Brauereien, Mineralbrunnen und andere Getränkehersteller geraten als Konkurrenten ums Trinkwasser immer stärker in den Fokus der Politik. Fortschreitender Klimawandel und zunehmende Trockenheit erhöhen den Druck auf die Branche. Mitte März hat die Bundesregierung ihre „Nationale Wasserstrategie“ verabschiedet und will damit für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser sorgen. Die Pläne fallen offenbar nicht so industriefeindlich aus, wie vielfach befürchtet wurde. So erhalten sie neben einiger Kritik an offenen Fragen und unklaren Punkten auch viel Zustimmung.
Insbesondere der Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM), der die Lebensmittelherstellung zu Beginn des Prozesses nicht repräsentiert sah, zeigt sich erfreut, dass die Branche doch explizit in die Strategie aufgenommen wurde. Insbesondere begrüße der Verband, „dass die Strategie nunmehr die hohe Bedeutung der Lebensmittel- und Mineralbrunnenbranche für die Versorgung der Menschen adäquat berücksichtigt“, erklärt VDM-Geschäftsführer Jürgen Reichle auf Anfrage von Getränke News. „Sie sind als wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge eingestuft, die bei Vorrangentscheidungen in Situationen der Wasserknappheit prioritär behandelt werden.“
Mineralwasser wichtiges Element der Katastrophenhilfe
Bereits im November letzten Jahres hatte der VDM im Rahmen der Konsultation der Verbände auf die Bedeutung der Mineralbrunnen besonders in Krisen- und Notzeiten hingewiesen; mit ihrer flächendeckenden Struktur seien sie ein „wesentliches Element der Katastrophenhilfe und des Zivilschutzes“, eine Resilienz der Wasserversorgung sei nur zu erzielen, wenn sowohl Leitungs- als auch Flaschenwasser zur Verfügung stehe.
Etwas kritischer als der VDM sieht der Deutsche Brauer-Bund (DBB) das Konzept. Es sei schwierig einzuschätzen, wie weit der Schutz des Trinkwassers reiche, wenn es tatsächlich zu Mangellagen mit der Notwendigkeit von Priorisierungen komme, gibt DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele zu bedenken. „Wie in einer solchen Krisensituation die Bedürfnisse der Brauwirtschaft oder der Mineralbrunnen abgesichert sind, bleibt völlig offen.“ Wunsch der Branchenvertretung sei, dass die deutsche Strategie dem europäischen Trinkwasserrecht folge und das in Lebensmittel- und Getränkeunternehmen verwendete Wasser ausdrücklich als ebenso schützenswert ansehe wie das Wasser, das der Grundversorgung der Bevölkerung diene.
Sorge vor Verteilungskämpfen wächst
Sogar „eine nicht nachvollziehbare Leerstelle“ sieht Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), in der Wasserstrategie. Er vermisst eine Betrachtung der Auswirkungen auf die Unternehmen und Menschen, die Lebensmittel und Getränke herstellen. Als problematisch bezeichnet er vor allem, dass die Wassergesetze Ländersache sind und deshalb keine fundierte bundesweite Datengrundlage existiert. „Für ein sorgsames und in die Zukunft gerichtetes Wassermanagement fehlt es an einem transparenten deutschlandweiten Überblick über Brunnen und Wasservorräte“ sowie über die Eigentums- und Besitzverhältnisse. Hier müsse die Bundesregierung zügig für eine sichere empirische Grundlage für mögliche Nutzungskonflikte sorgen, so Zeitler.
Eben dieses Problem möglicher Verteilungskämpfe treibt viele in der Getränkebranche um, auch bei den Mineralbrunnen. Es müssten schnellstmöglich Lösungen zum Vorbeugen von Nutzungskonflikten erarbeitet werden, drängt auch Jürgen Reichle vom VDM. Der Brauer-Bund fürchtet in diesem Zusammenhang gar, „dass die Regelungen geeignet sein könnten, verschiedene Bereiche, die auf Wasserressourcen angewiesen sind, gegeneinander auszuspielen“, wie Verbandschef Eichele einwendet.
Reines Wasser ist ureigenes Interesse der Brunnen und Brauer
An der Richtigkeit der Strategie insgesamt zweifelt er indes, ebenso wie seine Verbandkollegen, nicht. Es sei „richtig und wichtig“, dass die Nationale Wasserstrategie die Trinkwasserqualität und die bestehenden Ressourcen schützen wolle. „Die Verfügbarkeit von sauberem Wasser liegt im ureigenen Interesse der Brauwirtschaft“, so Eichele. 1.500 Brauereien in Deutschland seien auf unbelastete, reine Wasservorkommen angewiesen. Auch der VDM begrüßt ausdrücklich die Ziele, Wasser „in allen Stockwerken zu schützen, nachhaltig damit umzugehen und sie für Generationen zu erhalten“, wie Jürgen Reichle es formuliert.
Wie viele Themen rund um Klimawandel und Umweltschutz wird auch die Nationale Wasserstrategie Deutschland sehr langfristig beschäftigen: Das Programm ist bis 2050 angelegt, trotz der Dringlichkeit der Probleme kann man nicht mit schnellen Lösungen rechnen. Zumal die Interessen vieler Akteure in Einklang zu bringen sind. Eins ist aber klar: Die Verbände der Getränkewirtschaft wollen den Prozess nach Kräften begleiten. Dies kündigt der VDM unter Hinweis auf seine „wasserwirtschaftliche und -rechtliche Expertise“ an. Für seine Belange will auch der DBB weiterhin kämpfen: „Da dürfen wir nicht lockerlassen, schließlich geht es um die Existenz der Betriebe“, sagt Verbandschef Eichele.
Hintergrund
Die Klimakrise macht eine rasche Transformation der Wasserwirtschaft notwendig. Mit der Nationalen Wasserstrategie will die Bundesregierung die natürlichen Wasserreserven Deutschlands sichern, Vorsorge gegen Wasserknappheit leisten, Nutzungskonflikten vorbeugen, den Sanierungsstau in der Wasserinfrastruktur angehen sowie den Zustand der Gewässer und die Wasserqualität verbessern.
Mit 78 Maßnahmen des zugehörigen Aktionsprogramms nimmt das Kabinett sich und alle beteiligten Akteure in die Pflicht, bis 2050 für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser zu sorgen. Die behandelten Themenfelder sind sehr weitreichend; sie gehen von der Nutzung und Bewirtschaftung von Wasservorkommen und Gewässern über den Ausbau der Verwaltung bis zum Schutz von Wasserressourcen auch außerhalb Deutschlands im Rahmen einer erweiterten Herstellerverantwortung. Im Einzelnen können sie erst dann im Detail bewertet werden, wenn sie als Rechtsetzungsvorschläge vorliegen.
Grundlage der Strategie sind die Ergebnisse eines zweijährigen Nationalen Wasserdialogs. Mehr als 300 Teilnehmer aus Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Forschung, aus Verbänden, Ländern und Kommunen haben in diesem Rahmen zusammen mit dem Bundesumweltministerium die wichtigsten Ziele zusammengetragen.