Keine andere Biersorte steht gegenwärtig so für ein Lebensgefühl wie Landbier. In ihr spiegelt sich das Bekenntnis zur Brautradition, aber auch der Wunsch nach geschmacklicher Vollmundigkeit wider. Dabei gibt es trotz einer Vielzahl von Landbieren nur eine Handvoll von Erfolgsbringern. „Regionalität allein genügt nicht, um beim Verbraucher überzeugen zu können“, sagt Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb der Brauerei Veltins. Die Privatbrauerei hat mit Grevensteiner Original 2014 ein Landbier in den Markt eingeführt, das seither zweistellige Zuwachsraten einfährt.
Insgesamt liegt der Marktanteil der geschmacksähnlichen Land- und Kellerbiere lt Nielsen bei 5,4 Prozent im ersten Halbjahr 2018. Der Handel zwischen Flensburg und Garmisch zählt 2018 über 70 Landbier-Marken, weitere 250 Kellerbiere kommen nochmals hinzu. Sie sind geschmacklich zwar unterschiedlich, meinen aber allesamt den gleichen Biertyp.
320 Produkte sorgen für Vielfalt bei Land- und Kellerbieren
Alle 320 Produkte verbindet die gemeinsame, jahrzehntealte Brauereitradition. Zwar hat jeder Brauer seine eigene Rezeptur, doch die Gefälligkeit im Geschmack verbindet nahezu alle Landbiere. „Die Menschen erkennen den bernsteinfarbenen, naturtrüben Charakter auf Anhieb und wissen es regional einzuordnen“, so Kuhl. Neben dem Geschmack muss auch die individuelle Markengeschichte stimmig sein. Vorbei sind die Zeiten, in denen eine Agentur ein Etikett mit Retroflair gestaltet und der Verbraucher es wortlos zur Kenntnis nimmt. Wer von Historie spricht, so ist man bei Veltins überzeugt, muss auch die Beweisführung antreten können. „Wir haben für unsere Marke Grevensteiner sehr bewusst ein Etikett gestaltet, das nahezu unverändert von einem Brauerei-Briefkopf der 1920er-Jahre übernommen wurde – mehr Authentizität geht nicht.“
Vertriebsstärke wird zum qualitätsvollen Mengenmotor
Nach den Worten von Volker Kuhl sind Sortentrends im deutschen Biermarkt im Vergleich zu anderen Warengruppen im FMCG-Bereich durchaus längerfristig – die Mechanik sei seit der Jahrtausendwende immer ähnlich. In der ersten Phase sei erkennbar, dass Verbraucherpräferenzen auf einzelne Produkte für Marktimpulse und erste Mengenentwicklung sorgen. In der zweiten Phase sei der Brauer gut beraten, seine Produktentscheidung zu fällen und eine sinnfällige Positionierungsantwort auf den erkennbaren Trend zu finden. „Das ist der Zeitpunkt, in dem die First-Mover ihre Marktkraft entwickeln, weil sie sich der erhöhten Aufmerksamkeit von Verbrauchern, Handel und Gastronomie erfreuen können“, so Kuhl. Flankierende Vertriebsstärke werde dabei zum qualitätsvollen Mengenmotor. Bereits zu diesem Zeitpunkt haben es späte Newcomer oder gar Plagiate schwer, den aufmerksam gewordenen Verbraucher noch zu überzeugen. In der dritten Phase sei die Sorte mit ihren Markentaktgebern gesetzt – das Segment ist dann bereits fest umrissen. Handel und Gastronomie tun sich dann schwer mit neuen Listungen.