Durch die deutsche Brauwirtschaft geht ein Raunen: Nach gleichlautenden Informationen aus dem Handel will die Radeberger Gruppe zum 1. Mai 2022 die Bierpreise um rund 6 Euro pro Hektoliter erhöhen. Die große Frage: Wird Bier im Sommer 2022 flächendeckend teurer? Zuletzt hatten sich die Preise im deutschen Handel 2018 erhöht.
Werden andere Brauer auch erhöhen?
Soeben haben die Jahresgespräche der deutschen Brauer in den Zentralen des Lebensmittelhandels begonnen und die Key-Accounter von Krombacher, Bitburger & Co. dürften sich in den nächsten Wochen mit der immer gleichen Frage konfrontiert sehen, ob auch sie eine Bierpreiserhöhung zum Frühsommer 2022 planen. Der Zeitpunkt im Frühsommer 2022 wäre günstig gewählt. Noch im April kann der Getränkefachgroßhandel die Nach-Osterwochen nutzen, um reichlich Ware zu alten Konditionen zu ordern, ehe der Reinverkauf in das bierintensive Frühsommergeschäft beginnt.
Oetkers Biersparte hat mit dem branchenweit hörbaren Ziel einer Preiserhöhung seiner Radeberger Gruppe ein deutliches Signal gesetzt. Zwar gilt die Brauereigruppe mengenmäßig als Marktführer, verfügt jedoch über keine Marke im Top 5-Ranking, das von Krombacher mit einem Jahresausstoß von zuletzt leicht unter sechs Millionen Hektoliter angeführt wird. An einer Preiserhöhung wollen die Zwischenstufen des Handels üblicherweise über Ausgleichszahlungen mitverdienen.
Die ganze Branche schaut auf Krombacher
Der ungewöhnlich lange Vorlauf kommt nicht ungefähr – die Bedenkzeit bedarf keiner eiligen Entscheidung und kann weitsichtig vorbereitet werden. Jetzt hofft die Führung in der Frankfurt Zentrale von Radeberger offenbar, dass weitere Brauereien im neuen Jahr rasch nachziehen werden, auch um die Ertragskraft der eigenen pandemiegebeutelten Standorte verbessern zu können. Gegenwärtig liegt der Netto-Rampenpreis für Flaschenbier je nach Radeberger Konzernmarke um die 110 Euro pro Hektoliter, so dass die Preiserhöhung den Kastenpreis am Point of Sale um einen Euro anheben könnte – die Aktionspreise für Premium-Bier würden dann wieder deutlich über die 10-Euro-Marke schnellen.
Risiko von hohen Mengenverlusten
Sollte allerdings keine der großen Marke folgen, besteht für Oetkers Biermarken das Risiko, mit dem geplanten Stichtag im harten Wettbewerb erhebliche Mengenverluste zu erleiden. Schon jetzt ist klar, dass die Branche in den nächsten Wochen aufmerksam nach Krombach schaut, ob sich Inhaber Bernhard Schadeberg in dieser Frage bewegt und alsbald Bereitschaft zeigt, dem Oetker-Vorpreschen zu folgen.
Noch in dieser Woche hatte er als Chef Deutschlands ausstoßstärkster Biermarke vor dem 6. Kartellsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf als Zeuge ausgesagt und dabei das Preisverhalten der nordrhein-westfälischen Topmarken als entscheidend für seine unternehmerische Entscheidung genannt. Marken aus dem Oetker-Vertriebskoffer gehörten ebenso wenig dazu wie die der beklagten Carlsberg-Gruppe („Holsten“). Es bleibt also spannend, ob der Brauwirtschaft zu guter Letzt eine branchenweite Preisrunde bevorsteht. Erst wenn die attraktiven Premium-Pils-Marken eine Erhöhung anstreben, trauen sich üblicherweise auch die regionalen Brauer von Kölsch, Weißbier und Hellem aus der Deckung und ziehen auf breiter Front nach.
Einkaufskosten zuletzt erheblich gestiegen
Die Preiserhöhung kommt angesichts der jüngsten Entwicklung und des politischen Drohpotenzials eines kostspieligen Emissionshandels nicht überraschend. Tatsächlich litten die Brauereien seit Pandemiebeginn unter steigenden Einkaufskosten für Rohstoffe und Emballagen. Vor allem die Kosten für Energie stiegen bereits rasant an. Der Braubetrieb gilt energetisch seit jeher als hochaufwendig und damit kostensensibel. Es dürfte deshalb ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen sein, bis eine neue Preisrunde folgt.
Die letzte Preiserhöhung für Flaschenbier im Handel liegt drei Jahre zurück und wurde im Frühjahr 2018 durchgesetzt. Auch damals wurden innerhalb eines mehrwöchigen Korridors die Preise nahezu aller Biermarken wie Warsteiner oder Beck‘s erhöht. Für den Verbraucher hatte das nur vorübergehende Wirkung. Seit Beginn der Pandemie hatten die Bierpreise im deutschen Handel erneut eine Erosion erlebt, weil die unterschiedlichen Vertriebsschienen mit dem Aktionspreis unter 10 Euro der nachgelassenen Besuchsfrequenz der Käufer entgegenwirken wollten. Damit bewegt sich das Aktionspreisniveau in Deutschland aktuell weiter auf dem Niveau wie zu D-Mark-Zeiten.