Mit Kontinuität, Marktnähe und Verbrauchergespür zum Erfolg
Kaum eine andere Privatbrauerei hat seit der Jahrtausendwende so intensiv den deutschen Biermarkt mitgestaltet wie die Brauerei Veltins. Wenn es um Innovationsfreudigkeit, aber vor allem Kontinuität in der Marktpräsenz geht, führen die Sauerländer Brauer zusammen mit Krombacher die Phalanx der dynamisch wachsenden Top-Marken an. Unter der Führung von Susanne Veltins, die seit 25 Jahren in der Nachfolge ihrer Mutter als Inhaberin das Familienunternehmen führt, konnte die Marke Veltins auf Platz 3 der Premium-Pilsmarken nach oben klettern. Mit dem Generalbevollmächtigten Michael Huber und Dr. Volker Kuhl als Geschäftsführer Marketing/Vertrieb ist bei Veltins dieselbe Mannschaft am Ruder wie zum Jahrtausendstart, während Wettbewerber längst mehrfache Wechsel auf den Chefsesseln hinter sich haben.
Der Aufstieg der Marke Veltins
Der Generalbevollmächtigte Michael Huber gab mit seinem Einstieg 1995 den Kurs vor. Als Unternehmer liebte er von Anfang an die Zahlen – auch die hinterm Komma. Controlling hielt so frühzeitig Einzug, dass die Familienbrauerei rasch neue Kräfte schöpfen konnte. Und Dr. Volker Kuhl – inzwischen als längster Marketing- und Vertriebsgeschäftsführer unter den deutschen Premium-Brauereien im Amt – formte eine Vertriebsorganisation, die Gastronomie und Handel effizient bearbeitet. Dass dazu noch offensives Marketing rund um Produkt und Markenkommunikation kam, trug einen erheblichen Anteil zur Markenverjüngung bei, so dass der Start ins neue Jahrtausend unter günstigen Vorzeichen stand. Keine andere Brauerei geht seither so dialogfreundlich in die Öffentlichkeit. Wenn es um Ausstoßzahlen geht, halten die Veltins-Verantwortlichen nichts zurück und schaffen Transparenz – längst die Ausnahme im deutschen Biermarkt.
Unter der Inhaberschaft von Susanne Veltins hat sich in den letzten 25 Jahren der Ausstoß um 33 Prozent erhöht, die Zahl der Mitarbeiter wuchs um 285 allein in der Brauerei und der Umsatz legte eine Verdoppelung hin. Und das, obwohl der Biermarkt in den letzten 25 Jahren um rund 19 Prozent verloren hat. Während andere Brauer nach der Jahrtausendwende ihren Expansionsdrang durch Zukäufe befriedigten, bis heute zuweilen aber eher schwierige bis gar belastende Brauerei-Dependancen mitschleppen, hat die Brauerei Veltins diese Last nie tragen müssen. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass nahezu alle Trends der letzten zwei Jahrzehnte frühzeitig erkannt und mitgestaltet werden konnten.
Trends rechtzeitig erkannt
Dass die Brauerei mit Veltins Pils zu Beginn der 1990er-Jahre eine klassische Monomarke mit ausgewiesener Gastronomiekompetenz war, konnten auch die beiden „Beiboote“ Leicht und Alkoholfrei bis zur Jahrtausendwende nicht ändern. Der Jahresausstoß von 2,35 Millionen Hektolitern kam bis auf 25.000 Hektoliter allein von Veltins Pilsener. „Wir führen Gutes im Schilde“ hieß der Claim, der damals nahezu zwei Jahrzehnte den Markenauftritt begleitet und die Weichen für ein bodenständiges Image stellte. Dabei wurde das Bier überwiegend in Nordrhein-Westfalen, Norddeutschland und Hessen vertrieben.
Zum Jahrtausendwechsel kündigte sich die Wende im bis dahin eher sortenmonotonen Biermarkt an. Der Innovationsschub hatte nun auch Deutschlands Brauereien erreicht. Während gerade in Nordrhein-Westfalen die Biermix-Nachfrage zum Ende der 1990er-Jahre mit heute fast vergessenen Shootingstars wie Frankenheim Blue oder Diebels Dimix zu boomen begann, stieg Veltins 2001 mit der Produktrange von V+ in den Markt ein und konnte mit den beiden Sorten Lemon und Cola rasch punkten. Es folgten Exoten wie V+Energy oder V+Curuba, die noch heute laut Brauerei veritable Mengen bringen. Selbst die Krombacher Brauerei musste mit dem Verfolger Cab Energy vor der farbigtrendigen Marke kapitulieren, weil es den Siegerländern nicht gelingen sollte, die gleichzeitig gelaunchte Marke auf Augenhöhe von V+ zu bringen. Das Marketing bei Veltins setzte auf eine junge Markenpositionierung, die bei der Biermix-Zielgruppe zwischen 18 und 30 Jahren ins Schwarze traf: Schon 2006 wurden über 400.000 Hektoliter V+ verkauft, zwei Jahre später die Schallmauer von 500.000 Hektolitern überschritten.
Klares Bekenntnis zu Mehrweg
Die Einführung des Einwegpfands 2003 traf nicht nur die Einweggebinde, sondern verursachte letztlich auch Schwierigkeiten beim Mehrwegsystem. Innerhalb von nur einem Jahr gingen Veltins Dosenabsätze verloren, die seinerzeit mehr als 10 Prozent des Ausstoßes ausmachten. Zeitgleich wurden allerorts immer mehr Sixpacks verkauft. Die Folge: Immer mehr Fremdflaschen in den Kästen und damit steigende Probleme bei der Leergutsortierung. Auch hier stellte Veltins rechtzeitig die Weichen und bekannte sich langfristig zum Mehrwegsystem. Für 25 Millionen Euro wurde ein bis heute einmaliges Sortierzentrum gebaut. Das Standardgebinde wurde durch die Veltins-Relief-Mehrwegflasche ersetzt. 2003 die Drittel-Liter-Flasche, 2005 die Halbliter-Flasche.
Im Auftritt legten die Sauerländer fortan sichtbar Wert auf puristisches Design. 2009 wurde ein neuer Mehrwegkasten eingeführt, der das Relief der Individualflasche sicht- und fühlbar aufgriff, und vom Porsche Design-Zentrum entwickelt worden war. Inzwischen waren auch Radler und Malz unter das Markendach von Veltins gewandert – die einstige Monobrauerei hatte sich innerhalb von nur zehn Jahren zur Vielsortenbrauerei entwickelt. Bei aller Innovationsfreudigkeit erlag man bei Veltins jedoch nicht der Versuchung vieler anderer Brauereien, ein Beck’s Gold nachzuahmen. 2004 machten die Veltins-Bosse Michael Huber und Volker Kuhl im Rahmen einer Pressekonferenz unmissverständlich klar, dass es diesen damaligen „Mildbiertrend“ nicht gebe, sondern es sich allein um ein grundlegend stimmiges Produktmarkenkonzept von Beck’s Gold handele. Sie behielten recht, denn alle Me-toos verschwanden alsbald wieder von der Bildfläche des deutschen Getränkehandels.
Doch auch bei Veltins funktionierte nicht jedes Produkt: Mit V+Cappuccino eilte man 2008 einem erst wesentlich später einsetzenden Trend nach Extrem-Geschmacksrichtungen voraus oder versuchte 2010 vergeblich mit Bayao einen Ready-to-Drink-Mix in den Markt einzuführen. Nach diesen beiden Flops blieben die Sauerländer Brauer in Sachen Innovationen bei ihrem Kerngeschäft: 2012 wurde die Fassbrause-Produktrange gelauncht.
Sortentrends mitgestaltet
Und als dann der Spezialitätentrend aufkam, sollte das Grevensteiner Landbier – eigentlich zum Dorfjubiläum am Stammsitz gebraut – rasch Liebhaber in Gastronomie und Handel finden. Die Anfang 2012 eingeführte Marke erzielt heute einen Jahresausstoß von rund 250.000 Hektolitern.
Die Brauerei Veltins sollte dank der Kontinuität in Marketing und Vertrieb über zwei Jahrzehnte ein glückliches Händchen dafür beweisen, dass die richtigen Produkte auch eine qualitativ hochwertige Vermarktungskompetenz erhalten. Weniger neue Produkte, dafür aber die vorhandenen Distributions- und Absatzpotenziale vollends auszuschöpfen, heißt heute die Devise. Dass Veltins sich dabei immer wieder von Me-toos flankiert sieht, stört dort offenbar niemanden. Immerhin gelang es ungeachtet des seit Jahren in der Tendenz schrumpfenden Biermarktes weiter zu wachsen – zum Jahresende 2018 wurde erstmals die 3-Millionen-Hektoliter-Grenze überschritten. Dabei beträgt der Mehrweganteil 94 Prozent. Und auch mit einem Fassbieranteil von 514.000 Hektolitern stärkt das Unternehmen seine traditionell gewachsene Gastronomiekompetenz.
Kommunikation auf Augenhöhe
Mit dem Claim „Wir führen Gutes im Schilde“ bahnte sich die Marke Veltins ihren Weg in die Gastronomie. Dies wirkte sich schon in den 1970er- und 1980er-Jahren positiv auf das Flaschenbiergeschäft aus. Immerhin war die Halbliter-Steinieflasche damals in Nordrhein-Westfalen das Stammgebinde – sozusagen eine Markenpersönlichkeit mit Kultcharakter.
Mit der Jahrtausendwende setzte man bei Veltins auf eine neue Kommunikationsstrategie. Auf der Höhe der Testimonial-Werbung flankierte man das Formel 1-Engagement bei BMW Williams mit mehreren Spots mit Ralf Schumacher, bevor 2004 der werbliche Coup gelandet wurde. Das bereits 1997 begonnene Sponsoring beim FC Schalke 04 wurde mit einem TV-Spot mit Rudi Assauer und Simone Thomalla gekrönt. Weitere Spots sollten folgen – der Spruch „Nur gucken, nicht anfassen“ gilt heute als geflügeltes Wort nicht nur unter Fußballfans.
Und schließlich übernahmen die sauerländischen Brauer auch noch die Namensrechte für die Veltins-Arena. Per Handschlag hatten Generalbevollmächtigter Michael Huber und Schalke-Manager Rudi Assauer 2005 den Deal besiegelt. Weitere Sponsoring-Engagements gelten dem VfL Wolfsburg, der Veltins Eis-Arena in Winterberg und der internationalen Vierschanzentournee. Seit nunmehr drei Jahren setzt die TV-Kampagne auf imagebildende Lebensmomente.
Beteiligungen
Im Jahr 2000 sorgte Veltins für einen Paukenschlag, als die Brauer mit Bier Schneider, Hagen, den größten NRW-Getränkefachgroßhändler übernahmen. Dazu zählten eine umfangreiche Logistik, rund 200 Getränkemärkte, aber auch die Schwelmer Brauerei und der Mineralbrunnen in Mendig. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits zahlreiche still geführte Brauerei-Beteiligungen im deutschen Getränkefachgroßhandel, doch erst Veltins ging offen damit um. Die Sparten Gastronomie, Handel und Logistik wurden in den Folgejahren geordnet und weiterentwickelt, während die Schwelmer Brauerei und der Reginaris Mineralbrunnen veräußert wurden. Und auch eine Beteiligung am Weißbierbrauer Gebr. Maisel in Bayreuth wurde nach nur kurzer Zeit wieder abgegeben, weil man keinen tieferen Nutzen gegenüber der heute noch gültigen Vertriebskooperation sah.
Erst vor zwei Jahren gingen die nun unter der Marke Dursty geführten Getränkemärkte an Oetkers Getränke Hoffmann. Und zu Jahresbeginn 2019 formierte Michael Huber den nunmehr größten deutschen Getränkelogistiker, indem er ein Joint-Venture der Westdeutschen Getränke-Logistik (WGL) mit Getränke Essmann von der Radeberger Gruppe initiierte. Huber war es, der schon zu Beginn des Jahrtausends immer wieder intensive Kooperation im vertikalen Marktengagement angemahnt und für Wachstum als unerlässlich gesehen hatte. Mit der neuen Deutschen Getränke-Logistik (DGL) war er am Ziel.
Fazit
Der Brauerei Veltins hat seit der Jahrtausendwende durch Marktnähe, Verbrauchergespür und Vertriebskraft große Erfolge erzielt. Überraschend dabei ist, dass trotz des Markterfolgs von Veltins Pils im Handel gleichzeitig der Fassbieranteil von 17 Prozent immer noch ein hohes Maß an Fassbier- und Gastronomiekompetenz beweist. Erst jüngst kündigten die Verantwortlichen die Bereitschaft zu deutlichen Investitionen in das Gastronomiegeschäft des neuen Jahrzehnts an. Dass gerade die sauerländischen Brauer mit ihrem Markenauftritt und der Preispositionierung dem Verbraucher auf Augenhöhe begegnen, macht die Marken zeitgemäß und erkennbar begehrlich. Hinzu kommt ein Beteiligungsmanagement, das Veltins stets zur Stärkung der Brauereiaktivitäten nutzt. Veltins wird auch das kommende Jahrzehnt den deutschen Biermarkt mitgestalten.
Zahlen & Fakten
Ausstoß 2018: 3,0 Millionen Hektoliter*
Umsatz 2018: 352 Millionen Euro*
Marktanteil/Handel national: 4,8 Prozent**
Fassbierausstoß/-anteil: 514.000 Hektoliter / 17 Prozent*
Gastronomiepartner: 14.800*
*Unternehmensangaben
**AC Nielsen
Über die Serie
In unserer Serie „Bier-Marken-Analyse 2020“ betrachten wir monatlich eine der Top-Biermarken in Deutschland. Teil 7 „Warsteiner“ erscheint am 18. Dezember.