Trockenheit und Dürre, dann wieder Starkregen und Überschwemmung: Klimabedingte Probleme in der Landwirtschaft beeinflussen immer stärker auch die Getränkeproduktion. Für unsere aktuelle Serie fragen wir Lieferanten der Getränkebranche, wie der Klimawandel ihre Arbeit erschwert und wie sie sich darauf einstellen. In Teil 3 geht es um den Hopfen.
Hopfen leidet besonders stark unter dem Klimawandel. Brauer, Landwirte und Hopfenhändler arbeiten Hand in Hand, um die für den Geschmack des Bieres so wichtige Pflanze auch künftig nutzen zu können. Die Anpassung an die neuen Bedingungen soll nicht nur die Bierqualität sichern, sondern auch dazu beitragen, eine nachhaltige und widerstandsfähige Landwirtschaft zu fördern.
Die Hopfenernte lag vergangenes Jahr 20 Prozent unter dem Durchschnitt, sagt Walter König, Geschäftsführer der Gesellschaft für Hopfenforschung sowie des Bayerischen Brauerbundes. Noch schlechter war die Ernte im Vorjahr; mit 40 Prozent weniger Ertrag war sie eine Missernte für die Hopfenbauern. „Man sieht, der Klimawandel hinterlässt deutliche Spuren beim Hopfen“, so König. Der Hopfen sei für Wetterkapriolen noch anfälliger als etwa die Braugerste, weil die Anbauregionen sehr konzentriert sind. Ein Drittel der Welthopfen-Ernte wächst in der Hallertau; wenn es dort zu trocken oder zu nass ist, hat das für Brauer auf der ganzen Welt Auswirkungen. Und für die Bauern haben schon wenige schlechte Ernten katastrophale Folgen, weiß der Geschäftsführer.
„Die schlechten Ernten haben große Probleme verursacht“, so König. Zum einen war der Hopfen qualitativ im Brauwert geringer. Doch noch wichtiger sei, dass die landwirtschaftlichen Betriebe keinen oder zu wenig Hopfen zum Verkaufen hatten. Sie haben ihre Verträge unterliefert und somit sei auch kein Geld in den Betrieben übriggeblieben. „In guten Jahren haben die Bauern investiert und auch Kredite aufgenommen, die jetzt zurückgezahlt werden müssen.“ Doch die Situation in den vergangenen zwei Jahren war dramatisch – auch große Betriebe seien auf einmal auf Hilfe angewiesen gewesen, so der Experte.
Deutschland muss bei Bewässerung aufholen
Damit so eine Situation in Zukunft nicht wieder eintritt, setzt man in der Hallertau auf Bewässerung, berichtet er. Dazu wurde der „Bewässerungsverband Hallertau“ gegründet. „Es gibt schon kleine Bewässerungsverbände, wo das ganz gut funktioniert. Jetzt will man eine große Lösung über die ganze Hallertau“, erläutert König. In Zeiten des Über- oder gar Hochwassers – wie aktuell – entnimmt man der Donau Wasser und speichert es in großen Rückhaltebecken. In Zeiten der Trockenheit bewässert man dann über Kanal- und Rohrleitungssysteme die Hopfengärten. „Das Projekt ist mit großen Investitionen verbunden – aber bei den Landwirten ist das Interesse hoch“, so König. Und auch die Politik unterstütze das Vorhaben.
In der Hallertau gibt es nur auf 20 Prozent der Gesamtanbaufläche Bewässerungsmöglichkeiten – das heißt, 80 Prozent sind in regenarmen Zeiten von Trockenheit betroffen. Im Vergleich mit anderen Hopfenbaunationen sei das eine sehr unterdurchschnittliche Bewässerungsrate, so König. Zum Vergleich: Der Hauptwettbewerber auf dem Weltmarkt, das Hopfenanbaugebiet im Yakima Valley im Staat Washington, kann sogar zu 100 Prozent bewässert werden. „Und da müssen wir nachziehen, weil der Klimawandel das einfach fordert. Wir können noch so gute klimaangepasste Sorten züchten – wenn kein Wasser da ist, kann eine trockenresistente Sorte, auch wenn sie lange, tiefe Wurzeln hat, kein Wasser mehr aus dem Boden generieren“, betont der Verbandschef.
Doch auch die neuen Züchtungen seien ein wichtiger Baustein, um dem Klimawandel zu trotzen. Laut König bilden sie drei- bis viermal so lange Wurzeln und können vom zweiten oder dritten Jahr an Wasser aus viel tieferen Regionen ziehen als alte Landsorten. Dazu hätten die neuen Hopfen auch weniger Blattverdunstung. „Eine Hopfenpflanze ist ja sieben bis acht Meter hoch und hat ein riesiges Gewand, also Blattoberflächenkleid“, erklärt er. „Und wenn Hitzetage sind, wenn es längere Trockenphasen hat, dann verdunstet über diese große Blattoberfläche sehr viel Wasser, das ich erstmal wieder irgendwo herbringen muss.“ Weniger Blattfläche bedeute zusätzlich weniger Dünger und weniger Pflanzenschutzmittel. Die Landwirte hätten das verstanden und die neuen Züchtungen würden stark nachgefragt.
Neue Züchtungen erfordern veränderte Bier-Rezepturen
Mehr Überzeugungsarbeit brauchen dagegen die Brauer. Sie können nicht einfach eine alte, nicht an den Klimawandel angepasste Sorte eins zu eins ersetzen. Da der Hopfen das Bieraroma entscheidend beeinflusst, der Geschmack des Endprodukts sich aber nicht verändern soll, müssen sie Probesude machen und sich Schritt für Schritt an die neue Rezeptur herantasten. Eine Aufgabe, die sehr aufwändig ist und viel Können erfordert, wie König berichtet. Ein Beispiel ist der neue Aromahopfen Tango; er habe riesige Schwierigkeiten, im Markt akzeptiert zu werden, obwohl die Landwirte ihn lieben und auch seine Vorteile sofort sehen.
„Der Klimawandel stellt für die Hopfenpflanzen eine große Herausforderung dar“, sagt auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Ein Großteil der neugezüchteten Sorten sei wesentlich klimatoleranter als die traditionellen. Damit können sie bei Bedarf zukünftig als Ersatz für ältere Zuchtsorten oder alte Landsorten dienen.
Dies brauche jedoch Zeit, denn die Anpassung der Bierrezepturen in den Brauereien sei ein langwieriger Prozess. Viele Brauereien beschäftigen sich seit längerem schon intensiv mit dem Einsatz neuer klimatoleranter Hopfensorten, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. „Die große Herausforderung der Hopfenzüchtung ist, Sorten zu züchten, die den traditionellen Hopfensorten in Bitterqualität und Aroma sehr nahekommen und nachhaltige Anbaueigenschaften haben. Hier sind wir gemeinsam mit der Landwirtschaft und dem Hopfenhandel auf einem guten Weg“, so Eichele.
Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Verfügbarkeit von Hopfen und insbesondere einzelner Sorten seien seit Jahren Gegenstand der Gespräche zwischen Hopfenforschung, -anbau, -handel und Brauereien. Die Branchen arbeiteten partnerschaftlich zusammen und bemühten sich gemeinsam um Lösungsstrategien für die zu erwartenden Entwicklungen.
So unterstützt der weltweit größte Hopfenspezialist Barth Haas in Deutschland die Gesellschaft für Hopfenforschung bei der Züchtung neuer, trockentoleranter Hopfensorten. „Viele ältere Hopfensorten, die gut etabliert und bei den Brauern weltweit sehr beliebt sind, schaffen es unter den veränderten klimatischen Bedingungen nicht mehr, ihr volles Potenzial auszuschöpfen“, erklärt Stephan Schinagl, der als Leiter des Einkaufs bei Barth Haas im ständigen Austausch mit den Hopfenpflanzern steht. „Neue zukunftsfähige Züchtungen, die mit Trockenstress besser umgehen können oder widerstandsfähiger gegen Krankheiten sind und daher weniger Pflanzenschutzmittel benötigen, dienen der gesamten Branche zur Rohstoffsicherung.“
Eine Frage des Geschmacks
Klar ist indessen auch bei Barth Haas: „Die Neuzüchtungen müssen nicht nur von unseren Pflanzern akzeptiert werden, sondern auch bei den Brauern gut ankommen“, sagt Thomas Raiser, Geschäftsführer bei dem Hopfenspezialisten. Gemeinsam mit ihnen werde sein Unternehmen deshalb daran arbeiten, dass die Biere, die mit den neuen, widerstandsfähigeren Hopfensorten gebraut werden, so schmecken wie gewohnt.
Mit seinen Kunden ist der Hopfenlieferant dabei in sehr engem Austausch: Zuletzt hat Barth Haas zum Beispiel gemeinsam mit der Brauerei Rittmayer aus dem fränkischen Hallerndorf mit zukunftsfähigen Sorten wie Titan, Mandarina Bavaria oder Callista ein Bier gebraut. Dabei kam auch ein innovatives Malz zum Einsatz, das die Kulmbacher Mälzerei Ireks lieferte. Es ist ebenso wie der neue Hopfen ertragsstabil, sehr robust und trockenstresstolerant und hat eine gute Mehltau-Resistenz. Was den Machern des neuen Biers besonders wichtig ist, verrät schon sein Name: Es heißt „Beer for Future“.