„Das ist doch damisch!“ Dieser Ausdruck fällt oft, wenn Robert Vitti über die Anfangszeit seiner Brauerei spricht. Und damit meint er keinesfalls etwas Negatives – ganz im Gegenteil. „Damisch“ steht für ihn für die schiere Begeisterung der Menschen, die sein Bier bereits bei der Eröffnung in Scharen kauften. „Ich belieferte die Getränkemärkte, und die Leute standen bereits Schlange – noch bevor der Laden überhaupt geöffnet hatte. Das war einfach verrückt“, erinnert sich Vitti.
Deggendorfer Brauhaus klingt nach Tradition und Geschichte – doch tatsächlich gibt es die Brauerei gerade mal zwei Jahre. Und Brauereichef Robert Vitti ist ein Quereinsteiger, der aus dem Vertrieb und Marketing kommt, obwohl ihn das Thema Bier schon sein ganzes Leben lang begleitet. Doch offenbar hat die Stadt Deggendorf auf so einen wie Vitti nur gewartet – denn das Deggendorfer Brauhaus ist eine Erfolgsgeschichte, wie es sie in Zeiten von Brauereisterben und Rückgang des Bierkonsums nur selten gibt.
„Ich habe nie geplant, mich selbstständig zu machen“, erzählt Vitti. „Das war nie das Thema. Aber dann haben wir gesehen, dass es in Deggendorf seit 30 Jahren keine Brauerei gibt. Und ich dachte mir: 38.000 Einwohner und keine eigene Brauerei? Das kann doch nicht sein.“ Seine Frau, selbst eine gebürtige Deggendorferin, lachte nur, als Robert meinte, dass sie ihre eigene Brauerei aufmachen sollten. Doch der Spaß wurde ernst, und 2019 war der Grundstein gelegt.
Schon als Kind vom Brauen begeistert
Die Liebe zum Bier wurde Robert Vitti quasi in die Wiege gelegt. Er stammt aus einem kleinen Bauerndorf und wuchs praktisch in einem Brauereigasthof auf. Seine Mutter arbeitete dort mehr als 50 Jahre lang, und als kleiner Junge verbrachte Robert viele Stunden in der Brauerei, durfte mal Flaschen ausleuchten oder sah einfach zu, wie das Bier gebraut wurde. „Du wächst damit auf, du atmest es, Bier war schon immer Teil meines Lebens“, berichtet der Brauereichef.
Doch zunächst ging seine Karriere in eine andere Richtung – was vielleicht eines der Erfolgsgeheimnisse des 50-Jährigen ist. Robert Vitti ist Vertriebler durch und durch. Seine ersten Schritte machte er bei der Metro, wo er unter anderem für die Abteilung Spirituosen, Getränke und Bier zuständig war. Dann kam schon der Einstieg in die Bierbranche – in Form des Gastrovertriebs einer Brauerei. „Die Brauerei Bischofshof hat damals jemanden gesucht, der den Gastronomiebereich betreut. Da ich viele Wirte kannte, war das ein perfekter Einstieg“, erinnert sich Vitti. Es folgten weitere Stationen, darunter eine Position als Niederlassungsleiter in einem österreichischen Maschinenbauunternehmen, das ihn intensiv in Marketing und Vertrieb schulte.
In Regensburg übernahm Vitti eine leitende Position in der Spitalbrauerei. „Es war eine unglaublich spannende Zeit, ich habe alles Mögliche gemacht – von Vertrieb bis Marketing.“ Dann ging er zur Brauerei „Zum Kuchlbauer“ in Abensberg, knapp sechs Jahre als Brauereiverwalter der Spezialbrauerei Schierling, die „Zum Kuchlbauer“ gehört, sowie als Prokurist und Verkaufsleiter. Diese Zeit war von intensiven Erfahrungen geprägt, sowohl auf fachlicher als auch auf persönlicher Ebene. Vitti lernte, wie eine Brauerei von innen heraus funktioniert, und bekam tiefe Einblicke in die Herausforderungen und Chancen des Brauwesens.
Regionalität als Erfolgsrezept
Als dann seine Familie aus persönlichen Gründen in die Heimatstadt seiner Frau, Deggendorf, umsiedelte, entstand die Idee, dort das vakante Brauhaus wieder auferstehen zu lassen. „Es gab einige wenige Parameter, über die ich gesagt habe, wenn die passen, dann haben wir eine Chance“, berichtet Vitti. Das war zum einen der Name, „Deggendorfer Brauhaus“, den Vitti sich mit einigem Glück sichern konnte. Dann war da die Stadt mit 38.000 Einwohnern ohne Brauerei. „Und die Regionalität ist ein ganz wichtiges Thema“, so der Brauereichef weiter. „Die Einkäufer haben mich dann verbessert und gesagt, wir sind nicht regional, sondern lokal“, sagt er und lacht. Das sei für die Verbraucher ein ganz wichtiges Thema. „Wir haben einen tollen Namen, wir sind alleine hier und wir sind regional – damit haben wir eine Chance in diesem Verdrängungswettbewerb.“
Glück hat bei dem Unternehmen „Deggendorfer Brauhaus“ immer wieder eine große Rolle gespielt. Das ging schon bei der Ausstattung los. Vitti hatte das ideale Sudhaus bei einem Hersteller entdeckt und wollte es gerade kaufen, als er im Internet das gleiche gebraucht zu einem sehr günstigen Preis entdeckte. „Es war ein Glücksfall. Ich hatte keine großen Erwartungen, als ich die Anzeige sah, aber als ich die Details überprüfte, wusste ich sofort, dass es perfekt für uns ist.“ Am nächsten Morgen machte er sich mit einem Freund auf den Weg nach Stralsund, um das Sudhaus zu besichtigen und, wenn alles passte, zu kaufen. „Der Verkäufer sagte, wir müssten alles sofort abholen, weil die Halle geräumt werden musste. Also haben wir die Nacht durchgemacht, den Transport organisiert und am nächsten Morgen waren wir da. Es war eine verrückte Aktion, aber es hat sich absolut gelohnt.“
Ausrüstung aus ganz Deutschland zusammengetragen
Die Anlage ist ein klassisches Zwei-Geräte-Sudhaus, bestehend aus einem Maische- und einem Läuterbottich, die später durch den Erwerb eines zusätzlichen Whirlpools zu einem Drei-Geräte-Sudhaus erweitert wurde. „Durch den Whirlpool konnten wir die Effizienz des Sudprozesses erheblich steigern und die Qualität des Bieres verbessern“, erklärt Vitti. „Es ist nicht nur ein Nostalgieobjekt, sondern ein voll funktionsfähiges Herzstück unserer Produktion, das durch moderne Ergänzungen perfekt in unsere Abläufe integriert wurde.“
Auch die übrige Ausrüstung der Brauerei hat eine besondere Geschichte. Vitti kaufte zahlreiche Tanks von verschiedenen, mittlerweile geschlossenen Brauereien in ganz Deutschland. „Es ist eigentlich erstaunlich, wie viel Equipment man noch finden kann, wenn man bereit ist, zu suchen und flexibel zu sein.“
Auch sein Diplom-Braumeister Maximilian Vincenti sei ein echter Glücksfall, betont Vitti. „Max war Produktionsleiter in einer großen Brauerei und hat seine Karriere aufgegeben, um mit uns neu anzufangen. Er wollte nochmal etwas von Grund auf aufbauen, und das haben wir hier gemacht.“
Im ersten Jahr schon 4.000 Hektoliter
2024 wird das erste volle Jahr, in dem die neue Brauerei in Deggendorf Bier produziert – und der Erfolg stellt sich schneller ein als erwartet. „Wir werden im ersten Jahr etwa 4.000 Hektoliter produzieren. Die Resonanz ist fantastisch, wir konnten kaum mit der Nachfrage Schritt halten.“ Dabei legte Vitti besonderen Wert auf die Regionalität seiner Produkte: „Unser Bier ist für Deggendorf. Wir verstehen uns als Markenbotschafter für die Region.“ Seine Frau und sogar die Kinder helfen mit – sei es bei Brauereiführungen oder beim Ausschank bei lokalen Festen.
Mit zwei Biersorten, einem Hellen und einem Weißbier, hat die Brauerei bereits einen festen Platz in der Region eingenommen. „Nächstes Jahr wollen wir 6.000 Hektoliter erreichen“, sagt Vitti. Ein drittes Bier, ein Radler und ein Saisonbier sollen folgen. Besonders stolz ist er auf das positive Feedback der Menschen aus der Gegend: „Die Leute sagen, sie kaufen unser Bier, weil wir so nett sind. Natürlich hoffe ich, dass es ihnen auch schmeckt!“ Der persönliche Kontakt zu den Kunden ist Vitti besonders wichtig. Bei lokalen Veranstaltungen ist er oft selbst vor Ort und spricht mit den Menschen, um zu erfahren, was sie über sein Bier denken. Oder er radelt durch Deggendorf, um als Brauereichef präsent zu sein. „Wir wollen nah an den Menschen sein. Das ist es, was uns von den großen Brauereien unterscheidet.“
Viele neue Ideen für die Zukunft
Eine Erweiterung der Brauerei ist bereits in Planung. Vitti bekommt nun eine weitere Halle direkt an seiner Produktionsstätte, die es der Brauerei ermöglichen wird, ihre Kapazitäten deutlich zu erhöhen. „Es ist unglaublich, wie schnell sich das alles entwickelt hat. Vor zwei Jahren hätten wir uns das nicht träumen lassen“, erzählt er stolz.
Dann soll es auch einen Brauereiladen geben. „Wir möchten, dass die Leute ein Teil unserer Geschichte werden. Sie sollen sehen, wo ihr Bier herkommt und wer dahintersteht“, erklärt er. Auch Brauereiführungen sollen häufiger angeboten werden. „Das Interesse ist riesig, und es macht uns einfach Spaß, den Menschen zu zeigen, was wir hier machen.“