Die Brunnen sehen sich durch den jüngsten Mineralwassertest von Öko-Test unfair behandelt. Getränke News sprach mit dem Brunnen-Verbandsvorsitzenden und Gesellschafter der Rhodius Mineralquellen Dr. Karl Tack über undurchsichtige Prüfkriterien und die Skandalisierung der Ergebnisse. Im Interview berichtet Tack außerdem, wie der Druck aus der Politik und der verschärfte Wettbewerb mit Sodastream & Co. die Branche verändern.
Getränke News: „Fast jede fünfte Quelle ist verunreinigt.“ So fasst Öko-Test seinen jüngsten Mineralwassertest zusammen. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Tack: Mein Fazit sieht anders aus: Öko-Test bestätigt die hohe Qualität von natürlichem Mineralwasser in Deutschland. Obwohl Öko-Test bei sämtlichen geprüften Stoffen deutlich strengere Kriterien anlegt, als es die gesetzlich geltenden Grenzwerte erfordern, erhielten 65 der 100 getesteten Mineralwässer die Note „gut“ oder sogar „sehr gut“.
Getränke News: Das heißt aber auch, dass immerhin ein Drittel schlechter als „gut“ abschnitt, vier Mineralwässer bekamen sogar ein „mangelhaft“ oder „ungenügend“ …
Tack: Uns hat sehr geärgert, dass Öko-Test mit eigenen und selbst festgelegten Beurteilungskriterien gearbeitet hat, die weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Keines der getesteten Produkte hat die strengen Grenzwerte der Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) überschritten. Aus unserer Sicht sind die bemängelten Mineralwässer willkürlich abgewertet worden. Alle getesteten Mineralwässer sind ausnahmslos verkehrsfähig und können vom Verbraucher unbeschwert getrunken werden. Solchen Produkttests sollten keine subjektiven, sondern objektive Maßstäbe zugrunde liegen.
Getränke News: Öko-Test will unter anderem Rückstände von Pestiziden, Nitrat und Spuren von Süßstoffen in den Proben gefunden haben …
Tack: Rückstände wird man wohl nie völlig ausschließen können, da es einen Nullstandard nicht geben kann. Entscheidend ist, dass selbst in geringsten Mengen nachgewiesene Rückstände keine Auswirkung auf die menschliche Gesundheit haben dürfen. Die strengen gesetzlichen Grenzwerte der MTVO garantieren einen Höchststandard an Sicherheit. Deshalb gilt Mineralwasser als das am besten kontrollierte Lebensmittel.
Getränke News: Denken Sie darüber nach, gegen solche Tests gerichtlich vorzugehen?
Tack: Nein, zielführender wird es sein, mit Öko-Test in ein Gespräch einzutreten – so wie wir es übrigens auch Stiftung Warentest im Vorfeld des für Ende Juni angekündigten Tests noch einmal angeboten haben. (Anmerkung der Redaktion: Die Stiftung Warentest hatte in ihrer Juli-Ausgabe 2019 Mineralwasser mit Leitungswasser verglichen und kam zu dem Ergebnis, dass die Qualität von Leitungswasser ebenbürtig oder sogar besser als die von Mineralwasser sei. Die Mineralbrunnenbranche prangerte daraufhin in öffentlichen Verlautbarungen den Vergleich als unzulänglich und das Vorgehen als irreführend an.) Die Brunnenbetriebe haben doch selbst ein elementares Interesse daran, das Naturprodukt Mineralwasser zu schützen. Sollte es dennoch nachweisbare Überschreitungen der gesetzlichen Grenzwerte geben, wären wir die ersten, die für eine Abhilfe sorgen würden. Fair wäre es, den Dialog zu suchen statt immer nur aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.
Getränke News: Parallel zu dem Mineralwassertest hat Öko-Test auch Wässer auf Mikroplastik untersucht. In 44 Prozent der untersuchten PET-Flaschen sollen Partikel gefunden worden sein, wobei Einweg deutlich schlechter abschnitt als Mehrweg.
Tack: Den Ergebnissen sollte man mit Vorsicht begegnen. Wir stehen da selbst ständig in Verbindung mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Aktuell gibt es aber keine einzige wissenschaftlich belastbare Studie über Eintragsquellen, Eintragsmengen und Auswirkungen von Mikroplastik auf die Gesundheit. Mikroplastik kann aus vielen anderen Quellen unserer Umwelt kommen, deren Einträge vermutlich weit über das hinausgehen, was dem Mineralwasser zugeschrieben wird. Nicht einmal die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder die WHO können etwas Belastbares darüber sagen. Unser Problem ist, dass damit das Feld für Spekulationen und Skandalisierungen geöffnet ist.
Getränke News: Die Brunnen stehen zudem auch politisch zunehmend unter Druck. Im letzten Jahr haben Sie den Dialog mit der Politik als „mehr als gestört“ bezeichnet, unter anderem wegen der Leitungswasserkampagne von Bundesumweltministerin Schulze und wegen des Vorwurfs, die Brunnen würden die Weltmeere mit Plastik vermüllen. Wie sieht es heute „an der Front“ aus?
Tack: Der VDM hat inzwischen zahlreiche sehr konstruktive Gespräche mit Vertretern verschiedener Parteien geführt. Wir konnten deutlich machen, dass die deutschen Mineralbrunnen schon aus ureigenem Interesse das Prinzip der Nachhaltigkeit verfolgen und stark in Klima- und Umweltschutz investieren. So sind einige Betriebe heute schon klimaneutral oder befinden sich auf dem Weg dorthin. Auch die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der überwiegend kleinen und mittelständischen und meist inhabergeführten Unternehmen, gerade als Arbeitgeber im ländlichen Raum, findet hohe Anerkennung.
Schließlich konnten wir auch klar machen, dass die deutsche Mineralbrunnenbranche durch die frühe Umsetzung eines im europäischen Vergleich einzigartigen und weltweit vorbildlichen Rücknahme- und Recyclingsystems für Mehrweg ebenso wie für Einweg eine Vorreiterrolle einnimmt. Das hat die Politik anerkannt und ihre Unterstützung zugesagt. Auch mit dem Bundesumweltministerium (BMU) führen wir aktuell konstruktive Gespräche. Ich bin davon überzeugt, dass das BMU ein natürlicher Bündnispartner der deutschen Mineralbrunnen sein muss – gerade auch im Hinblick auf die teils an der Praxis völlig vorbeigehenden Regulierungsvorstellungen auf der Ebene der EU.
Getränke News: Aber die „Wasserwende“ wird vom BMU weiterverfolgt?
Tack: Gegen solche staatlichen Eingriffe in den Markt und eine Bevormundung des Verbrauchers werden wir uns weiter wehren, aber in der Diskussion über Leitungs- und Mineralwasser sehen wir auch die Chance zu verdeutlichen, worin die qualitativen Unterschiede bestehen. Leitungswasser hat zweifelsohne einen hohen Stellenwert für die Versorgung der Bevölkerung. Aber es ist eben in der Regel ein chemisch-technisch aufbereitetes Kunstprodukt, während Mineralwasser ein unbehandeltes Naturprodukt ist, das noch an der Quelle abgefüllt werden muss.
Irgendwie ist es schon schizophren: Als der Streit um das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP hochkochte, haben sich viele empört gegen Chlorhühnchen aus den USA gewehrt – gegen Leitungswasser, das auch oft mit Chlor behandelt werden muss, schweigt des Sängers Höflichkeit. Dennoch wird den Konsumenten nach unseren Beobachtungen immer stärker bewusst, wie wichtig natürliche Produkte sind. Deshalb scheuen wir am Ende diesen Wettbewerb nicht, da wir als unschlagbares Argument die Naturreinheit haben.
Getränke News: Ein Wettbewerb, der sich aber noch verschärft: Sodastream erstarkt immer mehr, zudem kommen weitere Sprudlersysteme auf den Markt, sogar mit der Möglichkeit von Filterung und Mineralisierung …
Tack: Das sind sehr ernstzunehmende Wettbewerber. Es bleibt aber dabei, dass auch hier lediglich ein künstliches Produkt in den Markt eingeführt wird. Daran ändert es auch nichts, wenn Mineralien beigemischt werden. Das Geschäftsmodell von Sprudlersystemen und internationalen Großkonzernen beruht letztlich darauf, Leitungswasser teurer an Verbraucher verkaufen zu wollen. Es ist ärgerlich, dass dieses Ansinnen auch durch staatliche Stellungnahmen zu Leitungswasser Rückenwind bekommen hat.
Getränke News: Und jetzt auch noch Corona. Wie stark macht die Krise der Brunnenbranche zu schaffen?
Tack: Die Auswirkungen sind erheblich. Vor allem für Betriebe, die stark über den Getränkefachgroßhandel in die Gastronomie liefern. Da sind ja die Absätze zeitweise zu 100 Prozent eingebrochen. Hinzu kommen Verluste in der Hotellerie, bei Messen und anderen Großveranstaltungen. Es gab empfindliche Einbußen – und gibt sie noch. Denn der Betrieb wird in diesen Branchen ungemein schleppend wieder aufgenommen. Es wird wohl noch Monate dauern, bis die Absatzdellen hier wieder ausgeglichen werden können.
Getränke News: Und im Handel?
Tack: Im LEH sieht es besser aus, da Getränke jetzt verstärkt zu Hause konsumiert wurden. Hamsterkäufe gibt es allerdings inzwischen nicht mehr. Die Bevölkerung hat schnell erkannt, dass die Mineralwasser-Branche jederzeit vollumfänglich lieferfähig war. Diese Leistung kann nicht hoch genug anerkannt werden: In Produktion und Logistik ist kein Homeoffice möglich, da fiel keine einzige Schicht aus. Auch die Mineralbrunnenbranche hat ihre Helden!