Seit Juni 2023 ist Stefan Blaschak CEO der Oettinger Getränkegruppe und treibt entscheidende Veränderungen voran. Im Interview mit Getränke News erklärt er, warum er auf internationale Partnerschaften setzt und wie Oettinger in einem schwierigen Marktumfeld bestehen will.
Getränke News: Sie sind seit Mitte letzten Jahres CEO bei Oettinger. Was waren die größten Herausforderungen, als Sie ins Unternehmen kamen?
Blaschak: Als ich ins Unternehmen kam, spürte ich an manchen Stellen historisch bedingt eine gewisse Verunsicherung. Wie Sie wissen, starb Anfang 2013 der Unternehmensgründer Günther Kollmar, nur knapp ein Jahr später sein Sohn Dirk Kollmar, der die Braugruppe weiterführen sollte. Dann kam Corona und anschließend der Krieg in der Ukraine und mit ihm enorme Kostensteigerungen in allen Bereichen. Aus diesen Gründen war das Unternehmen in Sachen Strategie und Struktur ein Stück weit stehen geblieben.
Getränke News: Sie haben dann relativ schnell einiges umgekrempelt …
Blaschak: Wir haben uns die Effizienz in der Produktion, der Supply Chain und der Logistik angeschaut und Programme aufgesetzt. Parallel dazu haben wir eine Strategie entwickelt, wie wir das Unternehmen für die Zukunft ausrichten. Dazu gehörte auch, unsere Selbstständigkeit zurückzugewinnen, indem wir die Banken ausgetauscht haben. Im Handelsjargon würde man sagen, wir haben die Banken ausgelistet. Wir glauben an diese Strategie, gehen unseren eigenen Weg und haben eine klare Idee. Wir verfolgen jedoch keine Acht-Jahres-Pläne, wie das neulich in der Fachpresse stand.
Getränke News: Warum ausländische Banken? Gab es keine Möglichkeit, diese Finanzierung über deutsche Banken zu erhalten, oder waren deutsche Institute nicht mehr bereit, Oettinger zu unterstützen?
Blaschak: Die Welt war nie so, dass Banken kommen und einfach so Geld zur Verfügung stellen. Ausländische Banken sind seit vielen Jahren auch im deutschen Markt vertreten und kennen unser Unternehmen ebenso wie die deutschen Banken.
Wir konnten uns die Banken aussuchen und haben selbst festgelegt, mit wem wir zusammenarbeiten wollen. Diesen Status hat sich das Unternehmen über die Jahre hinweg selbst erarbeitet.
Getränke News: Nach welchen Kriterien sind Sie da vorgegangen?
Blaschak: Wir wollten Banken, die unser neues Geschäftsmodell unterstützen. Wir sind die Nummer 25 der Welt. 40 Prozent unseres Geschäfts machen wir im Ausland und sind in beinahe 100 Ländern vertreten. Dieses Geschäft wollen wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen und unsere Fokusländer intensiv bearbeiten. Dazu brauchen wir Partner und keine geschäftshemmenden Mitläufer. Wir haben jetzt zwei ausländische Banken, die uns auch im Ausland vor Ort unterstützen können und die uns auf unserem Weg begleiten.
Getränke News: War die Bedingung für eine Zusammenarbeit, dass sich Oettinger breiter aufstellt oder hat man sich breiter aufgestellt und sich dann die Banken gesucht, die da mitziehen?
Blaschak: Keine Bank sagt, du musst das aber so und so machen. Das ist nicht deren Job. Wie tickt eine Bank? Die schauen sich das Geschäftsmodell an und entscheiden, ob sie ihm vertrauen. Dann schauen sie sich die Kennzahlen an. Wenn man in unsere Bilanz schaut, sieht man, dass wir in der Lage wären, die Banken jetzt abzulösen.
Getränke News: Bis 2026 soll der Anteil der Eigenmarken am Umsatz im Ausland auf 50 Prozent steigen. Wie wollen Sie das im Ausland umsetzen, wo die Markenbindung oft stärker ausgeprägt ist als bei uns?
Blaschak: Wir haben uns die Märkte angeschaut und Wachstumsfelder definiert. Um unser Strategievorgaben zu erfüllen, müssen wir die Marktanteile im Ausland verdoppeln. Unser Vorteil ist aber, dass wir bereits seit vielen Jahren in den ausländischen Märkten sind, es ist also kein Kaltstart. Wir glauben, dass wir dort mit professionellen Partnern und Investments gut vorankommen.
Getränke News: Das hört sich einfach an …
Blaschak: In Italien zum Beispiel werden drei Viertel des Bieres in der Glaseinwegflasche verkauft. Wir füllen aber bisher nicht in Glaseinwegflaschen ab. Wie groß wären die Möglichkeiten, wenn wir dort auch in dieses Gebinde einsteigen würden? Das alles ist nun in Vorbereitung. Dafür werden wir die richtigen Partner finden, die unsere Erwartungshaltung teilen.
Getränke News: Sie setzen auch auf China. Viele Brauer, die dort anfangs gute Geschäfte gemacht haben, mussten inzwischen Lehrgeld zahlen …
Blaschak: Das Chinageschäft ist riskant, wenn Sie, wie die Autohersteller, dort 30 Prozent Ihres Umsatzes machen. Wir sind seit zehn Jahren sehr erfolgreich in China. Die Chinesen kennen Oettinger, und unsere Möglichkeiten, das Geschäft dort weiter auszubauen, sind groß.
Getränke News: Zurück zum deutschen Markt. Die Preissteigerungen der letzten Jahre haben den Preisabstand von Oettinger zu Premium-Marken verringert. Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen dieser Entwicklung auf Ihr Geschäftsmodell ein?
Blaschak: Der Aktionsanteil der großen Premiummarken im Lebensmittelhandel liegt heute bei über 70 Prozent. Jede dritte Flasche wird also in der Aktion gekauft, egal was an den Preisschildern steht. Das ist für uns kein neues Phänomen.
Warum kaufen die Leute dennoch Oettinger? Weil unsere Preise im Handel stabil sind. Deshalb haben wir in unserem neuen Logo das Wort „fair“ integriert, weil wir bis auf wenige Ausnahmen nahezu konstante Preise haben. Unser Aktionsanteil liegt unter 30 Prozent. Oettinger gibt es immer zum gleichen Preis. Der Kunde ärgert sich nicht, wenn er eine Kiste Bier für 16 Euro gekauft hat, die wenige Tage später für zehn Euro im Angebot ist.
Getränke News: Die Brauer schieben die Schuld für die vielen Aktionspreise auf den Handel …
Blaschak: Viele Brauer versuchen, durch die Erhöhung der Aktionsfrequenzen höhere Volumina abzusetzen. Das ist der falsche Weg, aber viele denken immer noch wie früher in Hektolitern. Wenn ich immer wieder versuche, die Absatzrückgänge mit Aktionen zu kompensieren, dann ist das am Ende eine Sackgasse.
Böse Zungen behaupten, dass der Grund für die Pleite der Real- und Praktiker-Märkte die hohe Aktionsfrequenz war, weil sie dadurch sehr viele illoyale Verwender hatten. Das Problem sehe ich in der Bierbranche auch. Ich glaube, dass in den nächsten fünf Jahren sicherlich zwei, drei große Brauer fallen werden. Und Oettinger wird nicht dazugehören.
Getränke News: Weil Sie einen fairen Preis kommunizieren?
Blaschak: Was ist der Erfolg der Discounter? Ein Konsument geht monatlich im Schnitt in fünf Stores – zwei normale Supermärkte, drei Discounter. In die Discounter geht er, weil er weiß, dort gibt es immer verlässlich niedrige Preise. Ich habe dort immer den besten Preis und kann unbesorgt einkaufen. Am Monatsanfang oder am Monatsende, wenn er noch genügend Geld übrighat, geht er eher in den normalen Supermarkt, weil er dort auch einmal eine Line-Extension bekommt, die es im Discounter nicht gibt. Dann geht er mit dem Angebotszettel in den Markt und sucht sich das Beste aus.
Wenn sie das auf uns übertragen, wissen die Leute, wir haben einen fairen Preis und bieten eine hohe Qualität. Deshalb kaufen uns die Leute.
Getränke News: Mit dem Sortiment unter der Marke „Oe“ gehen Sie neue Wege. Wie war bislang das Feedback auf Protein-Soda?
Blaschak: Wir sind mit den Produkten bewusst zunächst in die Spätis und ähnliche kleine Geschäfte gegangen und bekommen von dort ein sehr positives Feedback. Die Verkäufe sind gut, die Rotation ist perfekt. Wir geben den Produkten aber genügend Zeit und verramschen sie nicht über Aktionen.
Getränke News: Eine Kategorie mit Zukunft?
Blaschak: Viele Ernährungskonzepte empfehlen, neben den Mahlzeiten täglich Proteine zu sich zu nehmen. Das kommt immer mehr bei den Leuten an. Wir müssen uns mit anderen Getränkekategorien beschäftigen. Andere Getränkehersteller haben den Brauern inzwischen mit neuen Getränkekategorien den Rang abgelaufen, weil sie sich mit der Zukunft beschäftigt haben. Für uns ist klar: Getränke mit Zusatznutzen sind die Zukunft.
Getränke News: Sie verkaufen zwölf Halbliterflaschen Protein-Soda in Ihrem Shop für 19,99 Euro. Nicht gerade ein Oettinger-Preis …
Blaschak: Wenn Sie sich die Preise für andere Proteinprodukte am Markt anschauen, bieten wir ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir folgen also auch hier dem Grundsatz von Oettinger: hohe Qualität zu fairem Preis. Das ist unsere DNA. Wir haben bei Protein-Soda eine klare Preisvorstellung, davon rücken wir nicht ab. Wer der nicht folgt, kann kein Partner von uns sein.
Getränke News: Sie haben Anfang des Jahres das Proteinbier Joybräu übernommen. Was haben Sie damit vor?
Blaschak: Die Herstellung von Joybräu ist patentiert und es ist nicht so einfach nachzumachen. Hier können wir also von einer echten Innovation sprechen. Mit der Übernahme von Joybräu hat sich unsere Strategie verändert, wir sind nun nicht mehr Follower, sondern First Mover und machen den Markt. Das ist neu für uns und wir lernen dazu. Um den Jahreswechsel herum werden wir ein neues Produkt bringen, das es so in Deutschland noch nicht gibt. Wir werden die Neuheit aber auch in unseren ausländischen Märkten launchen.
Getränke News: Soll das Proteinbier auch in die ausländischen Märkte?
Blaschak: Ja, Joybräu ist nicht nur für den deutschen Markt. Wir führen es auch dort ein, wo es herkam, nämlich in China und in UK.
Getränke News: Im Sommer hat Oettinger die fränkische Traditionsmarke Karmeliter übernommen. Wie sind hier Ihre Pläne?
Blaschak: Karmeliter wird jetzt eingeführt, wir starten jedoch auch hier behutsam. Dennoch haben wir hohe Erwartungen, denn es ist eine tolle Marke. Wir positionieren sie im Hellbierbereich und glauben an Marktanteilsgewinne und an ein stabiles Volumen.
Getränke News: Angesichts der aktuellen Herausforderungen und des strukturellen Wandels in der Branche: Glauben Sie, dass es die Oettinger Gruppe in fünf Jahren in ihrer jetzigen Form noch geben wird? Oder rechnen Sie mit weiteren Umstrukturierungen oder sogar Schließungen weiterer Standorte?
Blaschak: Was wissen wir, was in fünf Jahren ist? Wir wünschen uns, dass der Biermarkt zur Ruhe kommt, stabil bleibt oder sogar wieder wächst. Wir schauen uns den Markt an und entscheiden situativ, was wir machen müssen.
Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit unserer neuen Strategie und unseren neuen Produkten auf dem richtigen Weg sind. Wir haben noch einiges vor und das nicht nur in Deutschland.