Seit gut fünf Wochen ist Cannabis nun in Deutschland – zumindest teilweise – legal. Wird es bald auch hierzulande THC-Getränke geben? Trinken die Deutschen dann weniger Alkohol? Und wo dürfen die Substanzen überhaupt konsumiert werden? Während die Antworten darauf wohl noch eine Weile auf sich warten lassen, blicken viele, auch in der Getränkebranche, voller Spannung nach Kanada, wo Marihuana bereits seit 2018 erlaubt ist.
Dort hat die Freigabe in kurzer Zeit zur Einführung einer Fülle neuartiger Mixgetränke geführt. So brachte der Getränkehersteller Truss Beverages aus der Provinz Ontario unter den Markennamen XMG, Little Victory, Mollo und Bedfellows mit THC und CBD angereicherte – alkoholfreie – Drinks in verschiedensten, meist fruchtigen Geschmacksrichtungen sowie unterschiedlichen, genau definierten Wirkungsstärken auf den Markt. Truss ist ein Joint Venture des Braukonzerns Molson Coors und des Cannabis-Unternehmens Hexo.
THC-Drinks bald auch in Deutschland?
Kein Wunder, dass sich angesichts der Chancen einer völlig neuen Kategorie auch hierzulande schon Unternehmen in Stellung bringen, um unter den Pionieren zu sein, falls denn Cannabis-Auszüge auch bei uns als Getränkezusätze zugelassen werden. So diskutiert etwa das Unternehmen „Good Drinks“ aus Hamburg gerade, ob THC in seinen Drinks eine sinnvolle Markenergänzung sein könnten, wie Miteigentümer Frank Maßen berichtet.
Good Drinks ist bislang beispielsweise mit Wodka und Energy-Drinks auf dem Markt. An dem Start-up sind bekannte Hamburger Gastronomen wie Axel Strehlitz und John Schierhorn beteiligt, die beide tief in der lokalen Clubszene verwurzelt sind. Maßen sieht THC als logische Weiterentwicklung für eine Marke, die das Feiern in ihrer DNA habe, doch „die Überlegung, eine THC-Variante einzuführen, wirft viele Fragen auf, besonders im Hinblick auf das Markenimage und die Akzeptanz“, weiß Maßen.
Derzeit werde intern diskutiert, wie man diese potenzielle Erweiterung handhaben könnte, ohne das Wesen der Marke, die stark mit der Clubkultur verbunden ist, zu beschädigen. Man sei in intensiven Gesprächen mit den Lizenzgebern des Klubkombinats Hamburg, das die Marke zusammen mit Good Drinks ins Leben gerufen hat, um als Social Business die lokale Clubszene zu unterstützen (wir berichteten).
Potenzielle Hersteller wären sicherlich auch die Brauereien. Doch dass viele Brauereien auf den Cannabis-Zug aufspringen könnten, hält der Deutsche Brauer-Bund für unwahrscheinlich. „Deutschland ist und bleibt das Land der Biertrinker. Mit 1.500 Brauereien und fast 8.000 Marken haben wir eine weltweit einmalige Biervielfalt,“ sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Bier sei weiterhin das Nationalgetränk, wenn auch der Konsum seit Jahren rückläufig sei, wie in vielen anderen Ländern Europas.
„Edibles“ laut EU-Recht noch verboten
Abgesehen davon wäre eine Einführung bis jetzt auch rechtlich noch nicht möglich, denn Getränke mit THC oder CBD fallen in der EU unter „Edibles“; darunter versteht man Lebensmittel und Getränke, die Cannabis enthalten. Sie seien deshalb von der Novel-Food-Verordnung betroffen, erklärt der Geschäftsführer des Cannabisverbandes Bayern, Wenzel Cerveny. Das bedeute, erst wenn sie von der EU als unbedenklich geprüft wurden, können sie in Verkehr gebracht werden.
„Das ist etwas, was ein kleiner Hersteller nicht leisten kann – diese Prüfung müsste ein großes Unternehmen anstoßen“, so Cerveny. Er selbst arbeitet gerade mit der kleinen Brauerei „Unertl“ aus Mühldorf am Inn an einem alkoholfreien Bier mit Hanfextrakt. Allerdings ohne THC oder CBD, sondern mit dem Hanf als besonderem Geschmack.
Zur näheren Erklärung heißt es von der EU, für die Einzelsubstanz CBD (Cannabidiol) sei bisher kein nennenswerter Verzehr vor dem 15. Mai 1997 belegt. Sie werde daher im Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission unter dem Eintrag „Cannabinoide“ als neuartig beurteilt und bedürfe somit einer eigenen Zulassung. Solange diese nicht vorliege, seien derartige Erzeugnisse nicht verkehrsfähig. Das gleiche gilt auch für THC-haltige Produkte.
Alkoholkonsum in Kanada nach Legalisierung gesunken
Nicht nur neuartige Produkte könnten die deutsche Getränkeindustrie betreffen, sollten sie in Zukunft erlaubt werden. Wiederum am Beispiel Kanada ist vielmehr deutlich zu sehen, dass der Cannabiskonsum direkten Einfluss auf das Trinkverhalten der Verbraucher hat. So hat eine gemeinsame Studie der University of Manitoba, der Memorial University und der University of Toronto ergeben, dass die Kanadier deutlich weniger Alkohol trinken, seit sie legal Cannabis konsumieren dürfen.
Die in der Fachzeitschrift „Drug and Alcohol Dependence“ veröffentlichte Studie beobachtete beispielsweise nach der Legalisierung einen durchschnittlichen monatlichen Rückgang des Bierkonsums von 136 Hektolitern pro 100.000 Personen. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Substitutionseffekt“, bei dem sich Konsumenten für Cannabis anstelle von Bier als Rauschmittel ihrer Wahl entscheiden.
Mix mit Alkohol nicht ratsam
Beides zusammen gilt unter „Kennern“ auch als wenig bekömmlich. So rät selbst Truss Beverages auf seiner Webseite vom Konsum seiner THC-Getränke im Mix mit Alkohol ab und beruft sich dabei auf Empfehlungen der kanadischen Gesundheitsbehörde. Immer wieder geht es in der Produktbeschreibung im Zusammenhang mit der Dosierung darum, ein „kontrolliertes und vorhersehbares Konsumerlebnis“ zu gewährleisten.
Wie stark sich die Cannabis-Legalisierung auf die Alkoholindustrie auswirken kann, zeigt ein Blick in das Haushaltsjahr 2022/23. Demnach erhielt Kanada mehr Verbrauchssteuereinnahmen aus Cannabis (660 Millionen Dollar) als aus Wein (205 Millionen Dollar) und Bier (450 Millionen Dollar) zusammen.
Ob sich die Branche auch hierzulande auf ähnliche Verschiebungen einstellen muss, ist noch völlig offen. Eher gelassen gibt sich der Deutsche Brauer-Bund: Es sei noch viel zu früh, über mögliche Auswirkungen zu spekulieren, betont DBB-Chef Eichele. „Es gibt zwar Studien aus dem Ausland, wo Märkte genauer untersucht worden sind. Diese Studien lassen sich aber nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, dafür sind die Ausgangslagen viel zu unterschiedlich. Wir rechnen hierzulande nicht mit sichtbaren Effekten.“
Wo rauchen erlaubt ist, darf man auch kiffen
Bereits sehr aktuell ist indessen die Frage, wie man in der Gastronomie mit Marihuana-Konsumenten umgehen soll; sie wird landauf, landab hitzig diskutiert. Während der Genuss der Droge in Innenräumen zumeist verboten ist, besteht in Außenanlagen und beispielsweise Biergärten ein Gestaltungsspielraum.
Vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) heißt es dazu, erste Rückmeldungen aus der Branche zeigten eine Tendenz, den Konsum von Marihuana nicht zu gestatten. Die Rechtslage ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, weiß der Dehoga-Geschäftsführer und -Rechtsexperte Jürgen Benad: „Dort, wo nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesländer das Rauchen noch erlaubt ist, ist auch Cannabis-Konsum grundsätzlich gestattet.“
Klar sei aber auch: „Jeder Gastronom darf aufgrund seines Hausrechts den Gästen den Konsum von Cannabis – auch in Raucherkneipen – verbieten“, so Benad. Das gelte auch in der Außengastronomie. „In unmittelbarer Gegenwart“ minderjähriger Personen dürfe Cannabis nicht konsumiert werden. Was darunter konkret in der Gastronomie zu verstehen sei, werde im Einzelfall nicht einfach abzugrenzen sein.
Null Toleranz oder Laissez-faire?
Während beispielweise die Biergärten in München aufgrund der bayerischen Null-Toleranz-Politik bis auf weiteres konsumfrei bleiben werden, ist man in Berlin aufgeschlossener. „Seitdem das Cannabisgesetz gebilligt wurde, gilt der Konsum von Cannabis in der Gastronomie als gleichbedeutend mit dem Konsum von Zigaretten und anderen Tabakprodukten“, sagt Tony Ettelt-Brundiers, Geschäftsführer des „Zenner“, eines kulturgastronomischen Ensembles aus Weingarten, Biergarten, Bio-Eisdiele, Konzertsaal, Klub-Space und Eventlocation in der Hauptstadt.
„Wir stellen dieses Gesetz nicht in Frage“, so Ettelt-Brundiers. „Unabhängig davon, was unsere Gäste in den Außenbereichen des Zenner rauchen, bitten wir Jede und Jeden um ein rücksichtsvolles Miteinander insbesondere dann, wenn sich andere Gäste durch den Rauch eines anderen, welchen Ursprungs auch immer, gestört fühlen könnten.“ Dieses Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme funktioniere im Zenner seit mehr als 200 Jahren erstaunlich gut, woran auch die angesprochene Gesetzesnovelle nichts ändern sollte, so der Geschäftsführer.
Wie stark am Ende Cannabis die Getränkebranche und das gesellschaftliche Leben rund ums Getränk verändern wird, steht wohl noch völlig in den Sternen.