Mineralwasser gerät zunehmend unter Druck. Umweltschützer raten, dem Leitungswasser den Vorzug zu geben; Sodastream hat den Schauspieler und Umweltaktivisten Hannes Jaenicke als Testimonial engagiert und bezichtigt die Brunnen, an der Vermüllung der Meere mit schuld zu sein; sogar das Bundesumweltministerium fördert und bewirbt im Rahmen seiner „Nationalen Klimaschutzinitiative“ Projekte wie „Wasserkiez“, die sich für die Verwendung von Leitungswasser stark machen.
Mit dem jüngsten Vorstoß des Europäischen Parlaments anlässlich der Überarbeitung der EU-Trinkwasser-Richtlinie (wir berichteten) erhält das Thema noch einmal eine ganz neue Dimension. Darin setzt sich das Gremium nicht nur für Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserqualität in Europa ein, sondern fordert auch ganz klar die Verwendung von Leitungswasser zum Trinken, um Abfall und den Verbrauch von Plastik zu reduzieren.
Dehoga pocht auf unternehmerische Freiheit
Zwar ist das letzte Wort in der Angelegenheit noch nicht gesprochen, denn die Trilog-Verhandlungen – zwischen EU-Kommission, -Parlament und dem Rat – haben noch nicht begonnen, das Thema erhitzt aber in der Branche die Gemüter. Insbesondere die Forderung an Gastronomen, ihren Gästen Leitungswasser kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr bereitzustellen, sorgt für Aufregung.
„Der Gastwirt allein entscheidet über sein gastgewerbliches Angebot – und nicht die EU“, unterstreicht auf Anfrage von getraenke-news.de Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga Bundesverbands. Die Branchenvertretung werde sich dafür einsetzen, „dass das auch künftig so bleibt“.
Schließlich entstünden auch für die Bereitstellung von Leitungswasser Kosten, so Hartges: „Das Glas wird zur Verfügung gestellt, serviert, gespült, die Servicekraft muss bezahlt werden, für das angenehme Ambiente im Restaurant fallen Betriebskosten an“, führt die Verbandschefin aus und verdeutlicht die Situation mit einem Beispiel: Man möge sich vorstellen, 15 Radfahrer nähmen auf der Sonnenterrasse Platz und bestellten je einen halben Liter Wasser … Ob der Wirt sich darauf einlasse, sei „eine unternehmerische Entscheidung, die nicht verordnet werden darf“.
Als „Wettbewerbsverzerrung“ kritisiert auch Thorsten Ackermann, Vorsitzender des Handelsverband für Heil- und Mineralwasser, die beabsichtigte Änderung der Trinkwasserrichtlinie. Gastronomen würden durch die anfallenden Kosten „erheblich belastet“; die Aufwendungen seien „wichtige Bestandteile der unternehmerischen Preiskalkulation für Speisen und Getränke“. Neben der Gastronomie sieht Ackermann auch den Getränkegroßhandel als Leidtragenden. Es sei zu befürchten, dass die Verkäufe von Mineralwasser zurückgingen.
Eher zurückhaltend argumentiert der Mineralwasserverband VDM, der vor allem die Natürlichkeit der Brunnenprodukte hervorhebt. Mit mehr als 500 verschiedenen Mineralwässern sei die Auswahl in Deutschland einzigartig – und alle seien sie „im Gegensatz zu Leitungswasser Naturprodukte“, betont VDM-Geschäftsführer Udo Kremer. Schließlich müsse Mineralwasser aus „unterirdischen, vor Verunreinigungen geschützten Wasservorkommen“ stammen und dürfe nicht aufbereitet werden.
Dies wüssten die Verbraucher zu schätzen, zumal die Lieferanten täglich dafür sorgten, „ein qualitativ hochwertiges, sicheres und bestens kontrolliertes Produkt“ zur Verfügung zu stellen, das zudem „sehr gut zu dem anhaltenden Trend zu einer ausgewogenen und natürlichen Ernährung passt“.
Trinkwasser stärker mit Schadstoffen belastet
Deutlicher wird der Handelsverband für Heil- und Mineralwasser, der auf die größeren gesundheitlichen Risiken von Leitungswasser hinweist und die Absicht der Politik begrüßt, striktere Schadstoffgrenzwerte einzuführen. Dazu gehörten auch Grenzwerte für Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik, so der Verband.
Zur Qualitätssicherung seien heute bereits 50 Stoffe zu überprüfen. Dies zeige, dass Trinkwasser „spezifische Gefahrenpotenziale“ berge. Die Liste müsse so schnell wie möglich erweitert werden. Vor diesem Hintergrund sei es falsch, Trinkwasser als das am besten untersuchte Wasser einzustufen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sollten sich um die Erhöhung der Trinkwasser-Qualität kümmern anstatt „zu Lasten der Gastronomie und des Getränkehandels Geschenke zu verteilen“, so das Fazit der Branchenvertretung.
Auch der Dehoga gibt sich kämpferisch: „Statt stetig neue Belastungen zu schaffen, sollte die Politik der arbeitsintensiven Gastronomie mehr Wertschätzung entgegenbringen und sie stärken“, fasst Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges zusammen.