Der Gerolsteiner Brunnen sieht sich trotz der krisenhaften Zeiten am Markt gut aufgestellt. Laut dem Nielsen-Handelspanel für die Kanäle LEH, Drogerie- und Getränkeabholmärkte konnte der Brunnen seinen Absatz an Mineralwasser von Januar bis September 2022 um 6,6 Prozent und den Umsatz um 7,8 Prozent steigern. Das teilte das Management bei einem Pressegespräch in Köln mit. Die Marktführerschaft beim Umsatz wurde von 10,0 auf 10,1 Prozent leicht ausgebaut.
Damit entwickelte sich das Unternehmen besser als die Branche, die in der Menge um 1,6 Prozent rückläufig war und im Wert um lediglich 5,3 Prozent zulegte. Der Mineralwassermarkt erreichte damit insgesamt ein Niveau von rund 2,99 Milliarden Euro. Deutlich stärker als Gerolsteiner legten allerdings die Handelsmarken zu. Ihr Umsatz erhöhte sich um 18,5 Prozent, ihr Marktanteil stieg von 24,0 auf 27,1 Prozent. Die Preiserhöhung um 6 auf 25 Cent pro Liter hat dem Preiseinstieg offenbar nicht geschadet.
Stilles Wasser mit höchstem Plus
Das Wachstum bei Gerolsteiner erstreckte sich auf alle Segmente: Am stärksten gewann mit 9,2 Prozent die Sorte Naturell; sie liegt nun im Ranking der stillen Mineralwässer auf Platz 2 hinter Volvic. Die Kategorien Sprudel und Medium bauten ihre führenden Positionen aus.
Neben der Abdeckung aller CO2-Kategorien sieht Gerolsteiner seine Vielfalt an Gebinden als wichtigen Erfolgsfaktor an. Sie sei „ein wichtiger Baustein in unserer Strategie“, unterstrich der Vorsitzende der Geschäftsführung, Roel Annega. „Auf diese Weise erreichen wir viele verschiedene Zielgruppen, decken alle wichtigen Konsumanlässe ab und sind auch bezogen auf die Vertriebskanäle überall da, wo die Konsumenten uns suchen.“
Während allerdings Glas-Mehrweg und PET-Einweg ein Plus verzeichnen können, schwächelt PET-Mehrweg seit Jahren am Markt. Da aber die Gebindeart in vielen Fällen als ökologisch günstiger gilt als Glas, hat man sich bei Gerolsteiner zum Ziel gesetzt, sie wieder stärker nach vorn zu bringen. Im Übrigen hat während der Pandemie auch der zuvor beobachtete verstärkte Trend zum Glas nachgelassen, wie Annega berichtet. Das Gebinde-Verhältnis entspreche aktuell in etwa dem des Jahres 2019.
Unterwegs in allen Absatzkanälen
Als wichtigen Teil seiner „strategischen Basis“ betrachtet der Brunnen auch die Verfügbarkeit seiner Produkte in allen Vertriebsschienen. Sie wurde ebenfalls in diesem Jahr weiter ausgebaut: Seit Mai ist Gerolsteiner auch bei Lidl zu haben, im Oktober kam der Lieferdienst „Flaschenpost“ als innovativer Kanal hinzu.
Angesichts der Negativtendenz am Mineralwassermarkt hat Gerolsteiner in den letzten Jahren begonnen, sein Angebot an Erfrischungsgetränken stark zu erweitern. Auch diese Bemühungen wurden 2022 fortgesetzt. Mineralwasser bleibe zwar der Hauptfokus, man brauche aber ein zweites Standbein. Ziel sei es, „neben bestehenden Kunden neue, darunter auch Jüngere, anzusprechen“.
Mit der in diesem Jahr eingeführten Produktlinie Gerolsteiner Tee sei dies sehr gut gelungen. Innerhalb von sechs Monaten hätten über 850.000 Konsumenten die Neuheit gekauft, was einer Käuferreichweite von 2,4 Prozent entspricht. Im Februar 2023 soll als weitere Variante die Sorte Schwarztee Limette Minze folgen. Man müsse den Erfrischungsgetränken unter dem Markendach allerdings Zeit geben, unterstrich Marketingleiter Marcus Macioszek. Denn mit Marken wie beispielsweise Bionade oder Fritz Kola trete man gegen starke Wettbewerber an.
Longneck-Sortiment gut angelaufen
Eine Fortsetzung ist auch in der neuen Kategorie der Erfrischungsgetränke in der 0,33-Liter-Longneckflasche geplant, die Gerolsteiner im Sommer 2021 für sich eröffnete. Der starke Start in der Gastronomie zeige Potenzial auch für die Vermarktung im Lebensmitteleinzelhandel und in Getränkefachmärkten. Zu zwei Limos, einer Apfelschorle und dem mineralienreichen Wasser „Ursprung“ gesellte sich im November das stille Mineralwasser Naturell im gleichen Gebinde.
Für März 2023 kündigt der Brunnen die Einführung zweier weiterer Limonaden in den Geschmacksrichtungen „Grilled Lemon Rosemary“ und „Grilled Watermelon Mint“ an, die den aktuellen Barbecue-Trend aufgreifen sollen. Zur Belebung des Gastro-Geschäfts wurden zudem eigene Cocktail-Rezepte mit den neuen Erfrischungsgetränken entwickelt.
Fortsetzen will das Unternehmen auch seinen Vorstoß in die Heavy-Metal-Welt, die dieses Jahr über eine Partnerschaft mit dem Wacken Open Air begann. Dort präsentierte sich die Marke augenzwinkernd als „Zwischenwasser“, das die Festival-Besucher beim Feiern fit hält. Über die Figur des „Mineralienmeisters Gerolt“ nutzte Gerolsteiner die Nähe der Szene zur Fantasywelt. Auch hiermit habe man junge Leute erreicht, denen „das Bewusstsein für Mineralwasser“ fehle, resümierte Macioszek. Wacken steht jetzt bereits auf seiner Agenda fürs nächste Jahr.
Keine Konkurrenz mit Leitungswasser
Als „Fundament aller Aktivitäten“ bezeichnet das Management indessen seine langfristig angelegte Nachhaltigkeitsstrategie. Beim Erhalt seiner 28 Quellen sieht sich der Brunnen bestens für die Zukunft aufgestellt. Man nutze weniger als zehn Prozent der behördlich zugebilligten 20 Prozent des jährlich neugebildeten Tiefenwassers, erläuterte Dr. Thomas Hens, Leiter technische Entwicklung und Ressourcen. Die immer lautere Diskussion um die Konkurrenz von Mineral- und Trinkwasser muss Gerolsteiner nicht beschäftigen: Wegen des hohen Gehalts an Mineralstoffen eignet sich das Wasser des Gebiets „Gerolsteiner Mulde“ nicht zur Nutzung als Leitungswasser.
Auch auf dem Weg zur Klimaneutralität ist das Unternehmen nach eigenem Bekunden in den letzten Jahren weitergekommen: Das Ziel, die Emissionen am Standort bis 2030 verglichen mit 2016 um 59 Prozent zu reduzieren, werde man voraussichtlich schon 2025 erreichen. In den nächsten Jahren richten sich die Anstrengungen nun vor allem auf Einsparungen bei Verpackungen und Transporten.
PET-Kreislauf muss geschlossen werden
Sorgen machen Roel Annega indessen offene Fragen beim Thema Recycling-PET. Europaweit gilt das Ziel, bis 2040 bei der Herstellung von Kunststoffflaschen mindestens 65 Prozent Rezyklat einzusetzen. Dieses Ziel sei nicht zu erreichen, solange nicht deutlich mehr benutzte Einwegflaschen in den Kreislauf zurückkehrten. Doch diese gehen mit der Leergutrückgabe in den Besitz des Handels über und können von ihm als Rohstoff weiterverkauft werden – auch an andere Branchen.
Laut der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) werden dadurch nur 37,7 Prozent des R-PETs für neue Getränkeflaschen genutzt. Der konsequente nächste Schritt müsse sein, das hochwertige, lebensmitteltaugliche R-PET wieder in vollem Umfang für die Herstellung neuer PET-Flaschen verfügbar zu machen. „Wir engagieren uns mit Nachdruck dafür, dass die Politik die Rahmenbedingungen für geschlossene PET-Kreisläufe schafft, so Annega abschließend.