Um Umwelt und Meere besser vor Plastik zu schützen, will die Politik stärker gegen Kunststoffverpackungen vorgehen. Ein Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in deutsches Recht wird derzeit verhandelt. Im Interview mit Getränke News erklärt Günther Guder, geschäftsführender Vorstand von Pro Mehrweg, womit die Getränkebranche rechnen muss.
Getränke News: Nach einem aktuellen Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums soll unter anderem das Einwegpfand neu geregelt werden. Was kommt auf die Getränkebranche zu?
Guder: Der vorgelegte Referentenentwurf legt in § 31 fest, dass alle Einweg-PET-Flaschen und Getränkedosen zukünftig der Pflichtbepfandung unterworfen und zurückgenommen werden müssen. Kein Endverbraucher konnte verstehen, dass ein Fruchtsaftgetränk in einer PET-Einwegflasche mit einem Fruchtsaftgehalt von unter 50 Prozent bepfandet, mit über 50 Prozent jedoch nicht bepfandet wurde. Auch wurden teilweise Getränke kreiert, mit der die Pfandpflicht umgangen werden sollte, wie zum Beispiel Getränke mit Molkeanteilen.
Diese komplizierten Unterscheidungen waren selbst für Insider fast nicht mehr nachzuvollziehen, so dass die jetzige Vereinheitlichung auf die Verpackungsformen PET-Einwegflasche und Getränkedose zu einer Klarheit und Eindeutigkeit führt. Das bedeutet allerdings auch, dass zum Beispiel aromatisierte Milchprodukte in PET-Einwegflaschen zukünftig pfandpflichtig werden. Auch das in der Branche als neues Trendprodukt gehandelte Hard Seltzer in der Getränkedose wird danach bepfandet werden müssen.
Getränke News: Immer mehr Hersteller verwenden doch PET-Flaschen aus Recycling-Materialien …
Guder: Auch das ist in den Entwurf eingegangen: Ein neuer Paragraf 30a normiert erstmals Mindestrezyklatanteile bei bestimmten Einweg-Kunststoffgetränkeflaschen. So dürfen ab Januar 2025 PET-Einweg-Getränkeflaschen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie jeweils zu mindestens 25 Masseprozent aus Kunststoffrezyklaten bestehen. Ab Januar 2030 steigt dieser Anteil auf mindestens 30 Prozent. Nach unserer Information werden die geforderten Rezyklatanteile bereits heute von einigen Herstellern in Deutschland eingebracht – andere fahren immer noch mit 100 Prozent Neumaterial.
Getränke News: Wie bewerten Sie den Entwurf?
Guder: Die Ausweitung der Pflichtbepfandung ist aus unserer Sicht absolut zu begrüßen und seit langem überfällig. Wir hatten in den letzten Jahren zusammen mit den anderen Mitgliedern der Mehrwegallianz immer wieder auf die Ungereimtheiten der bestehenden Regelungen hingewiesen. Zuletzt hatte ja auch der Bundesrat in einer Entschließung vom 13. März Änderungen dringend eingefordert.
Getränke News: Und was das Thema Rezyklate angeht?
Guder: Ambitioniertere Ziele beim Rezyklatanteil hätten Deutschland innerhalb der EU sicherlich gut zu Gesicht gestanden, allerdings sollte auch gegenüber diesen Flaschen mit R-PET-Anteil aus unserer Sicht klar sein, dass die Grundsätze der europäischen und deutschen Abfallhierarchie gelten, die eindeutig Vermeidung vor Verwertung setzt. Mehrwegflaschen mit bis zu 50 Umläufen und anschließendem Recycling sind im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes besser als Einwegflaschen und Recycling.
Auf Ablehnung stößt auch die Neufassung des § 15, der Marktbeteiligte zur Rücknahme bestimmter Mehrweg-Individualflaschen bzw. Poolflaschen, die sie selbst nicht abgefüllt oder angeboten haben, verpflichten könnte. Hier sollte eine Klarstellung erfolgen, wonach Inverkehrbringer bzw. Letztvertreiber auch nur die Verpackungen des gleichen spezifischen Verpackungstyps zurücknehmen müssen, die sie selbst in Verkehr gebracht haben. Das Mehrwegsystem funktioniert so in überwiegend regionalen Kreisläufen seit mittlerweile über 120 Jahre. Von zusätzlichen Dokumentations- und Nachweispflichten sollte daher auch unbedingt Abstand genommen werden.
Getränke News: Gibt es auch Punkte, die in dem Entwurf aus Ihrer Sicht ganz fehlen?
Guder: Im Referentenentwurf fehlen gänzlich konkrete Regelungen zur Steigerung der Mehrwegquote auf die im Verpackungsgesetz vorgesehenen 70 Prozent. Bekanntlich weisen die letzten Zahlen des Umweltbundesamtes eine Mehrwegquote von nur 41,2 Prozent aus. Dringendes Handeln ist also geboten, um das von der Politik selbst gesetzte Ziel zu erreichen. Mittlerweile 17 Jahre Dauer-Dumping-Preise für Mineralwasser in Einweg-PET-Flaschen sowie wieder stark steigende Dosenanteile haben ihre Spuren hinterlassen. Wir halten in diesem Zusammenhang eine Lenkungsabgabe in Höhe von 20 Cent pro Verpackung zusätzlich zum Einwegpfand für dringend erforderlich.
Zudem: Eine verpflichtende Kennzeichnung von „Einweg“ und „Mehrweg“ auf dem Produkt halten wir ergänzend zu den seit Januar 2019 geltenden Regelungen zur Kennzeichnung am „Point of Sale“ nach wie vor für absolut nötig.
Getränke News: Bislang handelt es sich ja nur um einen Entwurf. Wie wahrscheinlich ist nach Ihrer Einschätzung, dass das am Ende auch so umgesetzt wird?
Guder: Wir stehen am Beginn eines längeren Prozesses. Zunächst müssen sich nach der jetzt ausgelaufenen Anhörungsfrist für Verbände alle beteiligten Ministerien einigen, um einen Entwurf zur Abstimmung ins Kabinett zu bringen. Danach befassen sich die Gremien des Bundestags und des Bundesrats damit. Also viele Beteiligte, unter denen sicherlich um einzelne Inhalte des jetzigen Entwurfs hart und kontrovers gerungen wird. Änderungen sind daher von vornherein wahrscheinlich.
Getränke News: Wie lang kann es dauern, bis in diesem Falle die Novelle steht? Glauben Sie, dass vor den Wahlen im nächsten Jahr überhaupt noch etwas in dieser Sache passiert?
Guder: Ob das Timing einer endgültigen Verabschiedung der Novelle vor der Sommerpause noch klappt, bleibt abzuwarten. Wünschenswert im Sinne der Sache wäre es.
Getränke News: Die im bestehenden Verpackungsgesetz festgelegte Mehrwegquote wird nach wie vor bei weitem nicht erreicht. Wie stehen die Chancen, dass sich hier in nächster Zeit etwas bewegt?
Guder: Es ist wohl illusorisch, überhaupt noch auf entsprechende Initiativen in dieser Legislaturperiode zu hoffen. Aber auf der Agenda der nächsten Bundesregierung sollten Maßnahmen zur Steigerung der Mehrwegquote verbindlich stehen. Schließlich verlangte dies ja bereits der Bundestag mit seiner Entschließung bei Verabschiedung des Verpackungsgesetzes, wenn bis 2021 der politisch gewünschte Mehrweganteil von 70 Prozent nicht erreicht würde.