Mit der neuen Braukunstwelt, einer neuen Brauerei für Bayreuther Hell und einer klaren Vision führt Jeff Maisel das Familienunternehmen mutig in die Zukunft. Im Interview mit Getränke News spricht der Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel über Leidenschaft und Verantwortung, über den Boom des Hellbiers, über Investitionen in schwierigen Zeiten – und darüber, warum nachhaltiges Wachstum für ihn immer vom Vertrauen der Kunden ausgeht.
Getränke News: Sie haben mit der Braukunstwelt gerade ein Projekt eröffnet, das weit über ein klassisches Brauereimuseum hinausgeht. Was war Ihre ursprüngliche Idee dahinter – Marketinginstrument, Wissensvermittlung oder Herzensprojekt?
Maisel: Von allem etwas – aber vor allem Herzensprojekt. Ich denke da oft an den Satz meines Großvaters: „Ein Brauer, der nicht baut, bald auch nicht mehr braut.“ Mit unserem alten Brauereimuseum hatten wir bereits einen Ort, an dem Geschichte und Tradition lebendig waren. Doch wir wollten mehr: zeigen, dass Bier weit mehr ist als ein Alltagsgetränk.
Die Vielfalt, die allein aus vier Zutaten entsteht – Malz, Hopfen, Wasser und Hefe – ist unglaublich. Hunderte Bierstile, tausende Aromen und unendlich viele Geschmackswelten lassen sich daraus entwickeln. Gerade in Bayern, wo das Reinheitsgebot besonders präsent ist, wollten wir beweisen: Es ist kein Kreativitätshemmer, sondern ein Rahmen, in dem Großartiges entstehen kann. Für uns ist es sportlicher Ehrgeiz, mit genau diesen vier Zutaten das Maximum herauszuholen. Selbst bei unserem Chocolate Bock, bei dem viele denken, wir hätten Schokolade zugesetzt, entsteht das Aroma ausschließlich durch Malz. Das ist für uns die Essenz von Braukunst. Ich freue mich, wenn wir die Leute damit überraschen können.
Getränke News: Wie haben Sie diese Vision in der Braukunstwelt umgesetzt?
Maisel: Im Mittelpunkt stehen unsere Braumeister und ihre Leidenschaft. In Filmen und Interviews gewähren sie persönliche Einblicke und erklären, wie sie mit den Rohstoffen umgehen. Besucher erleben an interaktiven und sensorischen Stationen, wie unterschiedlich Malz schmecken kann oder welche Aromavielfalt im Hopfen steckt. Wir wollten außerdem zeigen: Brauhandwerk ist keine abstrakte Technik, sondern lebendige Kultur.
Getränke News: Wie lange wurde an dem Projekt gearbeitet?
Maisel: Vier Jahre von der ersten Idee bis zur Eröffnung, davon ein Jahr Bauzeit. Der Altbau hat uns einiges abverlangt, gleichzeitig haben wir unzählige Stunden in die Konzeptarbeit sowie Drehs und Schnitt der Filme gesteckt, die Besucher in der Braukunstwelt ansehen können. Vor wenigen Tagen habe ich das fertige Ergebnis selbst zum ersten Mal komplett gesehen – und war ehrlich begeistert, wie aus einer Vision eine Erlebniswelt wurde.
Getränke News: Wen möchten Sie mit der Braukunstwelt ansprechen?
Maisel: Ganz bewusst mehrere Zielgruppen. Einsteiger, die vielleicht zum ersten Mal bewusst erleben, wie faszinierend Bier sein kann. Und Profis, Hobbybrauer oder Biersommeliers, die tiefer einsteigen wollen. Deshalb arbeiten wir mit unseren Partnern BarthHaas, Ireks, Doemens, dem Forschungszentrum Weihenstephan und der TU München zusammen. Jeder bringt seine Expertise ein – so ist ein Kompetenzzentrum entstanden, das es in dieser Form in Deutschland kein zweites Mal gibt.
Getränke News: Parallel entsteht das neue Bayreuther Brauhaus, eine Braustätte ausschließlich für Bayreuther Hell. Ein großes Projekt in Zeiten rückläufigen Bierkonsums.
Maisel: Der Biermarkt schrumpft, das ist Realität. Aber Hellbier ist eines der wenigen Segmente mit Wachstum. Mit Bayreuther Hell – und inzwischen auch Bayreuther Hell Alkoholfrei – haben wir eine Marke mit Perspektive. Unser Grundsatz lautet: „Wir wachsen, weil unsere Kunden wollen, dass wir wachsen.“ Wir investieren also nicht ins Blaue, sondern weil die Nachfrage da ist.
Zudem wird das Bayreuther Brauhaus unsere erste reine „Mono-Artikel-Brauerei“. Das bedeutet: maximale Effizienz, modernste Technik, absolute Fokussierung. Damit sichern wir Qualität, Kostenstabilität und Zukunftsfähigkeit – auch in einem schwierigen Umfeld.
Getränke News: Ein Projekt in dieser Größenordnung verlangt enorme Investitionen. Wie überzeugt man Banken in Zeiten eines schrumpfenden Biermarkts – und welche Rolle spielt dabei die Familie?
Maisel: Entscheidend ist, dass die Bank erkennt: Hinter dem Projekt steht die ganze Familie Maisel – mit Überzeugung und mit Realitätssinn. Schon 1999 haben wir in unserer Familiencharta festgeschrieben, dass wir unserer Heimatstadt Bayreuth immer treu bleiben werden und alles, was wir verdienen, wieder in die Brauerei investieren. Das ist bis heute unser Leitbild.
Diese Haltung schafft Vertrauen. Denn wir wollen nicht „größer, schneller, weiter“ um jeden Preis, sondern wir wachsen aufgrund der Nachfrage. Das überzeugt auch Partner und Geldgeber.
Getränke News: Dennoch gab es Bürgerinitiativen, die den Bau verhindern wollten …
Maisel: Ja, und das war zunächst mühsam. Aber im Nachhinein hat es uns sogar geholfen. Die Klagen haben uns gezwungen, jedes Detail noch präziser zu planen. Heute ist wirklich alles definiert – von der Steckdose bis zum Bodenbelag. So konnten wir das Projekt extrem kostensicher aufsetzen. Natürlich war es ärgerlich, dass Ängste oft lauter waren als Fakten. Aber ich bin überzeugt: Wenn die Brauerei steht, wird sich die Aufregung legen. Und spätestens beim ersten gemeinsamen Bier mit den Nachbarn findet man sicher zusammen.
Getränke News: Wie lange wird der Hellbier-Boom noch anhalten?
Maisel: Ewiges Wachstum wird es nicht geben. Aber Hellbier wird noch einige Jahre Marktanteile gewinnen. Es ist unkompliziert, leicht zugänglich, „Flasche auf – los geht’s“. Gerade junge Leute fühlen sich davon angesprochen. Pils oder Weißbier wirken oft komplizierter, schwerer. Hell hat dieses Image abgelegt und wird deshalb noch eine Weile wachsen – auch wenn der Gesamtmarkt schrumpft.
Getränke News: Ende 2022 haben Sie die Weismainer Brauerei übernommen. Warum dieser Schritt?
Maisel: Weil er uns mehrere Türen geöffnet hat. Zum einen konnten wir eine fränkische Braustätte erhalten und damit eine Produktionsbasis für regionale Spezialitäten sichern – vom „Flechterla“-Kellerbier mit und ohne Alkohol über Vollbier und dunklen Bock bis hin zu einem fränkischen Hell. Damit erweitern wir unser Sortiment authentisch und knüpfen an die regionale Identität an.
Zum anderen haben wir damit Kapazitäten für das alkoholfreie Geschäft geschaffen: Libella, Mineralwasser und neue Spezialitäten. Wir sehen gerade dort große Chancen – denn der Trend zu alkoholfreien Getränken ist ungebrochen.
Getränke News: Wo sehen Sie die besonderen Stärken von Maisel im Wettbewerb?
Maisel: Wir haben früh begriffen, dass Stillstand keine Option ist. Ende der 90er standen wir selbst vor einer Krise – und haben uns komplett neu aufgestellt. Seitdem gilt: Tradition bewahren, aber mutig Neues wagen.
Unser Erfolg basiert auf drei Dingen: unseren starken Teams, guten Partnern und dem Mut, Neues auszuprobieren. Natürlich gelingt nicht alles. Aber wenn eine Idee Gestalt annimmt – wie jetzt die Braukunstwelt –, dann ist es umso wertvoller.
Getränke News: Zum Schluss eine persönliche Frage: Was treibt Sie an – Tradition, Wachstum oder der Wille, Neues auszuprobieren?
Maisel: Es ist die Mischung. Einerseits die Verantwortung für unsere Mitarbeiter und ihre Familien. Andererseits die Freude am Gestalten. Mich motiviert das gemeinsame Entwickeln – Ideen, die aus einem Team heraus entstehen und dann Wirklichkeit werden.
Mein Ziel ist nicht, die größte Brauerei zu führen. Sondern die, die im besten Sinne anders ist: nah am Kunden, innovativ, authentisch. Wenn am Ende Projekte wie die Braukunstwelt von vielen getragen und gefeiert werden, dann ist das für mich die größte Motivation. Und wenn ich in zehn Jahren zurückblicke, möchte ich sagen können: Wir sind bunt, wir sind fröhlich, wir sind immer in Bewegung geblieben.



























































































