Verbraucher greifen immer öfter zu weniger hopfenbetonten Bieren – der nunmehr zehnjährige Erfolgsweg des Hellen spiegelt diesen Trend wider. Auch internationale Lagerbiere werden hierzulande immer beliebter. Die Brauerei Veltins reagiert darauf und bringt ein helles Lager mit internationalem Gebinde-Look auf den Markt. Dr. Volker Kuhl, seit 1995 Geschäftsführer Marketing/Vertrieb bei Veltins und damit der erfahrenste Chef einer deutschen Premium-Brauerei, gibt im Interview mit Getränke News Einblicke in die aktuelle Marktoffensive.
Getränke News: Als vor ein paar Monaten kolportiert wurde, Veltins würde ein neues Bier auf den Markt bringen, hatte wohl niemand mit einem Lagerbier gerechnet. Wieso ein Lager?
Kuhl: Es ist die konsequente Reaktion auf das inzwischen unüberhörbare Grundrauschen einer wachsenden Verbrauchernachfrage: Internationale Lagerbiere finden seit einigen Jahren deutschlandweit nicht nur höhere Aufmerksamkeit, sondern auch geschmackliches Gefallen. Wir sehen ein wachstumsbereites Segment, das wir nicht den Importbieren überlassen wollen. Warum sollten wir auch? Im Selbstverständnis der internationalen Lagerbiere mit ihrem allseits bevorzugten Durstlöscher-Charakter schaffen wir noch qualitativen Mehrwert – unser Helles Lager ist nach Reinheitsgebot und dazu noch ohne Hopfenextrakt gebraut. Als deutsche Brauer können wir da ruhig selbstbewusst auftreten.
Getränke News: Veltins investiert von Beginn an in einen Marken-Kasten und in eine Individual-Mehrwegflasche – mit welchen Vorteilen?
Kuhl: Stimmt. Wir machen keine halben Sachen, sondern wollen Verbrauchern und Handel von Beginn an ein schlüssiges, marktgerechtes Produkt-Markenkonzept bereitstellen, das in sich geschlossen ist. Veltins Helles Lager gibt dem Verbraucher eine klare Produktantwort und wirft keine Fragen auf. Unser Haus steht traditionell für Mehrweg – und der Verbraucher präferiert es. Genau das bleibt unsere Stoßrichtung! Da ist es nur folgerichtig, dass wir die Produktgestaltung als Fortentwicklung unserer grünen Marken-DNA schlüssig zusammenbringen. Und natürlich sollen die beiden Sorten Pils und Helles Lager, die beide unter dem Markenflaggschiff Veltins fahren, auf den ersten Blick differenzierbar sein. Das ist gelungen.
Getränke News: Die Branche stöhnt seit Jahren über die gestiegene Komplexität beim Mehrwegsystem durch die steigende Zahl von Individualgebinden. Was sagen Ihre Handelspartner zu der neuen Flasche?
Kuhl: Selbstverständlich wurden wir bei der Vorstellung im Handel auf die Problematik aufmerksam gemacht. In diesem Fall halten wir den gewählten Weg für den richtigen, zumal der Handel nach attraktiven Produkten sucht, die ihm Impulse an die Gondelköpfe und ins Regal bringen können. Wir sind uns der Herausforderung der Gebindekomplexität durchaus bewusst und nutzen schon deshalb die Standardflaschen für einen Teil unseres Mehrweggeschäftes. Manche Produkte wie das Helle Lager brauchen eben deutlich mehr Differenzierung.
Getränke News: Ungewöhnlich für Deutschland ist mit 0,275-Liter auch das Füllvolumen der Flasche…
Kuhl: Ein großer Anteil der Bierfreunde in Deutschland legt heute gesteigerten Wert auf die Produktausstattung – Design ist ein Mehrwert, der nicht im Widerspruch zum mehrwegorientierten Biermarkt steht. Haptik und Inhalt müssen einen sympathischen Markenimpuls geben. Das gelingt auch über die Flaschengröße, deren Inhalt auch internationalen Marktgepflogenheiten angepasst ist. Wer hätte vor zehn Jahren damit gerechnet, dass eine kleine Euro-Flasche urplötzlich zum Trendsetter werden kann?
Jedes Produkt-Markenkonzept hat seinen ganz individuellen Zuschnitt, wenn es beim Verbraucher punkten soll. Und es ist die Aufgabe des Brauers, sein angestammtes Geschäft zukunftsfähig zu machen. Da gibt es sichtbar unterschiedliche Einstellungen: Viele Brauer sind nach den bitteren Erfahrungen der Pandemie im Status „Halten“ begriffen, wir sehen aber draußen eine neue Erwartungshaltung der Verbraucher, die uns ihren Wunsch nach Aufbruch signalisiert.
Getränke News: Wie ist der Distributionsaufbau geplant und wie wollen Sie die junge Zielgruppe für das neue Lager gewinnen?
Kuhl: Wir sind dabei, eine für alle Seiten werthaltige Marke zu schaffen – im Auftritt und im Geschmack für den Verbraucher, in der Wertschöpfung für den Handel. Deshalb freuen wir uns über die erfreuliche Resonanz des Handels, der natürlich auch dabei sein will, wenn wir den medialen Marktstart geben und alsbald mit attraktiver TV-Werbung für Neugierde und Nachfragebelebung bei seinen Kunden sorgen. Wir starten von Beginn an mit impulsstarken Mehrwegplatzierungen, wobei der Mehrwegkasten aufgrund des notwendigen Mengenaufbaus in der Sommermitte an Dynamik gewinnen wird.
Das Vertrauen in neue Marken aus unserem Haus ist inzwischen erfreulich groß, sodass wir dort ohne Druck den Listungsaufbau von Veltins Helles Lager vorantreiben können. Wir denken in einer mehrjährigen Stufigkeit von Marktpräsenz, bei der durchaus auch an die internationalen Märkte gedacht wird. Immerhin ist es das erste Markenprojekt, das Fabian Veltins als Vertreter der sechsten Familiengeneration persönlich vorangetrieben hat. Aufgabe ist es jetzt, dem geneigten Bierfreund die Positionierung deutlich zu machen. Dabei spielt neben den reichweitenstarken TV-Spots natürlich Social-Media eine wichtige Rolle.
Getränke News: Die Marken Grevensteiner und Pülleken waren von Anfang an sehr erfolgreich. Rechnen Sie beim neuen Lager mit einem ähnlichen Erfolg?
Kuhl: Vielleicht ist es auch ein Teil des Erfolgsrezeptes der jüngsten Marken-Newcomer gewesen, dass wir uns zu keiner Zeit mengengetrieben gefühlt haben. Wir arbeiten seit zwei Jahren intensiv an Veltins Helles Lager und kennen aus vielen qualitativen Workshops mit Verbrauchern deren dezidierte Einschätzungen zu Geschmack, Optik und Differenzierbarkeit.
Und schließlich haben unsere Entscheider als Eckpfeiler dieses Produkt-Markenkonzeptes ein gerütteltes Maß an Biermarkterfahrung – Kontinuität hilft in der stets selbstkritischen Produktentwicklung ungemein. Da kommen sie nie in die Versuchung auf ein Pferd zu setzen, das niemals laufen lernen wird. Kurzum: In diesem Jahr sind wir allein schon aus Gründen der Auslastung unserer Brauerei kleinschrittig unterwegs – wir haben auch diesmal einen langen Atem zum Erfolg.