Position trotz Ausstoß-Verlust behauptet
Es ist die Leitmarke in der Bitburger Braugruppe – traditionsreich und mit Premium-Ausstrahlung. Die Marke Bitburger avancierte seit den 1980er-Jahren mit gastronomisch ambitionierter Umtriebigkeit zur größten und wertvollsten Fassbiermarke. Im Jahr 1995 bewegten sich Krombacher und Bitburger mit einem Gesamtausstoß von 3,7 Millionen Hektolitern noch gleichauf, danach ging die Schere auseinander. Bitburger durchbrach noch vor der Jahrtausendwende die 4-Millionen-Hektoliter-Schallmauer – Krombacher zog uneinholbar vorbei. Seit der Jahrtausendwende ging der Marke Bitburger so fast eine halbe Million Hektoliter Bier verloren.
Viel schmerzhafter mag für die traditionsreichen Brauer, die seit jeher der Gastronomie die Treue halten, der Verlust der Fassbier-Hektoliter sein. Allein von 2008 bis 2018 gingen der Marke Bitburger innerhalb des zurückreichenden Jahrzehnts rund 220.000 Hektoliter Fassbier verloren. Nur Warsteiner ist mit einem Minus von 290.000 Hektolitern noch gebeutelter. Dabei dürfen die Brauer aus der Eifel sich unverminderte Fassbiertreue ans Revers heften: Immerhin 21 Prozent (geschätzt) des Gesamtausstoßes der Marke Bitburger gehen heute noch im Fass über die Rampe – unter den Premium-Brauern ein absoluter Spitzenwert. Und im Premium-Ranking nimmt die Eifeler Biermarke inzwischen eine Sandwich-Position zwischen Marktführer Krombacher und Nachfolger Veltins ein.
Jahrtausend-Start
Der Auftakt zum neuen Jahrtausend sollte gelingen: Bitburger sieht sich im Jahr 2000 der Aufmerksamkeit und Wertschätzung der gesamten Branche gegenüber. Auf der Internorga wird erstmals eine PET-Flasche vorgestellt, die als „Big-Neck-Flasche“ eine etwas bullige Optik besitzt, aber mit dem mächtigen Schraubverschluss zweifellos einen Aha-Effekt in die Gebindelandschaft bringt. Das Einweggebinde passt in die Zeit – immerhin 500.000 Hektoliter Dosenbier schicken die Eifeler in jenen Jahren in den Handel. Von drohender Einwegbepfandung und ihren Folgen für das Segment ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand etwas. Bis dahin führt bereits Michael Dietzsch als Vorsitzender der Geschäftsführung die Bitburger Getränke Verwaltungsgesellschaft. Er setzt auf qualitatives Wachstum. Doch das Absatzminus von einem Prozent auf einen Markenausstoß von 4,27 Millionen Hektoliter im Jahr 2000 sollte kein gutes Omen für das Folgejahrzehnt sein. Fortan beginnt der Ausstoß zu schwanken, muss die Marke Federn lassen. 2007 dann der Rutsch unter die 4-Millionen-Hektoliter-Schwelle. Zu diesem Zeitpunkt hält der Fassbieranteil von über einer Million Hektoliter immer noch einen Spitzenwert von 25 Prozent am gesamten Markenausstoß.
Nach dem Weggang von Michael Dietzsch wird es in der Langzeitbetrachtung aber auch den weiteren Geschäftsführern nicht gelingen, den Verlust des Volumens zu stoppen. Gerade, nachdem sich mit Jahrtausendbeginn der Neuheitenboom bei den Premium-Brauern einstellt, versucht auch die Bitburger Gruppe, Anschluss zu halten, mehr als Mitläufer, denn als Taktgeber. 2005 springen die Eifeler auf einen Mildbier-Trend auf, der sich aber schon bald als ausschließliches Produkt-Marken-Erfolgskonzept von Beck‘s Gold herausstellen soll. Mit Bit Sun will man den Rückenwind der Verbrauchernachfrage nach neuen Mildbieren mitnehmen. Es wird damit eine Trendmarke kreiert, die unter dem Label Bit insbesondere bei Innovationen punkten soll. Bit Copa und Bit Passion sollen die Wandelbarkeit der Traditionsbrauer bekunden. Hinzu kommt der klassische Biermix: 2007 steigt Bitburger spät, aber nicht zu spät ins Radler-Segment ein.
Dafür läuft es im Sponsoring gut. Wie Jahre vorher und zu Glanzzeiten von Michael Schumacher soll sich 2006 der Deal mit dem DFB rechtzeitig vor der Fußball-WM in Deutschland zu einem wirklichen Coup ausgestalten. Als Sponsor der Nationalelf kann Bitburger bei zahlreichen Public-Viewing-Veranstaltungen seine Fassbierkompetenz untermauern. 2008 folgen dann der Verzicht auf die Pool-Flasche und die Einführung der neuen „Bitte ein Bit“-Relief-Flasche.
Das letzte Jahrzehnt
2010 folgt im Stammmarkt von Bitburger die lokale Bereinigung, nachdem die Aktivitäten der Königsbacher Brauerei übernommen werden. Und im selben Jahr wird der Einstieg ins Cider-Segment angekündigt – die neue Marke heißt „Cape Cide“. Und dann noch ein weiterer Biermix-Nachzügler: Zehn Jahre nach dem rasanten Aufstieg der Biermischgetränke stellt Bitburger sein Bitburger Cola dem schon einige Jahre erhältlichen Radler zur Seite.
Drei Jahre später will man in der Eifel anscheinend einen neuen Trend mitgestalten: Im Juli 2013 wird der Einstieg in den Craft-Bier-Markt verkündet. Fortan sollen unter dem Label „Craftwerk Brewing“ immer neue Spezialitäten vorgestellt werden. Im selben Jahr folgt man dem Trend der Fassbrause, bringt ein eigenes Produkt auf den Markt und gibt auch dort Gas. Ein Jahr später eine weitere Neuheit: „Malvit“. Mit dem Claim „Gebraut. Natürlich. Ohne Unsinn.“ macht es anfangs neugierig, unterstützt die Bemühungen im Markt der alkoholfreien Produkte, die durch die 0,0-%-Range bereits angefeuert werden. Weil Malvit weder Bio-Brause noch Schorle oder aromatisiertes Wasser sein soll, findet der Verbraucher schlichtweg keinen gedanklichen Zugang. Das Produkt hat nur eine geringe Lebensdauer.
2014 gelingt es Bitburger auch, mit Benediktiner ein neues Weißbier erfolgreich in den Markt einzuführen. Zeitgleich wird die jahrelange Kooperation mit der Erdinger Weißbierbrauerei beendet.
Beteiligungen
Nur allzu verständlich, dass kurz nach Jahrtausendbeginn angesichts der vorangegangenen Marktoffensive von Inbev und Heineken in Deutschland auch die Bitburger Braugruppe auf Expansion schielt und eine Mehr-Standort-Strategie erwägt. 2002 dann der Paukenschlag: Die Bitburger Brauerei beteiligt sich mit 49 Prozent an der Wernesgrüner Brauerei – die Eifeler haben die Anteile von der bayerischen Landesbank erworben. Später wird auf 100 Prozent aufgestockt. Dann 2004 ein Schachzug, den Bitburger-Chef Michael Dietzsch als „Krönung meiner beruflichen Karriere“ bezeichnet: Nachdem bereits Wernesgrüner zur Gruppe zählt, folgen aus dem Kaufbestand der Holsten-Gruppe die Marken König und Licher. Branchenbeobachter sehen eine Gruppe gewachsen, die mit dem wohl qualitätsvollsten Markenportfolio im neuen Jahrtausend unterwegs ist.
Bis zum Jahr 2007 klopft Bitburger immer wieder an Wettbewerber-Türen an, um das Marken- und Standortprofil zu stärken. Doch der Kauf oder die Beteiligung an traditionsreichen Brauereien in Deutschland scheitert in jenen Jahren, wie der damalige Sprecher der Geschäftsführung, Peter Rikowski, der FAZ signalisiert. Bitburger stehe eben nicht unter Zugzwang, zudem sei auch nichts Passendes auf dem Markt, so die damalige Aussage. Auf der Suche nach einer weiteren Biermarke wird damals in den Medien offen eine Abfuhr des Erdinger-Inhabers Werner Brombach thematisiert. Schon damals werden Pläne kolportiert, dass man in der Eifel ein eigenes Weizenbier brauen könnte. Der „Trierische Volksfreund“ berichtet im Herbst 2009 überdies darüber, dass der Bitburger Braugruppe der Kauf der Kult-Limo Bionade auf der Ziellinie weggeschnappt wurde – sie ging damals an Dr. Oetker. Bekanntlich nur ein Zwischenstopp.
Angesichts des schrumpfenden Marktvolumens rüstet sich die Bitburger Braugruppe strategisch für die Zukunft und kündigt bereits 2007 an, dass die Bitburger Holding GmbH ihr Biergeschäft neu aufstellt. So wird die Bitburger Braugruppe GmbH als neue Führungsgesellschaft für die Biersparte mit den Braustandorten in Bitburg, Duisburg, Lich, Wernesgrün und Köstritz aktiv. Die Holding übernimmt fortan das Beteiligungsgeschäft. Die über all die Jahre gewachsene Gesellschafteranzahl hat offenbar den Wunsch reifen lassen, die Ertragskraft des Gesamtunternehmens auf Dauer zu erhalten – bei sinkendem Jahresausstoß verständlich. Die Frage, ob das die Brauereien leisten können, wird mit einem klaren „Ja, aber“ beantwortet.
Während die Holding Mehrheitsgesellschafter beim Gerolsteiner Brunnen ist, beteiligt sie sich in den Folgejahren an deutschen Familienunternehmen wie dem Kinderbekleidungshersteller Sterntaler und der Dürr Dental AG. Dabei scheint die Kapitalstreuung in unterschiedliche Branchen eher dem Portfoliogedanken zu folgen – Solidität durch minimiertes Risiko im Branchenmix. 2016 übernimmt die Bitburger Holding den Wuppertaler Werkzeugspezialisten Wera und beteiligt sich an der Poli-Tape Gruppe in Remagen. Im Frühjahr 2019 beteiligt sich die Bitburger Holding mit 45 Prozent an der Avista Oil AG, einem Altölrecycler.
Zumindest eines ist deutlich und nährt die Hoffnung, dass die Bitburger Unternehmensgruppe absehbar in privater Gesellschafterhand bleibt: Die Vielzahl der Engagements dürften die Ertragskraft des unternehmerischen Portfolios langfristig attraktiv und auskömmlich machen.
Status
Der Kontrast zwischen Jahrzehntbeginn und dessen Ende lässt den Betrachter mit dem Eindruck eines soliden, traditionsreichen Bitburger-Stammgeschäfts zurück. 2010 stand die Marke Bitburger noch stabil im Wind. 3,92 Millionen Hektoliter wurden in Bitburg gebraut, davon gingen 917.000 Hektoliter in die Gastronomie. Der Exportanteil wuchs auf 270.000 Hektoliter. Zum Ende des Jahrzehnts schließt man das Geschäftsjahr 2018 mit 3,8 Millionen Hektolitern ab, der Exportanteil beträgt noch 245.000 Hektoliter. Der Fassbieranteil liegt 2018 bei immer noch 785.000 Hektolitern. Dabei ist die Marke Bitburger mit einem Fassbieranteil von 21 Prozent (geschätzt) unverändert die führende Fassbiermarke in Deutschland. Die jüngst fulminante Ankündigung von Geschäftsführer Axel Dahm, dass Bier zu günstig sei und eine höhere Wertschätzung verdiene, bleibt zumindest aktuell vom Handel ungehört im Raum stehen. Mitte Juli 2019 steht die neue Bitburger-Sorte „Kellerbier“ als Six-Pack für 2,63 Euro im Regal von Real – der gleiche Aktionspreis wie schon 2004 für die Sorte Pils.
Perspektive
Mit einem abgerundeten und absolut wettbewerbsfähigen Sortiment kann sich die Marke Bitburger gut fürs nächste Jahrzehnt aufgestellt sehen. Es sind die traditionellen Sorten, die im Spektrum ganz vorn stehen. Hinzu kommt eine zukunftsgewandte, rechtzeitig eingeführte 0,0-%-Range. Und selbstverständlich bleibt Bitburger auch in den 20er-Jahren eine bevorzugte Biermarke, die ihren Platz in der Gastronomie behalten wird. Ob die Marke Bitburger mit ihrem Produktportfolio angesichts der strukturellen Rahmenbedingungen noch Marktkraft entwickeln und wachsen kann, bleibt abzuwarten.
Zahlen & Fakten
Ausstoß 2018: 3,8 Millionen Hektoliter*
Fassbieranteil: 21 Prozent*
Marktanteil im Handel: 7,3 Prozent**
Export: 245.000 Hektoliter*
*geschätzt
**AC Nielsen
Die Markenbetrachtung von König und Wernesgrüner folgen in dieser Serie zu einem späteren Zeitpunkt.