Die Ampel steht auf Grün: Noch diese Woche wollen SPD, Grüne und FDP in Koalitionsverhandlungen eintreten. Auf dem Tisch liegt ein zwölfseitiges Sondierungspapier, das unter anderem die Absage an Steuererhöhungen und die Aufweichung der Schuldenbremse enthält. Das Dokument soll die Grundlage für Koalitionsgespräche bilden, jedoch werden entscheidende Themen ausgeklammert – allen voran die Finanzierung milliardenschwerer Vorhaben und die Mehrbelastung der Wirtschaft durch strengere Klimaschutz-Auflagen. Aber auch an anderen Stellen bleiben vorerst viele Fragezeichen.
Bleibt Gastro-Mehrwertsteuer unten?
Aus Sicht der Getränkeindustrie gab es bei den Ampel-Sondierungen zumindest eine wichtige Klarstellung: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen“, heißt es in dem gemeinsamen Papier der drei Parteien. Bereits im Wahlkampf hatte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz angekündigt, die gesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie beibehalten zu wollen. Im Rahmen der Corona-Hilfen hatte die Große Koalition den Mehrwertsteuersatz für Speisen von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Diese Regelung sollte eigentlich Ende 2022 auslaufen und wird nun auf Dauer bleiben. Die Verbände machen sich dafür stark, dass wie in Österreich und anderen EU-Staaten künftig auch Getränke einbezogen werden.
Kommt die Zuckersteuer?
Gespannt beobachtet die Getränkeindustrie, wie die Diskussion bei Zuckersteuer oder Alkoholsteuern weitergeht. SPD und Grüne hatten sich immer wieder für die Einführung einer Zuckersteuer ausgesprochen, um Übergewicht gerade bei Kindern zu bekämpfen. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat mit der Getränkebranche erfolgreich eine Selbstverpflichtung auf den Weg gebracht, um schrittweise den Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken abzusenken. Wie beim Thema Zucker ist es auch bei den Alkoholsteuern die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Druck auf die Staaten macht, die Steuersätze heraufzusetzen und auch Werbung und Verkauf einzuschränken.
Schlüsselressorts aus Sicht der Getränkehersteller und des Getränkehandels sind sicherlich das Finanzministerium, das Gesundheitsministerium und das Ernährungsministerium. Von entscheidender Bedeutung für die Branche aber ist auch der künftige Kurs in der Umweltpolitik: Wird die neue Bundesregierung eine „Einwegsteuer“ für Dose und PET auf den Weg bringen, um die staatliche Mehrwegquote zu erhöhen? Wird es gesetzliche Vorgaben für den Handel geben, mehr Mehrweg zu listen? Und welche Strategie wird eine neue Regierung beim Thema Plastik verfolgen? Zwischen der amtierenden Bundesumweltministerin Schulze und den Mineralbrunnen war es zu einem offenen Konflikt gekommen, nachdem das Ministerium die Verbraucher öffentlich dazu aufgerufen hatte, mehr Leitungswasser statt Mineralwasser aus PET-Flaschen zu trinken.
Auswirkungen der Pandemie deutlich spürbar
In der deutschen Getränkewirtschaft haben – wie auch in der Gastronomie – noch immer viele tausend Betriebe mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Die dramatischen finanziellen Einbußen durch die Lockdowns haben Hersteller wie auch Lieferanten massiv belastet. Vor allem Familienbetriebe werden Jahre brauchen, bis sie sich von der Krise erholen. Deshalb warnen Unternehmen wie auch Verbände der Getränkewirtschaft die neue Regierung unisono vor neuen finanziellen Belastungen.
Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro und die Entkopplung von der Tariflohnentwicklung und der unabhängigen Mindestlohnkommission wird in der Branche sehr kritisch gesehen. Oberste Priorität müsse es haben, die Folgen der Krise zu überwinden und die mittelständische Wirtschaft zu unterstützen. Denn die Energiepreise gehen durch die Decke, gleichzeitig explodieren die Kosten für viele Komponenten und Rohstoffe, sofern deren Verfügbarkeit überhaupt noch gewährleistet werden kann.
Im September lag die allgemeine Preissteigerung vor allem wegen der hohen Energiekosten mit 4,1 Prozent zum Vorjahr so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Nicht minder prekär: Lieferketten drohen zu reißen, allein in Deutschland fehlen bis zu 80.000 Fernfahrer, Tendenz steigend.
Unterm Strich: Viel Arbeit für die neue Bundesregierung – und hohe Erwartungen von Seiten der Wirtschaft.