Deutschlands zweitgrößter Mineralbrunnen, die Hansa-Heemann AG, will sein Markengeschäft weiter ausbauen. Das kündigt Volker Büttel, Vorstand Marketing und Vertrieb, im Interview mit Getränke News an. Er sieht bei den Marken deutliche Zeichen für Wachstum und ein großes Innovationspotenzial. An der Gesamtstrategie – mit einem sehr starken Handelsmarkenanteil – will er aber festhalten. Gerade in der Krise habe sich die breite Aufstellung des Unternehmens bewährt.
Getränke News: Wie hat sich Ihr Unternehmen im letzten Jahr entwickelt, wie ist die Hansa-Heemann AG bis jetzt durch die Corona-Pandemie gekommen?
Büttel: 2020 war natürlich kein leichtes Jahr. Aber unter dem Strich ist es für uns glimpflich abgelaufen. Mit den drei Säulen – Handelsmarken, Markenartikel und Lohnproduktion – sind wir breit aufgestellt. Das hat sich auch in der Krise ausgezahlt. Unser Handelsmarkengeschäft war leicht rückläufig, das entspricht aber dem allgemeinen Markttrend. Der Bereich der Marken war stabil, da können wir zufrieden sein. In der Lohnproduktion haben wir zugelegt.
Getränke News: Mit St. Michaelis haben Sie auch eine reine Gastronomiemarke im Sortiment …
Büttel: Die ist natürlich durch die Corona-Schließungen unter die Räder gekommen; St. Michaelis hat zwar nur einen Absatzanteil von unter fünf Prozent, aber die Profitabilität ist deutlich höher. Dank einem wachsenden LEH-Geschäft haben wir das aber ausgeglichen. Unsere national aufgestellte Marke Hella ist ein starker Wachstumsmotor, die konnte diese Scharte auswetzen. Insgesamt ging es bei Hansa-Heemann trotz etwas rückläufiger Mengen beim Umsatz leicht aufwärts.
Getränke News: Wie sah es denn im letzten Jahr bei den verschiedenen Kategorien aus?
Büttel: Das muss man immer im Zusammenhang mit den Marken sehen. Der Gesamt-Wassermarkt ist um zwei Prozent mengenmäßig rückläufig, daher spielen bei den Marken die Gebinde eine sehr große Rolle. Wir haben da seit zwei Jahren diese extreme Verschiebung zu Glas, weg von PET. PET wird es immer geben, aber auf niedrigerem Niveau.
Bei den Handelsmarken kann man diese Verluste nicht ausgleichen, bei den Marken aber schon. Hella war bislang nur in PET erhältlich. Diese Flanke haben wir in diesem Jahr geschlossen: Seit Februar gibt es unsere Mineralwässer in den drei Sorten Classic, Medium und Naturell auch in der 0,7-Liter-Individualglasflasche im 12er-Mehrwegkasten. Da sind wir gerade im Distributionsaufbau.
Getränke News: Hella ist auch sehr stark im Segment Wasser mit Geschmack …
Büttel: Ja, mehr als 50 Prozent des Absatzes entfällt bei Hella auf die Kategorie. Im letzten Jahr haben wir da absatzmäßig noch einmal um 11 Prozent zugelegt, während der Wettbewerb strauchelt. Unsere Marke ist in der Kategorie der einzige Wachstumsmotor, sie ist inzwischen Marktführer unter den Flavoured Waters.
Getränke News: Wie konnte das gelingen?
Büttel: Offenbar haben wir einiges richtig gemacht. Wir liegen preislich etwas unter dem Wettbewerb, sind also „nicht ganz so premium“. Auch die Entscheidung vor ein paar Jahren für das 0,75-Liter-Gebinde war richtig – das ist ein gutes Mitnahmegebinde.
Getränke News: Und welche Bilanz können Sie für die Marke Fürst Bismarck ziehen?
Büttel: Das ist eine tolle Marke, die unser Portfolio sehr gut ergänzt. Aber sie wurde über Jahre ausgenommen. Seit der Übernahme von Nestlé 2017 haben wir viel auf die Beine gestellt. Wir haben einen hohen Millionenbetrag investiert – in das Werk in Aumühle, in neue Flaschen und Gebinde, in die Werbung und Kommunikation. Die Integration war ein Kraftakt. Heute ist Fürst Bismarck „sehr premium“ und ganz klar Marktführer im Norden. Trotzdem haben wir das Volumen bis jetzt nur gehalten. Eines ist sicher: Ein Marken-Mineralwasser in der Wahrnehmung umzudrehen ist ein hartes Business. Letztes Jahr haben wir an der Verpackung gearbeitet; jetzt sind Produktinnovationen dran.
Getränke News: Sie haben sich bei Fürst Bismarck im letzten Jahr ganz vom GdB-Gebinde verabschiedet. Warum?
Büttel: Eines vorab: Im Preiseinstieg und im Mittelpreissegment bleiben wir bei dem GdB-Poolgebinde. Eine Premiummarke muss aber dem Konsumenten etwas bieten. Beim Mineralwasser haben wir eine Preisspreizung zwischen 13 Cent für die Handelsmarke und dem Drei- bis Vierfachen für die Premiummarken. Es ist schwierig, das nur über den Geschmack zu erklären. Das Packaging kann nicht außen vor bleiben, das ist zur Differenzierung einfach notwendig.
Getränke News: Andererseits passen doch die Poolgebinde gut zur Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten …
Büttel: Die Mehrzahl unserer Produkte ist regional distribuiert, 98 Prozent der Mengen werden über Strecken von weniger als 250 Kilometern transportiert. Einzige Ausnahme ist – als nationale Marke – Hella. Mit fünf Werken in Deutschland haben wir zudem alle Ecken der Republik abgedeckt und daher nicht so weite Transportwege. Da fällt also der Unterschied zwischen Pool- und Individualgebinde nicht so stark ins Gewicht.
Getränke News: Neben Verpackungsneuheiten haben Sie 2020 und auch schon in diesem Jahr einige Produktinnovationen auf den Markt gebracht. Die Einführung von Sirupen zum Selbermixen unter der Marke Hella dürfte in der Branche für Wirbel gesorgt haben …
Büttel: Ja, da gab es auch viel Kritik, wie wir so etwas machen können. Die Sirupe sind lange unter dem Radar geflogen, aber bei einem Plus von 40 Prozent allein im letzten Jahr kann man nicht mehr von einer Nische sprechen. Umgerechnet in Fertiggetränk ist das Segment größer als das der Schorlen. Und ich erwarte, dass die Kategorie noch weiterwächst. Natürlich leiden wir, wie die ganze Branche, unter den Wassersprudlern. Aber wir werden diesen Trend nicht aufhalten können.
Wegen dem starken Schwerpunkt bei den Wässern mit Geschmack eignet sich Hella unheimlich gut für solche Neuheiten. Wenn wir diese Markenplattform clever für uns nutzen, können wir künftig sicherlich noch mehr aus der Marke rausholen. Die alkoholfreien Getränke sind ja eine sehr innovative Warengruppe. Aber jetzt haben gerade erst die Gespräche mit dem Handel begonnen, und die erste Flasche Sirup verlässt Ende Mai das Werk.
Getränke News: Das klingt so, als wollten Sie den Anteil des Markengeschäfts noch ausbauen …
Büttel: Unser Handelsmarkengeschäft macht immer noch 70 Prozent vom Absatz aus, etwa 20 Prozent entfallen auf Marken. Unsere erklärte Strategie geht allerdings tatsächlich in Richtung eines Ausbaus der Marken. Während die Handelsmarken seit Jahren eher rückläufig und von zunehmendem Preisdruck gekennzeichnet sind, sehen wir bei den Marken deutliche Zeichen von Wachstum und ein großes Innovationspotenzial.
Getränke News: Also ein Richtungswechsel?
Büttel: Nein, wir bleiben bei unseren drei Standbeinen. Wir wollen nicht in Kategorien denken, sondern die Warengruppe ganz bedienen. Und dazu gehören auch die Handelsmarken. Was allerdings manche nicht verstanden haben: Man kann Handelsmarken nicht mal so nebenbei mitnehmen. Das funktioniert so nicht. Wir behandeln beide Bereiche als komplett separate Units – jeweils mit Leuten, die dafür brennen. Damit fahren wir gut. In der Coronakrise zeigt sich das gerade überdeutlich.
Unser Gesprächspartner:
Volker Büttel ist seit Juni 2019 Mitglied des Vorstandes der Hansa-Heemann AG und verantwortet den Bereich Vertrieb und Marketing. Vor seiner Tätigkeit bei Hansa-Heemann war er bei der Carl Kühne KG in Hamburg tätig, wo er als Mitglied der Geschäftsleitung für den Vertrieb im In- und Ausland zuständig war. Zuvor sammelte er einschlägige Erfahrungen in der Getränkeindustrie in den Bereichen Marketing und Vertrieb unter anderem bei der Apollinaris & Schweppes GmbH in Hamburg und bei Coca-Cola Deutschland in Berlin und Düsseldorf.
Über das Unternehmen:
Die Hansa-Heemann AG gehört seit über vier Jahrzehnten zu den führenden Anbietern von Mineralwasser und Erfrischungsgetränken in Deutschland. Neben der Zentrale in Rellingen bei Hamburg verfügt Hansa-Heemann über Werksstandorte in Aumühle, Trappenkamp, Kloster Lehnin, Löhne und Bruchsal. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 850 Mitarbeiter. Zum Unternehmen gehören u. a. die Marken Hella, Fürst Bismarck Quelle und St. Michaelis.