungsgeschichte schreiben, weil erstmals die lebensechten Brauer mit Lederschürze fotografisch in Szene gesetzt wurden und ein glaubwürdiges Markenversprechen für ihre Pils-Qualität abgaben. „Viel Hopfen und nicht zu viel Malz – das schont die schlanke Linie“, war dort zu lesen. Und die Verbraucher nahmen es König ab.
Tatsächlich sollte ein „schlankes“ Pils das oft als mastig empfundene Export von den Tresen der Kneipen und den Tischen der Verbraucher verdrängen. König warb schon 1968 in der Headline mit jenem „Siegel-Hopfen“, den seine heutigen Eigentümer gern ihrem Bitburger zuschreiben. Vor über 50 Jahren war es allerdings werbetaktisch innovativ. Unter der Ägide von Dr. Leo König sollte seine gleichnamige Marke den Premium-Trend gestalten, allerdings schon in den 1970er-Jahren getrieben von den Marken Warsteiner und Veltins, Krombacher gesellte sich erst später hinzu. Und in dieser Zeit wurden die „König-Treuen“ durch eine produktfokussierte, ausgesprochen selbstbewusst wirkende Kampagne abgelöst. „In Deutschland gibt es 6000 Biere. Und König-Pilsener“, stand als Headline unter der edel silbernfolierten Lux-Flasche zu lesen. Die Brauer von König fühlten sich in der Pole-Position und ließen es nun wirklich jeden wissen, dass sie die Großen des Biermarktes sind.
Während Warsteiner als goldene Königin mit der schwarzen Produktkampagne weitermachte, ging König alsbald zum Lifestyle über. Glückliche Paare mit einem König-Glas in der Hand sollten den Zeitgeist hinüberretten. Während 1988 die Marktführerschaft fiel, wurde unter der jungen Führung von Dr. Doris König, die 1991 ins Unternehmen gekommen war, der Markenauftritt verjüngt. Fortan hieß es im Claim „Das königliche Vergnügen.“ Zwischenzeitlich wurde gar der traditionell silberne Schriftzug in goldenen Glanz gehüllt. Erst als die Kampagne „Heute ein König. Das König der Biere.“ im Jahr 1993 vorgestellt wurde, erweckte die Duisburger Brauerfamilie den Eindruck einer ernsthaften Markenverjüngung.
Unter dem Markenmanagement der Holsten AG wurde die Kampagne „Mein Königreich“ geschaffen, wirkte allerdings kraftlos und austauschbar. Diesmal sollten es Lebenssituationen sein, die mit dem König-Genuss Selbstbelohnung bedeuteten. Mit Bitburger an den Stellknöpfen der Werbung wurden Testimonials bemüht, um mit Boris Becker oder Til Schweiger für Aufmerksamkeit zu sorgen. Die Taktung neuer Kampagnen hatte jedenfalls kräftig Fahrt aufgenommen. Dass dabei 2010 sogar Gartenzwerge Unterstützungsarbeit leisten sollten, mag manchen zum Schmunzeln gebracht haben. Für andere waren es Beispiele kommunikativer Ausweglosigkeit, um am Point of Sale den Vkf-Turbo zu zünden.
Kelts und ein Lemon, das zum Radler wurde
Es versteht sich von selbst, dass 1988 ein alkoholfreies Bier hermusste – die König-Gastronomie verlangte ein Produkt, um nicht länger aufs Clausthaler angewiesen zu sein. Allein der Glaube an die Brautradition und die Notwendigkeit einer Trennung von Bier und Alkoholfreiem ließ die Entscheidung reifen, eine völlig neue Marke zu schaffen und diese sogar noch mit einem Fantasienamen aufzubauen. So entstand die Marke „Kelts“, die sich zumindest in der Werbung Achtungserfolge erkämpfte. „Einzig. Nicht artig.“ hieß es damals vielsagend. Man wollte mit der Marke nach eigener Darstellung „zurück zu den Wurzeln“. Kelts signalisiere „Keltisches“, hieß es damals aus der Traditionsbrauerei. Sozusagen „ein Mann, ein Wort.“ Das alkoholfreie Kelts sollte für Typen gemacht sein, die sich ganz bewusst für ein alkoholfreies Bier entschieden hatten. Der Claim: „Ganz bewusst Kelts.“
2005 wurde das Markenrätsel dann endgültig durch die Umbenennung zum „König Alkoholfrei“ aufgelöst. Bereits 2003 sorgte ein neuer, roter König-Kasten für den Aufbruch in die Zukunft. „Komfortkasten“ hieß der Träger, der erstmals mit Softgriffen ausgestattet war und zugleich König in der Longneckflasche präsentierte. Im Frühjahr 2011 wurde dann das Jahre zuvor gelaunchte König Lemon durch ein König Radler abgelöst. 2016 kam mit „Theo König“ eine Zwickel-Spezialität auf den Markt, die dem Landbiertrend folgen sollte und zugleich an den gleichnamigen Brauereigründer erinnert. Zu guter Letzt verschaffte sich König 2019 mit einem Rotbier im Markt Aufmerksamkeit.
Und auch dieser Traditionsmarke blieb das Schicksal der wechselnden König-Macher nicht erspart. Immer wieder wurde am Markenzeichen regelrecht „herumgeschraubt“. Es mag absurd klingen. Aber 2017 wurde die Rückkehr des traditionellen Markenankers sogar als Errungenschaft gefeiert. Und in jüngster Vergangenheit lassen die Gläser sogar den angestammten Pilsener-Schriftzug vermissen – König soll alleine wirken.
Fazit
„König Pils Duisburg“ zu „KPD“ abgekürzt, so heißt es im Stamm-Markt von König Pilsener mit sympathietragendem Unterton. Eben immer noch „das Pils von hier“. Und genau dorthin wird sich wahrscheinlich die Marke König immer weiter orientieren. Zwar gehört König unverändert zu den Fassbiermarken mit hoher gastronomischer Reputation, doch im Mehrwegsegment für den Daheimkonsum haben die frühen Rabattaktionen Spuren eines geschwächten Markenimages hinterlassen.
Dass König Pilsener in jüngster Vergangenheit – auch zur Überraschung in der eigenen Heimat – mit schillernden Spezialitäten vom Schlag „Theo König“ oder „Rotbier“ von sich reden macht, werten Branchenkenner allenfalls als Achtungserfolg. Tatsache ist: Das Herz der Marke König schlägt vornehmlich im westlichen Revier und am Niederrhein, genau dort, wo das heimatliche Expansionsgebiet von Bitburger ist. Der Druck im Premium-Pils-Segment bleibt enorm: Für den Marktführer der 1980er-Jahre sind schwere Zeiten angebrochen.
Zahlen & Fakten
Ausstoß 2019: 1,0 Million Hektoliter*
Fassbier: 330.000 Hektoliter*
Marktanteil im Handel: 1,9 Prozent**
Export: 60.000 Hektoliter*
*geschätzt
**AC Nielsen
Über die Serie
In unserer Serie „Bier-Marken-Analyse 2020“ betrachten wir monatlich eine der Top-Biermarken in Deutschland. Teil 10 „Hasseröder“ erscheint Ende März 2020.