Nach 23 Jahren als Vorstand der Kulmbacher Brauerei verabschiedet sich Markus Stodden (62) Ende Oktober in den Ruhestand. Im Gespräch mit Getränke News blickt er zurück auf seine Karriere, erzählt von seinem ungewöhnlichen Einstieg in die Bierbranche und den Erfolgsstrategien, die Mönchshof zu einer der Top-Marken gemacht haben.
Getränke News: Sie stammen aus einer Winzerfamilie von der Ahr. Nach dem Studium fingen Sie bei Apollinaris/Schweppes im Marketing an, danach gingen Sie zum Weinspezialisten Racke. Vor 23 Jahren dann der Wechsel nach Kulmbach. Warum zu einer Brauerei?
Stodden: Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn habe ich überhaupt nicht daran gedacht, Vorstand einer Brauerei zu werden. Auch wenn ich damals schon eine sehr hohe Affinität zur Getränkebranche hatte. In meinem Berufsleben habe ich mich immer wieder gefragt, ob mich das, was ich tue, meinem Ziel näherbringt. Mein Ziel war schon sehr früh, Geschäftsführer zu werden. Als mir dann 2001 der Vorstandsposten in Kulmbach angeboten wurde, war das für mich wie ein Sechser im Lotto. Dazu mit Bier ein leidenschaftliches, traditionsreiches und spannendes Produkt. Das hat mich gereizt.
Mit meinen Erfahrungen im Markt der alkoholfreien Getränke sowie im Wein- und Spirituosenmarkt war ich bereit für den nächsten Schritt und bin dem Ruf nach Kulmbach und damit in die Braubranche gefolgt. Die Bierwelt unterscheidet sich zwar von der AfG- oder der Wein-Branche, doch ich hatte damals bereits so viel Selbstvertrauen, dass ich mich auf das Abenteuer einließ und mit 39 Jahren der jüngste Vorstand der Braubranche wurde.
Getränke News: Woher nahmen Sie so viel Selbstvertrauen?
Stodden: Jeder Wechsel in meiner Karriere hat dazu geführt, dass ich mich neu auf Menschen, Organisationen und Aufgaben einstellen musste. Dadurch wird man flexibel. Ich musste für Probleme unterschiedlichster Art Lösungen entwickeln. Das hat meinen Horizont massiv erweitert. Zu sehen, dass mir das gelingt, hat mich für weitere Herausforderungen geöffnet und mein Selbstvertrauen in die eigenen Erfahrungen gestärkt. Ich habe gelernt, Dinge mutig anzugehen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Themen fokussiert umzusetzen.
Getränke News: Wie war das damals? Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Schritte in der Bierbranche?
Stodden: Oh ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Die Aussage meines früheren Chefs umschreibt es sehr gut: „Jetzt wirst du Vorstand, aber erst in drei Jahren wirst du ein Vorstand sein.“ Wie recht er doch gehabt hat. Es gab neue Herausforderungen und ich musste große Verantwortung übernehmen. Jede Erfahrung in meiner Karriere – im positiven wie im negativen Sinne – hat mich zu dem Unternehmer gemacht, der ich heute bin.
Getränke News: Sie haben die Braugruppe auf nachhaltigen Wachstumskurs gebracht, unter Ihrer Führung wuchs die Marke Mönchshof von 190.000 Hektoliter auf über 1,25 Millionen Hektoliter. Was war der Schlüssel zum Erfolg?
Stodden: Der Erfolg wäre nicht möglich gewesen ohne mein Team, das heute teilweise noch aus denselben Mitarbeitern besteht wie damals. Wir haben früh angefangen, Steuerungssysteme für den Vertrieb aufzubauen, was damals relativ neu war in der Bierbranche. Eine Chance habe ich im Thema „Sortiment“ gesehen. Also haben wir in der Kulmbacher Gruppe damals damit begonnen, mehrere Marken und unterschiedliche Biersorten mit einer Hand zu führen. Jeder Marke wurde eine Rolle zugeteilt und eine Matrix erstellt. Darunter war auch die kleine Marke Mönchshof, die wir Schritt für Schritt national aufgebaut haben.
Getränke News: Haben Sie Ihre Erfahrungen aus dem elterlichen Winzerbetrieb und Ihrer Zeit bei Racke eingebracht?
Stodden: Ja. Vom elterlichen Winzerbetrieb kannte ich Sortimente und geschmackliche Abwechslungen. Auch bei Racke hatten wir die unterschiedlichsten Marken und Geschmacksrichtungen im Portfolio. Ähnlich wie ich es vom Racke-Mehrmarkenvertrieb her kannte, haben wir in Kulmbach eine klare Steuerung jeder einzelnen Marke eingeführt, allerdings mit einer deutlich größeren regionalen Tiefe. So wird beispielsweise in der Region Würzburg der Marke Würzburger Hofbräu eine hohe Priorität eingeräumt, auch wenn der Außendienst sich mit der Erfolgsmarke Mönchshof leichter tun würde. Dazu gehören jedoch eine klare Strategie und jede Menge Disziplin.
Getränke News: Wie hat der Vertrieb darauf reagiert?
Stodden: Wir haben eine Mechanik entwickelt, um diesen regional ausgeprägten Mehrmarkenvertrieb erfolgreich und gut handhabbar umzusetzen und konnten dafür auch unsere Mitarbeiter gewinnen. Damit haben wir uns auch in Krisenzeiten immer besser entwickelt als der Markt. So hatten wir beispielsweise während Corona ein Wachstum um 200.000 Hektoliter. Und die Menge haben wir nach Corona nicht wieder verloren, sondern sind weiterhin gewachsen. Auch während der Wirtschafts- und Rohstoffkrise konnten wir zulegen.
Getränke News: Auch dank zahlreicher neuer Biersorten …
Stodden: Nach dem Prinzip „Zukunft braucht Herkunft, Herkunft braucht Veränderung“ haben wir immer wieder innovative Akzente gesetzt und auch neue Segmente geschaffen – beispielsweise mit der Einführung des Mönchshof Kellerbieres oder des Mönchshof Naturradlers. Heute ist Mönchshof unter den Top Zehn der deutschen Biermarken und mit einem Anteil von über 30 Prozent die klare Nummer eins im Bügelmarkt. Das macht mich stolz. Und es lässt mich dankbar und zufrieden auf die Zeit bei der Kulmbacher Brauerei zurückblicken.
Getränke News: Bei allem Erfolg, was würden Sie aus heutiger Sicht dennoch anders machen?
Stodden: Nichts! Weil wir mit unserer Vorgehensweise wohldosiertes, nachhaltiges Wachstum erzeugen konnten.
Getränke News: Was sind heute die größten Herausforderungen der Bierbranche?
Stodden: Wenn ich von meiner heutigen Perspektive auf die Branche insgesamt schaue, dann sind die größten Herausforderungen, an Profitabilität zu gewinnen und weniger Aktionismus an den Tag zu legen. Die Brauer sollten die unglaubliche Vielfalt nutzen, die sich aus nur vier Zutaten ergeben kann, und daraus erfolgreich vermarktbare Sortimente entwickeln. Den Kunden auf neue Geschmacksebenen zu führen und gleichzeitig die Profitabilität zu steigern – das waren und sind die großen Aufgaben der Brauereien.
Getränke News: Was raten Sie den jungen Kollegen?
Stodden: Es steht mir nicht zu, am Ende meiner beruflichen Laufbahn anderen Ratschläge zu erteilen. Allerdings kann ich gerade für schwierige Situationen nur empfehlen, Entwicklungen genau zu analysieren, vielleicht auch erst einmal abzuwarten, dann Optionen sorgsam abzuwägen und immer wieder kritisch zu reflektieren.
Getränke News: Würden Sie heute noch einmal in die Bierbranche gehen?
Stodden: Ganz klar: Ja! Die Braubranche hat mich von Anfang an begeistert und meinen Horizont erweitert – und so bin ich ihr die letzten 23 Jahre treu geblieben. Das Persönliche und Emotionale macht unsere Branche so besonders. Man kennt sich, pflegt persönliche Beziehungen zueinander und kann sich in einem starken Netzwerk einbringen. Wenn man sich trifft, kommt man ins intensive Gespräch, tauscht sich auf Augenhöhe aus, teilt Freud‘ und Leid miteinander. Uns verbindet ganz einfach die Liebe und die Leidenschaft für ein einzigartiges Produkt. Wobei nicht zu verhehlen ist, dass sich die Branche in den letzten zwei bis drei Jahren verändert hat und sich mit den jungen Entscheidern der Branche wieder ein Wandel vollziehen wird.