Die Brauwirtschaft geht weiter durch schwierige Zeiten. Nach dem coronabedingten Einbruch des Marktes 2020 und 2021 und einer leichten Erholung im vergangenen Jahr ging der Absatz laut Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Halbjahr 2023 um 2,9 Prozent auf 42 Millionen Hektoliter zurück. Abgesehen von saisonalen Schwankungen setze sich damit ein langfristiger Abwärts-Trend fort. So lag der Bierabsatz im zurückliegenden Halbjahr um gut 12 Prozent unter dem vor zehn Jahren.
Stärker als der Gesamtabsatz der deutschen Brauer sanken indessen die hierzulande verkauften Mengen, die für 82 Prozent des Marktes stehen. Hier war laut Statistischem Bundesamt ein Minus von 3,5 Prozent auf 34 Millionen Hektolitern zu verzeichnen. Das Auslandsgeschäft hingegen war um lediglich 0,2 Prozent rückläufig.
Laut Einschätzung des Deutschen Brauer-Bunds (DBB) bewegte sich der Markt ungeachtet der negativen langfristigen Entwicklung unter den Erwartungen. Ein Hauptgrund neben dem kühlen Wetter im Frühling sei die Konsumzurückhaltung der Verbraucher. „Wegen der hohen Inflation halten sich immer mehr Menschen mit Ausgaben in Gaststätten zurück, auch im Inlandstourismus hinterlässt die Konsumflaute Spuren“, unterstreicht DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele.
Biermarkt als „Seismograf für Befindlichkeiten“
Eine schwache Bilanz zieht auch die Brauerei Veltins. Das Ostergeschäft sei „ein Totalausfall“ gewesen, betont der Generalbevollmächtigte Michael Huber. Die Mindermengen seien bis zum Jahresende kaum aufzuholen. Neben dem Wetter und dem demografischen Wandel sieht er Gründe für die schlechte Entwicklung auch in den politischen Rahmenbedingungen. „Die politischen Wirren der Ampelkoalition haben den Verbraucher nachhaltig verunsichert und die Konsumlaune eingetrübt“, so Huber.
„Beim Griff der Inflation ins Portemonnaie macht der Verbraucher automatisch seine Geldbörse zu. Wenn der Staat wie beim Heizungsgesetz zusätzlich in die Ersparnisse fassen will, suchen die Haushalte grundsätzliche Orientierung, weil Zukunftssorgen greifen.“ Die erheblichen Lohnsteigerungen hätten die Menschen zwar etwas besänftigt, doch als vollständiger Ausgleich werde der Lohnzuwachs nicht wahrgenommen. „Der Biermarkt ist ein Seismograf für die Konsumleidenschaft und Befindlichkeiten der Menschen im Land“, so Huber wörtlich.
Erfreulich sei zumindest die positive Entwicklung beim Fassbier, die Veltins auf die Lust der Menschen auf Feste und Events zurückführt. Erwartungsgemäß habe Fassbier in der ersten Jahreshälfte zu Lasten des Flaschenbiers zugelegt.
2023 weiterhin ein „extrem forderndes Jahr“
Wenig optimistisch fällt hingegen der Blick in die Zukunft aus. Für die Brauwirtschaft bleibe die Lage kritisch, so Hubers Einschätzung. „Die Kostensteigerungen sind in den wesentlichen Beschaffungsbereichen unverändert hoch und konnten trotz einer leichten Entspannung bei den Energiekosten nicht durch die Preiserhöhung ausgeglichen werden.“
Auch Brauer-Bund-Chef Eichele stuft 2023 für die 1.500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien als weiteres „extrem forderndes Jahr“ ein. Die explodierenden Kosten seit Beginn der Pandemie machten den Betrieben weiter zu schaffen, zumal sie die Kostensteigerungen nur zu einem kleinen Teil über Preiserhöhungen an den Lebensmittelhandel und die Gastronomie weitergeben könnten. Laut dem Brauer-Bund wird es noch Jahre dauern, bis die Brauereien mit Blick auf Kostendruck und Konjunktur auf eine Erholung hoffen können, zumal die geopolitischen Risiken für die Wirtschaft in letzter Zeit nicht kleiner geworden seien.
Eine deutlich gestiegene Nervosität sieht Michael Huber von Veltins gerade bei den kleineren und mittleren Brauereien. Dort rechne niemand mehr damit, dass das Ausstoßvolumen wieder auf Vorpandemieniveau ansteigen werde. Zudem warteten auf jede Brauerei in den nächsten Jahren „enorme Investitionen, um den unverzichtbaren Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten“. Diese Kosten werden nach seiner Einschätzung „einige Brauereien in die Knie zwingen, weil sie jetzt schon einen Investitionsstau zu beklagen haben.“
In den Zahlen vom Statistischen Bundesamt sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie das aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) eingeführte Bier nicht enthalten.