Craftbier könnte dank neuer Konzepte im kommenden Jahr ein Comeback feiern und doch noch seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft nehmen. Davon zeigten sich Branchenexperten überzeugt, die sich am Dienstag zum „Braufactum Talk & Taste“ in Berlin trafen. Zum dritten Mal und erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie hatte Braufactum-Geschäftsführer Dr. Marc Rauschmann zu dem Infotainment-Format eingeladen.
Nach der Pandemie sehnten sich die Deutschen nach gemeinschaftlichen Erlebnissen und seien wieder bereit, Geld für Gastronomiebesuche auszugeben, berichtete Ulrich Köhler, Geschäftsführer der Trend- und Innovationsberatung „Trendbüro“. Konsumenten würden dabei sehr bewusst entscheiden, was sie sich gönnen.
„Wir sehen, dass Erlebnis-Gastronomie eine immer größere Rolle spielt“, ergänzte Mirco Alexander Nikolitsch von der BMB-Gruppe, die mehr als 30 Gastronomie-Konzepte in Berlin betreibt. Craftbier trage mit seinem Facettenreichtum und der Freude am Probieren dazu in hohem Maße bei und spreche auch jüngere Menschen an, die offen sind, Neues zu probieren.
Dass Craftbier in Deutschland bislang bei weitem nicht so erfolgreich war wie viele hofften, führen Branchenkenner unter anderem auf das unübersichtliche Angebot an hierzulande unbekannten Bierstilen und auf vielfach geschmacklich sperrige Biere mit wenig „Drinkability“ zurück. „Um am Markt eine Chance zu haben, muss Craftbier auch den ,normalen‘ Biertrinker erreichen“, sagte Dirk Omlor von Getränke News. „Die Hemmschwelle ist nach wie vor groß, die Biere erklärungsbedürftig und komplizierte Namen fördern nicht gerade die Probierfreude. Vielleicht ist hierzulande sogar der Name Craftbier zu sperrig“, gibt Omlor zu bedenken. Um die Biertrinker nicht zu überfordern, müsse die Komplexität reduziert werden. Dieser Weg wird nun offenbar vielerorts gegangen. „Um Genießer auch im Handel zu überzeugen und die Auswahl zu erleichtern, konzentriert sich die Branche zukünftig auf das Wesentliche“, so Dr. Marc Rauschmann.
Gefälligere Biere sollen breite Zielgruppe ansprechen
So biete Braufactum derzeit ein Sortiment von drei Bierstilen – Pale Ale, India Pale Ale und Brown Ale. „Wir verfolgen das Ziel, mit leichter zugänglichen, aber herausragenden Bieren eine breite Zielgruppe anzusprechen und geschmacklich zu überzeugen.“ Aufklärungsarbeit in Sachen Craftbier leistet auch der Verband der Diplom-Biersommeliers. „Wir haben von Anfang an den Fokus darauf gelegt, der Branche, aber auch der Gesellschaft die Wertigkeit von Bier zu vermitteln, sodass wir es mittlerweile geschafft haben, dass viele Menschen wissen, welche Facetten Bier hat“, betonte Geschäftsführerin Nicola Buchner.
Für das kommende Jahr erwartet die Expertenrunde eine positive Entwicklung. Trotz der düsteren wirtschaftlichen Prognosen könnte 2023 zum „Jahr der Erlebnisse“ werden, glaubt Trendforscher Ulrich Köhler. Dazu gehörten gutes Gastgebertum im Privaten ebenso wie Erlebnisse in der Gastronomie, in deren Umfeld Craftbier eine „besondere Bereicherung“ sei. Dabei sollten sich all jene Craftbier-Brauer, die ohnehin schwere Jahre der Pandemie hinter sich haben, nicht entmutigen lassen, so Bierexperte Dirk Omlor. „Wenn es ihnen gelingt, mit gastronomischer Konzeption und einem ausgeglichenen Portfolio ihre Gäste zu überzeugen, haben sie ihr Geschäftsmodell selbst in Händen, um es erfolgreich weiterzuentwickeln.“
Als die Craftbrauer vor Jahren antraten, um den deutschen Biermarkt zu erobern, war die Euphorie groß, Marktkenner prognostizierten dem jungen Segment zweistellige Marktanteile. Doch die Kategorie tat sich im Bierland Deutschland schwerer als erwartet, und die Pandemie schwächte die meist kleineren Brauereien zusätzlich. Heute liegt der Marktanteil von Craftbier im Handel deutlich unter den relevanten 0,5 Prozent.
Über Braufactum
Braufactum wurde 2009 als Anbieter hochwertiger Bierspezialitäten gegründet und gilt damit als einer der Pioniere der deutschen Craftbier-Szene. Die eigenständige Tochter der Radeberger Gruppe zeigte sich seitdem als wesentlicher Treiber der Kategorie in Deutschland. Die Biere von Braufactum sind deutschlandweit im Handel und in der Gastronomie erhältlich. Das Unternehmen betreibt in Berlin zwei gastronomische Objekte, wo Craftbier in Kombination mit passenden Speisen angeboten wird.