Braucht es in Zeiten von Label-Flut und Siegel-Müdigkeit überhaupt noch Bier-Wettbewerbe? Kilian Kittl sagt: ja – wenn sie glaubwürdig, transparent und relevant sind. Im Interview verrät der Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Bayern und Kopf hinter dem European Beer Star, warum der Wettbewerb mehr ist als nur Glanz und Gloria und welche Biertrends er aktuell beobachtet.

Getränke News: Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Awards in der Getränke- und Lebensmittelbranche. Braucht es heute überhaupt noch solche Wettbewerbe – oder droht eine Art „Auszeichnungsinflation“?
Kittl: Grundsätzlich braucht die Branche Wettbewerb. Jede Brauerei, die an einem Wettbewerb teilnimmt, muss sich aber vorab entscheiden, was sie mit der Teilnahme erreichen will. Möchte sie mit den Medaillen werben oder geht es eher um ein Feedback zu den Bieren? Für jede Motivation gibt es den passenden Award.
Getränke News: Welche Rolle spielt das Wettbewerbsformat für die Aussagekraft einer Auszeichnung?
Kittl: Bei den Wettbewerben gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansätze: Qualitätsprüfungen mit sehr vielen Auszeichnungen oder Wettbewerbe wie der European Beer Star, bei denen die Biere gegeneinander antreten und von renommierten Verkostern vergleichend bewertet werden – im klassischen Sinn nach dem olympischen Prinzip. Dort steht auch die Qualität der Biere im Vordergrund, am Ende werden aber in jedem Bierstil nur eine Gold-, eine Silber- und eine Bronze-Medaille verliehen. Ein solcher Wettbewerb sollte für eine Brauerei das Highlight des Jahres sein.
Getränke News: Wie stellen Sie sicher, dass der European Beer Star glaubwürdig bleibt – gerade in einem Markt, in dem Verbraucher oft gar nicht wissen, was hinter den Medaillen steckt?
Kittl: Transparenz ist hier das A und O. Es muss klar kommuniziert werden, wie die Medaillen vergeben werden, wer die Verkoster sind und woher die eingereichten Biere kommen. Wenn Verbraucher auf unsere Website schauen, finden sie alle Informationen. Außerdem steht unser Team jederzeit bereit, Fragen zu beantworten. Zur Transparenz trägt auch bei, dass Brauer unter den Verkostern sind, die sich selbst ein Bild von der Qualität des Wettbewerbs machen können. Und am Ende sind unsere größten Botschafter für die Glaubwürdigkeit des European Beer Stars die Brauereien selbst, die sich und ihre Biere mit unseren Medaillen schmücken.
Getränke News: Manche Verbraucher fragen sich: Warum sind auf so vielen Bieren Goldmedaillen, obwohl sie diese Marken selbst gar nicht als überragend empfinden. Ist das eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit solcher Wettbewerbe?
Kittl: Wenn die Verbraucher nicht wissen, wie der jeweilige Bierstil definiert ist und wie ein Bier dieses Bierstils im Idealfall schmecken soll, können sie mit der Medaille vielleicht wenig anfangen. Es gibt also noch viel zu tun, um die Leute über Bier, die Bierstile und die Biervielfalt aufzuklären. Fest steht aber auch: In Deutschland gibt es eine große Markentreue beim Bier, und der Geschmack ist nun einmal sehr subjektiv. Hinzu kommt die emotionale Komponente.
Was der European Beer Star mit einer Medaille garantiert, ist, dass es sich um ein hervorragendes Bier in der jeweiligen Kategorie handelt. Unsere professionellen Bierexperten verkosten und bewerten jedes Bier sehr sorgfältig. Als Konsument kann man sich also darauf verlassen: Wenn ein Bier eine Medaille bekommen hat, hat eine geschulte Jury dieses Bier objektiv als herausragend bewertet!
Getränke News: Was bringt eine Auszeichnung beim European Beer Star einer Brauerei konkret? Ist das nur fürs Image – oder gibt es auch messbare Effekte auf Absatz und Markenbekanntheit?
Kittl: Ganz konkret gibt es zwei Dinge: Erstens ein wertvolles externes Feedback zur Bierqualität – nicht nur Punkte, sondern eine ausführliche Auswertung und Rückmeldung, mit der die Brauerei arbeiten kann. Zweitens die Möglichkeit, die Auszeichnung aktiv in der Kommunikation zu nutzen und dadurch die Absätze anzukurbeln. Wir haben Rückmeldungen von Brauereien erhalten, die bei ihren ausgezeichneten Bieren bis zu 20 Prozent Absatzplus erzielt haben.
Eine weitere Motivation, Biere anzumelden, ist der sportliche Gedanke: Brauer wollen sich messen und möchten wissen, wo sie stehen. Das unterscheidet den European Beer Star von anderen Wettbewerben, bei denen es eher darum geht, immer wieder Gold zu holen und damit zu werben.
Getränke News: Beobachten Sie bei den eingereichten Bieren Trends, die den Markt in den kommenden Jahren stärker prägen könnten?
Kittl: Absolut. Man sieht an den Einreichungen immer, was im Markt passiert. In den vergangenen Jahren waren es viele Hell- und Pilsbiere, die eingereicht wurden. Aktuell verzeichnen wir einen starken Zuwachs bei alkoholfreien Bieren. Auch Biermischgetränke sind ein großes Thema, besonders international, weshalb wir die Kategorie nun auch beim European Beer Star aufgenommen haben. Die junge Generation sucht neue Aromen und Geschmäcker. Deshalb sehen wir auch Biermischgetränke mit neuen Aromen verstärkt im Wettbewerb; ebenso Teebiere aus Asien. Gleichzeitig sind die Einreichungen von Starkbieren rückläufig. Das zeigt: Der Markt verändert sich spürbar.
Getränke News: Wie wollen Sie den European Beer Star in Zukunft weiterentwickeln, um relevant zu bleiben?
Kittl: Unser Ziel ist es, die Abläufe kontinuierlich zu verbessern. Dazu haben wir uns über die Jahre ein breites Know-how aufgebaut und holen uns gezielt Unterstützung von Logistikexperten. Wir investieren außerdem stark in die Digitalisierung: Verkostet wird bereits mit Tablets, aber wir arbeiten daran, die Systeme weiter zu optimieren, um bessere Daten und Auswertungen für die Brauereien zu liefern. Das bringt echten Mehrwert.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die stetige Weiterentwicklung der Bierstil-Kategorien. Vor 15 Jahren hatten wir 40 Bierstile, heute sind es 75. Diese passen wir jedes Jahr neu an die Marktentwicklung an. Außerdem liegt uns unser Nachhaltigkeitspreis, der „Future Award“, besonders am Herzen.
Getränke News: Worum geht es da?
Kittl: Hier geht es darum, die Zukunftsfähigkeit von Brauereien sichtbar zu machen – von Maßnahmen zur Ressourcenschonung bis zu generationenübergreifendem Handeln. Jede Brauerei kann am Future Award kostenlos teilnehmen. Der Fragebogen dazu ist frei zugänglich und kann auch als Checkliste genutzt werden. Aus allen Einsendungen werden die besten ausgewählt, verkostet und bewertet. Die Finalisten präsentieren ihre Maßnahmen, etwa zur Wassereinsparung. Am Ende zeichnen wir drei Brauereien aus. Der Future Award ist mittlerweile im vierten Jahr, das Interesse wächst stetig.
Getränke News: Zum Schluss eine persönliche Frage: Was war für Sie das schönste Erlebnis beim European Beer Star?
Kittl: Das Schönste ist immer wieder der Moment, wenn die Verkoster aus aller Welt zusammenkommen; Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen, die gemeinsam eine gute Zeit haben. Diese Begegnungen und die Persönlichkeiten, die man dabei kennenlernt, machen für mich die besonderen Momente des Wettbewerbs aus.