Das Influencer-Marketing ist in Bewegung geraten. Neben den ergänzten Leitlinien des Deutschen Werberats, die seit Anfang August mehr Sicherheit für die Unternehmen bringen sollen, hält auch die KI Einzug in die neuen Werbeformate. Über die aktuellen Entwicklungen und die wachsende Bedeutung der Influencer-Werbung sprach Getränke News mit Marketingexperten der Getränkebranche.
Rotkäppchen-Mädelstrip nach Dresden, Tortenrezept mit Baileys, Pärchen-Picknick mit Somersby Cider: In sozialen Medien stößt man immer öfter auf von Influencern verbreitete Markenkommunikation – auch bei den alkoholischen Getränken. „Influencer-Marketing ist nicht mehr aus dem Marketing wegzudenken und vor allem für die nahbare, authentische Kommunikation einer Marke essenziell“, fasst Anne Schmidt, Pressesprecherin von Rotkäppchen-Mumm, zusammen, warum diese Art der Werbung immer wichtiger wird.
Es gehe darum, „die echten Momente zu zeigen, die rund um unsere Marken entstehen“, gefragt seien echte Empfehlungen der „Brand Lover“ statt langweiliger Aufzählungen von Produkteigenschaften. Noch deutlicher bringt es Christoph Boneberg auf den Punkt, Digital Marketing Manager von Carlsberg Deutschland: Mit richtig ausgewählten Influencern sei es möglich, „aus der Masse hervorzustechen und den natürlichen Filter der jungen Zielgruppe gegenüber werblichen Inhalten zu umgehen“.
Influencer in Zukunft immer wichtiger
Die Entwicklung sei „rasant“, man habe die Zusammenarbeit mit Influencern und Creators in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut, teilt auch das Diageo-Marketing auf Anfrage von Getränke News mit. Als geradezu unverzichtbar, insbesondere für junge, internationale Marken wie Somersby oder 1664 Blanc, bezeichnet Carlsberg-Fachmann Boneberg die noch relativ junge Art der Markenkommunikation. In diesem Jahr kooperiert das Unternehmen mit 16 Influencern, und „wir gehen von einem weiteren Wachstum dieses Feldes aus“, so Boneberg.
„Seit den 2000er Jahren hat sich hier ein Markt entwickelt, der kontinuierlich wächst“, berichtet auch Sebastian Lambeck, Pressesprecher des Deutschen Werberats. Insgesamt würden 2024 die Ausgaben über alle Branchen hinweg laut Statista in Deutschland voraussichtlich etwa 650,9 Millionen Euro erreichen; bis 2029 rechnen die Marktforscher mit einer Erhöhung auf 988,4 Millionen Euro. Für den Alkoholsektor liegen keine eigenen Daten vor, hier sei der Anteil aber noch „relativ gering“.
Strengere Regeln unerlässlich
Dennoch bewog offenbar die ansteigende Kurve das Gremium, seine Social-Media-Leitlinien für die Branche zu überarbeiten; so wurde zum 1. August darin ausdrücklich festgeschrieben, dass die Hersteller alkoholischer Getränke die für sie tätigen Influencer daraus hinweisen müssen, dass im Kontext von kommerzieller Kommunikation die Verhaltensregeln des Werberats einzuhalten sind, die dafür sorgen, dass Altersgrenzen (der Macher und ihrer Follower) beachtet werden, ausschließlich ein moderater Konsum gezeigt und Alkohol beispielsweise nicht in Kontexten mit Sport oder Autofahren beworben wird. Im Falle eines Verstoßes muss das Unternehmen von seinen Partnern die Löschung der betreffenden Inhalte verlangen.
Eine Entscheidung, die von den Herstellern durchgehend begrüßt wird. Die neuen Vorgaben seien „eine nützliche Ergänzung zu unseren kontinuierlichen Bemühungen, verantwortungsvolles Marketing für unsere Produkte zu betreiben“, kommentiert Peter Lemm, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Krombacher, die Ergänzung. Die Brauerei unterstütze ganz entschieden das Ziel, Kinder und Jugendliche vor Alkohol zu schützen. Von einem „wichtigen Schritt und wertvollen Rahmenbedingungen“ spricht auch Anne Schmidt von Rotkäppchen-Mumm. Nach vielen der Regeln lebe man bei Carlsberg schon lange und achte konsequent auf deren Einhaltung, unterstreicht Christoph Boneberg – und spricht damit offenbar für weite Teile der Alkoholindustrie.
Fast alle Beiträge ohne Beanstandung
Tatsächlich bestätigt auch der Deutsche Werberat die hohe Akzeptanz bei den Herstellern. Er hat 2022 und 2023 jeweils im Dezember umfangreiche Untersuchungen zu dem Thema durchführen lassen. Darin wurden kommerzielle Beiträge von Influencern auf Youtube, Tiktok und Instagram systematisch geprüft. Insgesamt fand man in der Studie nur einen einzigen Beitrag, der nicht den Vorgaben entsprach; konkret wurde in einer Instagram-Story der missbräuchliche Alkoholkonsum verharmlost. Besonders überraschend ist die niedrige Zahl nicht – legen doch alle seriösen Unternehmen bereits seit vielen Jahren größte Anstrengungen darauf, sich in ihren Auftritten ethisch korrekt zu verhalten. So verweist etwa Diageo ausdrücklich darauf hin, bereits seit über zwei Jahrzehnten sogar einen eigenen Marketing-Codex zu definieren.
Die aktuellen Erkenntnisse des Werberats bestätigen zugleich auch, dass sich Influencer-Marketing in den letzten Jahren deutlich verändert und professionalisiert hat. Anfangs habe man primär auf Beziehungsmanagement und persönlichen Austausch gesetzt. An gute Kontakte, gepaart mit Tauschgeschäften, in denen es Reichweite einfach gegen Waren oder Einladungen zu Events gab, erinnert sich Christoph Boneberg aus den Anfängen des Influencer-Einsatzes bei Carlsberg vor etwa acht Jahren. Heute hingegen sei die Zusammenarbeit mit Creators „ein klassischer Part des Marketing-Mixes“.
Mehr Freiheit für eigene Inhalte
Einen starken Wandel über wenige Jahre beobachtet auch das Diageo-Marketing: Zu Beginn stand für das Unternehmen die Reichweite seiner Partner im Vordergrund, heute seien Authentizität und Zielgruppenrelevanz ausschlaggebend. Bei der Entwicklung der Inhalte bewegte man sich von starren Briefings hin zu einer Co-Kreation, bei der die Influencer die Freiheit hätten, „unsere Botschaften auf ihre eigene Art und Weise an die Communities der verschiedenen Plattformen zu senden“.
Damit solche Kampagnen von Erfolg gekrönt sind, kommt es dabei immer auch darauf an, wie gut ein Creator zu einer Marke passt. Das ist Carlsberg-Experte Boneberg wichtig zu betonen. Ganz klar hat der Konzern definiert, was bei jeder einzelnen Marke im Fokus stehen soll; bei der Marke Carlsberg etwa sei es das Thema „Neue Dinge probieren“, bei Somersby Cider drehe sich alles um Festivals und bei der jungen Marke 1664 Blanc stünden Mode und Lifestyle im Mittelpunkt. Bei Marken wie Holsten, Wernesgrüner oder Astra verzichte man aktuell hingegen ganz auf Influencer.
Hingegen sieht Peter Lemm von Krombacher Chancen prinzipiell auch für nicht ganz so jung positionierte Marken: Mittlerweile seien alle Altersgruppen auf den sozialen Medien vertreten, auch ältere Zielgruppen. „Auch hier kann die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern und Influencern … sehr zielführend sein.“ Als vielversprechendste Plattformen, die in der Summe verschiedenste Nutzer abdecken, sieht er Instagram, Youtube, Pinterest und Facebook. Tiktok sei aktuell nur für Schweppes eine Möglichkeit, da die Marke dort als alkoholfreies Produkt präsent und aktiv sein darf. Bisher eher als „Teenie-Plattform“ in Erscheinung getreten, sei das Medium derzeit für alkoholische Getränke „keine Option“, unterstreicht auch Christoph Boneberg.
Bessere Lösungen für Altersschranken
Auch hier könnte es bald Erleichterungen für die werbenden Hersteller geben: Wie der Deutsche Werberat mitteilt, haben im Juni Google, Meta, Pinterest, Snapchat, Tiktok und X gemeinsam mit der Initiative „International Alliance for Responsible Drinking“ (IARD) angekündigt, bis 2025 technische Möglichkeiten zu entwickeln, damit Alkoholwerbung nicht mehr an Personen unterhalb des gesetzlichen Mindestalters für den Kauf von Alkohol ausgespielt wird. Da bisher Altersschranken noch nicht auf allen Medien verfügbar sind, liegt bislang vielfach noch eine größere Verantwortung allein bei den Produzenten.
Und noch eines ist klar: Die Möglichkeiten des Social-Media-Marketings werden sich auch künftig weiter verändern. Ein ganz neues Konzept fährt zum Beispiel derzeit Rotkäppchen-Mumm für seine Humboldt-Spirituosen. Auf Instagram setze man statt auf klassisches Influencer-Marketing auf Künstliche Intelligenz, berichtet Pressefrau Anne Schmidt: Namensgeber Alexander von Humboldt wird mit Hilfe von KI zum Leben erweckt und ins heutige Berlin katapultiert. Der Forscher und Entdecker passe bestens zu diesem topaktuellen Thema. Auch noch ein weites Feld, auf dem Marketingfachleute mit Kreativität und Fantasie neue Werbewelten erschaffen können.