9,99 Euro für Krombacher, 8,99 Euro für Warsteiner in der Drei-Kästen-Aktion oder 11,11 Euro für Carlsberg – was ist da los? Gerade noch hat Edeka zur eigenen Margenoptimierung die großen Brauer zum Preisrapport einbestellt, schon purzeln beim eigenen Discounter Netto die Preise. Die seit der Einführung des Euros als „magische Grenze“ apostrophierte Aktionspreishürde von zehn Euro scheint nur zwölf Wochen nach der Durchsetzung der jüngsten Preisrunde wieder zu fallen. Für Deutschlands nationale und regionale Premium-Brauer reißt der Hamburger Lebensmitteleinzelhändler eine alte Wunde auf. Oder ist es nur ein Warnschuss in Richtung Lidl und Aldi, die sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen müssen, in naher Zukunft Mehrweg zu listen?
Preissenkung von 40 Prozent
Angesichts der für alle Seiten transparenten Kostenexplosion in der deutschen Brauwirtschaft, scheint Edeka mit seinem Discounter aus Sicht vieler Marktbeteiligter zu zündeln. Krombacher steht für lange nicht gesehene 9,99 Euro im Schaufenster und erscheint dem Verbraucher mit einer zugleich ausgelobten Rabattierung von sage und schreibe 40 Prozent so günstig wie nie zuvor. Im Norden steht Oetkers Rostocker Pils gar für 8,99 Euro auf der ersten Flyerseite. Warsteiner wird in einigen Regionen zwar zum gleichen Preis wie Krombacher angeboten, bewegt sich aber trotz seiner Diskontierung von 36 Prozent auf für Verbraucher gewohntem Niveau – 9,99 Euro für Warsteiner war vor der Preiserhöhung im Frühjahr normal. Doch Netto hält für Warsteiner noch eine Überraschung bereit: Beim Kauf von drei Kästen wird Warsteiner in Hessen zum Preis von 8,99 Euro geradewegs auf Paderborner Normalpreisniveau verhämmert. Edekas Netto hat die Regionen unterdessen mit der Headline des „Internationalen Tages des Bieres“ fein ausgesteuert. Selbst Marken wie Chiemseer in Bayern oder Rothaus im Südwesten geraten urplötzlich in den Preisverhau.
Edeka-Zentrale bei Marktteilnehmer immer öfter in der Kritik
In der Brauwirtschaft stellt man sich die Frage, was Edeka damit erreichen will, dass er seinen Discounter vorpreschen lässt, um die magische Grenze von zehn Euro so signifikant zu unterschreiten. Die Einkäufer von Kaufland jedenfalls waren zu Wochenbeginn aufgeschreckt, als sie die Edeka-Offerte zur Kenntnis nehmen mussten. Der Biermarkt ist in dieser Woche genauso beunruhigt wie sämtliche Getränkeeinkäufer im Handel. Seit Jahren kämpfen die Premium-Brauer um eine veritable Preiserhöhung, die nicht nur notwendig, sondern auch für alle Marktbeteiligten nachvollziehbar ist. Hinter vorgehaltener Hand bescheinigt die Brauwirtschaft dem Marktagieren der Edeka-Zentrale mal „mangelnde Sensibilität“, mal eine „Kopf-durch-die-Wand-Mentalität“.
Kleinbrauer sind stolz auf hohe Preise, leiden aber gewaltig darunter
Das Dilemma besitzt eine weitere Facette: Zwar rühmen sich die privaten Kleinbrauer gern damit, dass sie mit ihren Kastenpreisen von 18 Euro und mehr für ein gehöriges Maß an Solidität sorgen. Doch gerade sie sind es, die unter der Preisspreizung des Handels zu leiden haben – nämlich mit erheblichen Minderverkäufen. 40 Prozent Spreizung zwischen Normalpreis und Aktionspreis bei den renommierten Bier-Markenartiklern gilt als Kampfansage. Wer beim Wocheneinkauf sparen will, kann es beim Biereinkauf tun. Gerade in Zeiten von Inflation und politikverdrossener Sparsamkeit der Haushalte achten Verbraucher genau auf jene Aktionspreise, die Marke und Einsparung zugleich bieten. Krombacher-Chef Bernhard Schadeberg dürfte sich ungläubig die Augen gerieben haben, als er bei Famila die Drittelliter Dose Paulaner Spezi für 0,69 Euro erblicken musste. Schadeberg, der in seinem heimischen Kaufland öfter mal beim Einkauf gesichtet wird und den Storecheck undercover unternimmt, wird damit einmal mehr seinen LEH-Keyaccount auf den Füßen stehen, um die jüngst gelaunchte Krombacher Spezi noch ambitionierter in die Regale zu drücken.
Netto-Preisrutsch nur ein frequenzbringender Impuls?
Die schwächelnde Konsumlaune lässt sich nicht leugnen. Tatsächlich rumort es seit Monaten im Handel. Dort hatte man sich an die erfreulichen Pandemieabsätze aufgrund geschlossener Gastronomie allzu schnell gewöhnt. Doch das Blatt hat sich wieder gewendet. Die Konsequenz aus der Rückkehr zur Normalität wird deutlich: Auf den Brauereihöfen zwischen Flensburg und Garmisch wurden im ersten Halbjahr 2023 erneut wieder mehr Fässer in die Gastronomie gerollt, dafür aber weniger Flaschenbier verladen. Dass die deutschen Lebensmitteleinzelhändler gerade in diesem Jahr unter dem Sparwillen der Konsumenten leiden, zeigt auch das Minus von rund 7 Prozent, das in den Regalen von Bier und Biermix eingefahren wurde.
Auffällig an der Aktionspreispolitik des Lebensmitteleinzelhandels scheinen überdies die Sortenpräferenzen: Pils – und das ist die gute Nachricht – bleibt der große Attraktivitätsanker der deutschen Bauwirtschaft, während der langjährige Sortengewinner Hell kaum nennenswert und schon gar preisaggressiv in Erscheinung tritt. Mit Blick auf Edeka/Netto bleibt es für die Brauwirtschaft und den LEH gleichermaßen spannend: Bleibt der dieswöchige Preisrutsch nur ein frequenzbringender Impuls oder läutet der geschundene Einzelhandel in den Bierregalen schon jetzt einen heißen Herbst ein.