In früheren Zeiten unangefochtener Korn-Marktführer, heute der Champion beim Wodka. Einst regionaler Held, jetzt bundesweit und darüber hinaus unterwegs: So könnte man die über 350-jährige Geschichte von Schwarze und Schlichte kurz und knapp zusammenfassen. „Unser Unternehmen ist ein lebendes Gebilde, das ist nie fertig“, beschreibt Katharina Schwarze im Gespräch mit Getränke News ihren Blick auf das Traditionshaus, das sie in 13. Generation führt.
Wie ihr Vater Friedrich Schwarze, den sie vor anderthalb Jahren an der Spitze ablöste, hat sie verinnerlicht, dass Erfolg nur möglich ist, wenn man seine Strategie immer wieder an die Zeit anpasst. Wenn Trends sich ändern, müssen einstmals gefragte Marken anderen, innovativen Ideen Platz machen, sieht Schwarze die Dinge eher pragmatisch als allzu emotional. Zurzeit gilt ihre Aufmerksamkeit vor allem zwei Marken – Three Sixty Vodka und dem neuen Aperitif Oriental Déjà-Vu.
Absatzvolumen in 13 Jahren vervielfacht
Three Sixty Vodka hat in den letzten Jahren eine beispiellose Karriere hingelegt: Kurz vor dem 20-jährigen Markenjubiläum 2024 werden von dem Wodka jährlich mehr als acht Millionen Flaschen (inkl. RTDs in der Dose) verkauft, damit steht die Marke für gut die Hälfte des Absatzes von Schwarze und Schlichte. 2022 führte sie erstmals das Ranking der Wodkas über zehn Euro im deutschen Lebensmittelhandel an. Als die Oelder Three Sixty 2010 kauften, begannen sie mit weniger als 200.000 Flaschen.
„Ohne unsere Innovationen müssten wir jährlich mit einem Minus planen“, gibt Katharina Schwarze freimütig zu; dank den jungen Marken kann sie aber allein für das schwierige Jahr 2022 auf ein Absatzplus von 15 Prozent auf 15 Millionen Flaschen und einen Umsatzzuwachs um 20 Prozent auf 70 Millionen Euro verweisen.
Im zurückliegenden Jahrzehnt haben sich – durch Abschmelzungen bei den altbekannten Produkten und zugleich die Integration neuer Marken – die Anteile stark verschoben: Standen die Traditionsmarken wie Schwarze Frühstückskorn, Ganz Alter Schneider oder Sechsämtertropfen 2011 noch für 75 Prozent der verkauften Menge, nahmen sie im vergangenen Jahr nur noch zehn Prozent des Absatzes ein.
Traditionsmarken mit gesunden Erträgen
Missen möchte die Geschäftsführerin die Traditionsmarken dennoch keineswegs: Sie lohnen sich weiterhin, bringen gesunde Erträge, die wiederum eingesetzt werden können, um diejenigen Innovationen zu puschen, die sich noch nicht selbst finanzieren. Zudem bringe eine breite Aufstellung Sicherheit fürs Gesamtunternehmen, glaubt Katharina Schwarze. „Ein Tausendfüßler kippt nicht um“, fasst sie das originell in Worte.
Doch eines ist auch klar: Das familiengeführte Unternehmen kann nicht jeder Marke täglich gleichermaßen gerecht werden, sondern muss sich in der Vermarktung fokussieren, Prioritäten setzen – wie es aktuell für Three Sixty geschieht. Eine sehr große Investition liegt erst wenige Wochen zurück: Anfang Juni erregte der Wodka als offizieller Partner des elektronischen Musikfestivals World Club Dome in Frankfurt Aufmerksamkeit. Mehr als 180.000 Besucher besuchten das Event, damit zahle sich die Investition aus, glaubt auch Tobias von Ofen, Trademarketing-Manager für Three Sixty, denn hier werde eine enorme „emotionale Aufladung“ erreicht.
Zweistelliges Plus im rückläufigen Markt
Auf Wachstumskurs war die Marke allerdings schon zuvor. Allein für die ersten vier Monate 2023 meldete Nielsen laut von Ofen ein Plus von 18 Prozent – gegen den um 4,4 Prozent rückläufigen Wodkamarkt. Schon im Juli startet mit dem „Three Sixty Camp“ das nächste Projekt: Fünf Influencer verbringen eine Woche in einer Urlaubsvilla in Kroatien und stellen sich Challenges rund um das Thema Cocktails und darüber hinaus. Die junge, social-media-affine Zielgruppe stimmt über den Gewinner ab. In der dunklen Jahreszeit sollen dann wieder die Clubs im Zentrum der Aktivitäten stehen.
Bei allem Erfolg ist Katharina Schwarze bewusst, dass es in dem insgesamt rückläufigen Markt auch für Three Sixty nicht mehr lange mit zweistelligem Wachstum weitergehen kann. Deshalb arbeite man bei Schwarze und Schlichte ständig an Neuentwicklungen – wie an dem Aperitif Déjà-Vu, der im Sommer 2021 zunächst in die Gastronomie eingeführt wurde und in diesem Jahr auch in den Handel kam. „Die Marke ist während der Corona-Zeit entstanden“, berichtet Senior-Brandmanagerin Nicole Althaus im Gespräch mit Getränke News. „Wir wollten die Konsumenten in Zeiten, als man nicht reisen konnte, mit den orientalischen Aromen ein bisschen in die Ferne entführen.“
Alternative zu klassischen Aperitifs
Mit den Aromen von Ingwer und anderen Gewürzen hebe sich die Marke bewusst von klassischen, mediterranen Aperitifs ab. „Wir wollen anders sein, neue Aperitif-Erlebnisse schaffen“, erläutert Althaus. Das Feedback aus der Gastronomie sei sehr positiv gewesen, und bald habe man auch aus dem Handel deutliches Interesse gespürt. Ein großer LEH-Konzern habe sogar schon Monate vor der geplanten Offtrade-Einführung um Belieferung gebeten – musste sich aber gedulden. Inzwischen ist der Roll-out in vollem Gange, laut Althaus ist Déjà-Vu bereits in mehreren tausend Outlets zu haben. Neben zahlreichen Zweitplatzierungen sind für 2023 im LEH 300 Verkostungen geplant.
Seit Ende Juni läuft unter dem Motto „Unvergesslich einladend“ die erste Kampagne für die Marke. In kurzen Werbeclips überraschen Gastgeber ihre Gäste mit neuen Aperitif-Ideen. Bis zum Jahresende sollen so über 100 Millionen Kontakte erreicht werden. Parallel dazu werden die Aktionen in der Gastronomie und bei Events fortgesetzt.
Bedeutende Position im Aperitifmarkt
In die Marke setzt Katharina Schwarze einige Hoffnung. „Wir streben eine relevante Rolle in dem wichtigen Aperitifmarkt an“, betont die Firmenchefin. „Déjà-Vu gehört definitiv zu unseren Investitionsprojekten.“ Ein großer Wunsch wäre, den orange-roten Aperitif in den nächsten fünf Jahren zur drittgrößten Marke im Portfolio – nach Three Sixty und der Distributionsmarke Licor 43 – aufzubauen. Angesichts wechselnder Trends könnte diese Position allerdings auch eine andere Innovation einnehmen, wer weiß das schon.
„Man muss immer Augen und Ohren offenhalten“, sagt Katharina Schwarze, die sich das Motto ihres Vaters „Stillstand ist Rückschritt“ zu eigen gemacht hat. Er sei schon immer ein „Innovator mit Weitsicht“ gewesen, daran will sie sich orientieren. Im Übrigen möchte sie sich selbst nicht zu wichtig nehmen, bescheiden bleiben. In einer so alten Firma sei jeder nur „der Babysitter“, der das Unternehmen behüte und fit halte für nachfolgende Generationen.