Mineralbrunnen können nur ressourcenschonend arbeiten, wenn das Thema Verpackungen ganzheitlich betrachtet wird. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Informationsveranstaltung, zu der Gerolsteiner in dieser Woche Medienvertreter einlud. Konkret können aus Sicht des Brunnens Nachhaltigkeit und Klimaschutz nur erreicht werden, wenn alle Verpackungsarten – Mehrweg und Einweg, PET und Glas – optimiert und Stoffkreisläufe geschlossen werden, hob Roel Annega, Vorsitzender der Gerolsteiner-Geschäftsführung, hervor.
Am Standort in der Vulkaneifel habe der Brunnen seinen angestrebten Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel bereits fast erreicht, nun stünden weitere Einsparungen entlang der Lieferkette im Fokus, insbesondere bei Transporten und Verpackungen. Mit 52 Prozent am gesamten CO2-Fußabdruck von Gerolsteiner fallen Verpackungen in der Gesamtbilanz sehr stark ins Gewicht.
Insgesamt verkauft der Brunnen sein Mineralwasser zu einem hohen Anteil von etwa 70 Prozent in Mehrweggebinden; dennoch wolle man auf Einweg nicht verzichten, kritisiert Annega die einseitige Fokussierung des gerade in der Novellierung befindlichen deutschen Verpackungsgesetzes. „Jedes Gebinde hat seine Vor- und Nachteile, sowohl bezogen auf die praktischen Vorzüge als auch in ökologischer Hinsicht.“
Neue UBA-Studie zeigt „Optimierungspotenziale“ für alle Gebinde
In Teilen wird seine Einschätzung durch eine aktuelle Studie bestätigt, die das Ifeu-Institut für das Umweltbundesamt (UBA) erstellt hat. Die konkreten Ergebnisse sind allerdings vom Bundesumweltministerium, das die Untersuchung in Auftrag gegeben hat, noch nicht veröffentlicht. Die Studie erlaubt keinen Vergleich der verschiedenen Gebinde, sondern zeigt „Optimierungspotenziale“ für jede Verpackungsart, wie Benedikt Kauertz vom Ifeu-Institut betonte.
Generell mahnt Kauertz an, nicht länger nur den Status Quo zu betrachten, sondern bei der Bewertung immer auch den Blick in die Zukunft zu richten, da alle Verpackungen noch Optimierungspotenzial haben und besonders die Reinigung von Mehrweg als auch die Produktion von Kunststoffen durch die Energiewende und den steigenden Anteil an „grünem“ Strom immer umweltverträglicher würden.
Eine Diskriminierung einzelner Verpackungen sei nicht gerechtfertigt und auch nicht zielführend, glaubt auch Roel Annega. Vielmehr müsse es die Aufgabe sein, „jedes der Verpackungssysteme kontinuierlich weiterzuentwickeln“. So spielt bei der Optimierung von Einwegflaschen die Erhöhung des Anteils an Recycling-PET eine entscheidende Rolle. Diese wäre aber nur zu erzielen, wenn die dank des Einwegpfands fast vollständig in den Handel zurückgebrachten Flaschen in höherem Ausmaß wieder in den Getränkeverpackungskreislauf fließen würden.
Hochwertiger Rohstoff PET wandert in andere Branchen ab
Wie Branchenteilnehmer immer wieder beklagen, werden bisher aber nur knapp 45 Prozent des recycelten Flaschen-PETs wieder zu Flaschen. Der Rest wandert in andere Branchen, unter anderem für Folien und Textilfasern, wo gar kein lebensmittelsicherer Kunststoff benötigt würde. „Mit einem geschlossenen Kreislauf käme PET-Einweg an die Vorteile von einem Mehrwegsystem dicht heran“, zeigt sich Annega überzeugt. Laut Ifeu könnte im Vergleich zu dem bestehenden System PET bis zu neun Mal häufiger verwendet werden. Das heißt, im gesamten Getränkemarkt ließen sich so über 90 Prozent an Neumaterial vermeiden, was einer Minderung der CO2-Emissionen um rund 20 Prozent entspräche.
Mögliche Ansätze, um eine Stärkung des Bottle-to-bottle-Kreislaufs voranzutreiben, sieht Gerolsteiner unter anderem darin, für ein Downcycling limitierende Quoten einzuführen oder auch darin, andere Branchen wie die Folien-, Textil- oder Automobilindustrie für den Aufbau eigener Rohstoffkreisläufe zu mobilisieren.
Den Grundgedanken einer einheitlichen europäischen Verpackungsverordnung, wie sie mit der PPWR zurzeit entsteht, begrüßt der Mineralbrunnen grundsätzlich. Zugleich fürchtet das Management aber, dass das bereits lange bewährte deutsche Kreislaufsystem dabei „unter die Räder geraten“ könnte, da es in den meisten Punkten weit über den EU-Entwurf hinausgeht.
Verpackungsnovelle könnte bewährtes System gefährden
Auch die deutsche Gesetzesnovelle wäre nach Annegas Einschätzung „ein tiefer Einschnitt in bestehende funktionierende Strukturen“. Besonders kritisch bewertet er die zu erwartenden Effekte durch die geplante Listungspflicht für Mehrweg. Sie wäre nicht nur für Handel und Hersteller schwer umzusetzen, sondern nähme auch dem Getränkefachgroßhandel ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Auch die vorgesehene Rücknahmepflicht für sämtliche Mehrweggebinde in allen Vertriebsformaten würde der Verpackungsart nach der Überzeugung von Gerolsteiner eher schaden als sie zu fördern. Der Transportaufwand stiege, die Umlaufgeschwindigkeit der Flaschen würde sinken und der Bedarf an Flaschen in den Pools würde erhöht. „Das deutsche Mehrwegsystem ist Vorbild und sollte nicht kaputt reguliert werden“, so das Fazit.
Dass die deutsche Novelle wie auch das europäische Gesetz wie geplant zum 1. Juli 2024 bzw. vor der EU-Wahl im Juni 2024 wirklich in Kraft treten können, erscheint Experten allerdings ohnehin unwahrscheinlich.