Die meisten Mineralbrunnen sind eher Wasserabfüller als Markenartikler, ihre Kommunikation ist zu schwach. So lautet das knallharte Urteil des Marktforschers und Beraters Dr. Uwe Lebok von K&A Brand Research. Im harten Kampf gegen Leitungswasser und Sodastream brauche Mineralwasser einen Paradigmen-Wechsel, forderte er als Referent bei den Getränke Impuls Tagen. Getränke News sprach mit ihm über die Probleme, aber auch Chancen einer krisengeplagten Branche.
Getränke News: Der Pro-Kopf-Konsum von Mineralwasser sinkt hierzulande seit Jahren, immer mehr Menschen trinken aufgesprudeltes Leitungswasser. Haben die Mineralbrunnen die Zeit verschlafen?
Lebok: Diese Frage kann ich nur mit ja beantworten. Die Mineralbrunnen haben sich auf ihren Erfolgen ausgeruht. Tatsache ist: Seit 1970 ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Mineral- und Heilwasser nur nach oben. Daran änderte auch der Markteintritt von Sodastream nichts, die 1994 auf den deutschen Markt kamen. Erst 2018, als Sodastream von Pepsico übernommen wurde und der Werbedruck massiv erhöht wurde, spürten die Brunnen ein verändertes Konsumverhalten, der Pro-Kopf-Verbrauch ist seitdem deutlich gesunken. Viele trinken jetzt Leitungswasser, aufgesprudelt, und setzen es mit Mineralwasser gleich.
Getränke News: Was wissen die Verbraucher über Leitungswasser?
Lebok: 85 Prozent der Deutschen beurteilen die Qualität ihres Leitungswassers als sehr gut bzw. gut. Die Hamburger Trinkwasserstudie von 2020 ergab, dass 47 Prozent der Befragten glauben, dass Leitungswasser aus dem Grundwasser stammt, 16 Prozent denken, es kommt aus Quellen und 44 Prozent gaben an, sie wissen es nicht. Daran sieht man, wie wenig die Verbraucher über Leitungswasser wissen. Ihnen ist nicht bewusst, dass Leitungswasser chemisch aufbereitetes Wasser ist. Sie wissen, dass man es bedenkenlos trinken kann und sich keine Sorgen darüber machen muss. Dies wird durch nationale Kampagnen der Bundesregierung unterstützt, in denen mit der hervorragenden Qualität unseres Leitungswassers geworben wird. Eine indirekte Werbung für Wassersprudler, finanziert durch Steuergelder.
Getränke News: Was macht Sodastream so erfolgreich?
Lebok: Die Kernaussage der Sodastream-Kommunikation ist: Wir machen euch den Alltag leichter. Neben der Bequemlichkeit spielt Sodastream auch den Umweltschutzaspekt sehr gut aus. Mit einem Wassersprudler kann jeder zum Wassermacher werden und tut Gutes, weil er das Wasser aus der Region trinkt, ohne dass es zuvor mit Lkws durch die Lande transportiert werden muss.
Getränke News: Und die Antwort der Brunnen?
Lebok: Die Brunnen waren in Schockstarre und hatten jahrelang keine Antwort darauf. Dann haben sie den Fehler gemacht, auf die Argumente von Sodastream zu reagieren, statt den Mehrwert von Mineralwasser gegenüber Leitungswasser herauszustellen. Inzwischen sind die Brunnen aufgewacht und machen es deutlich besser. Zuletzt konnte der Verband Deutscher Mineralbrunnen die Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo als Botschafterin für Mineralwasser gewinnen.
Getränke News: Welche Rolle spielt die Markenstärke von Sodastream?
Lebok: Sodastream ist so erfolgreich, weil es seine Stärken in der Alltagsverwendung deutlich herausstellt und die Mineralbrunnen bislang zu schwach in ihrer Kommunikation waren. Sodastream ist bequem und einfach. Mit der Glasflasche hat das Unternehmen außerdem versucht, eine höhere Wertigkeit in das Thema Sprudler zu bringen. Die Marke ist jedoch nicht so stark wie die Umsätze vermuten lassen. Sodastream ist ein Gerät und austauschbar. Seit Aldi und Lidl eigene Sprudler auf den Markt gebracht haben, verliert Sodastream.
Getränke News: Hat der Mineralwassermarkt zu wenige starke Marken?
Lebok: Es gibt auch ein paar wenige starke Mineralwassermarken, aber im Verhältnis zur Anzahl der Mineralbrunnen in Deutschland sind es viel zu wenige. Die meisten Brunnen in Deutschland sind eher „Wasserabfüller“ als Marken im eigentlichen Sinne. Eine starke Marke weist in der Regel drei bis fünf Brand Assets auf, die unmissverständlich mit nur dieser Marke verbunden werden. Das weisen hierzulande nicht viele Mineralwässer auf. Hier könnten sich die Mineralbrunnen an den Brauern orientieren. Einige kleinere Brauereien haben in ihrer Region mittlerweile richtig gute Jobs in ihrer Markenführung hingelegt. Wer Marke sein will, braucht ein Branding, muss auch als Marke in Erscheinung treten und im Alltag seiner Verbraucher erlebbar sein.
Getränke News: Wie Gerolsteiner bei Wacken? Auf dem Festival lief der Mönch Gerold in dunkler Mönchskutte und Kapuze über dem Kopf umher und bot den Besuchern ein sogenanntes Zwischenwasser an …
Lebok: Die Aktion war außergewöhnlich merk-würdig. Überspitzt könnte man es so beschreiben: Mönch bringt Teufelsanbetern geweihtes Wasser. Das waren starke Bilder, die etwas bewirken. Auch in jungen Zielgruppen. Und mit Mineralwasser!
Getränke News: Der Trend geht zur gesunden Ernährung, die Leute werden ernährungsbewusster. Kann Mineralwasser davon profitieren?
Lebok: Es ist eigentlich eine gute Zeit für Mineralwasser. Die Brunnen müssen den Verbrauchern lediglich sagen, warum sie Mineralwasser trinken sollen und es für sie besonders gut im Alltag ist. Die Verbraucher sehnen sich nach Natürlichkeit, wollen sich gesund ernähren, wollen eine Garantie für Gesundheit und Sorglosigkeit. Darauf sollten die Brunnen reagieren.
Getränke News: Was sind bislang die Kaufkriterien für Mineralwasser?
Lebok: Neuste Untersuchungen zeigen, dass bei den Kaufkriterien der Geschmack und der Preis an erster Stelle stehen. Die Marke fällt ungestützt nachgelagert und viel später als Kriterium ein. In der Kommunikation spielt jedoch der Geschmack bislang kaum eine Rolle. Die meisten Mineralbrunnen machen Kategorie-Werbung: Sie zeigen Natur, Tiere oder Quellen und sagen, wie schön die Natur ist und dass von dort ihr gutes Wasser kommt. Schöne Regionen wie zum Beispiel die Alpen, der Schwarzwald oder die Vulkaneifel sind zwar ein guter Reason-to-Believe, erzeugen aber beim Verbraucher keinen Wow-Effekt.
Getränke News: Ein nur leicht mineralisiertes Wasser könnte also mit seinem milden Geschmack werben?
Lebok: Der Verbraucher sucht die Simplifizierung. Die Brunnen sollten ihm sagen, warum ihr Wasser besser schmeckt als das der Mitbewerber, warum er genau dieses Wasser kaufen soll. Das passiert noch viel zu wenig.
Getränke News: Wie können die Brunnen Markenwerte schaffen?
Lebok: Jeder Brunnen sollte sich erst einmal intensiv mit seinen Konsumenten in deren Lebensalltag auseinandersetzen, sollte sich fragen, ob seine Marke markant genug ist. Es sollten außerdem Anlässe geschaffen werden, warum die Kunden Mineralwasser trinken sollen und weshalb gerade diese Marke. So hat zum Beispiel Staatl. Fachingen die Themen Wein und Wellness als Konsumanlässe für seine Marke definiert. Und wer eine Römerquelle hat, sollte seine Marke auch dort inszenieren, wo die Menschen mit dem Thema „Römer“ in Kontakt kommen. Das könnte beispielsweise am Limes oder in Museen sein. Das wird zwar ansatzweise versucht, aber nicht konsequent umgesetzt.
Aktuell erzählen die meisten Brunnen in ihrer Werbung das Gleiche, viele zeigen schöne Natur und Bilderbuchbilder. Das ist für die Verbraucher eher einschläfernd. Da löst sogar die Werbung von Baldriparan deutlich mehr Wow in ihrer Zielgruppe aus.
Getränke News: Was kann der Mineralwasserverband machen?
Lebok: Die größte Herausforderung für die Mineralbrunnen wird sein, ihr Wasser zu inszenieren. Der Tag des Mineralwassers ist ein sehr guter Ansatz. Ich halte jedoch den Zeitpunkt im Oktober für weniger gut gewählt, da er am Rhythmus der Menschen vorbei geht. Im Oktober denken die Leute an Lebkuchen oder Starkbier und fahren ihre Aktivitäten zurück. Der Tag des Mineralwassers sollte in einer Zeit sein, in der die Leute ans Fasten denken oder aktiv sind, vielleicht im Januar oder im Mai. Noch besser als ein Tag des Mineralwassers wären „Tage des Mineralwassers“. In einer solchen Woche könnten dann umfangreiche Aktionen im Handel und im Alltagsumfeld der Konsumenten stattfinden.
Unser Gesprächspartner
Dr. Uwe H. Lebok ist Vorstand (CMO) beim Marktforschungs- und Markenberatungsinstitut K&A Brand Research und unterstützt vor allem mittelständische Unternehmen mit Markenstrategien. Besondere Expertise weist der Berater, Autor und Speaker in den Segmenten Health Care, Handel, Food & Beverage sowie im Generationenmarketing auf.