Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind sich einig, dass die Nationale Wasserstrategie angesichts des Klimawandels einen guten und notwendigen Rahmen für den künftigen Umgang mit der Ressource Wasser bildet. Das wurde bei dem Symposium deutlich, zu dem der Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM) letzte Woche nach Berlin einlud. Getränke News bat VDM-Geschäftsführer Jürgen Reichle um seine Bilanz.
Getränke News: Wie beurteilen Sie ganz allgemein die Nationale Wasserstrategie?
Reichle: Nach der Energiewende ist die „Wasser-Wende“ DAS Generationenprojekt, welches nur gesamtgesellschaftlich und im Schulterschluss aller Akteure gelingen kann. Da haben wir ganz klaren Konsens, wir ziehen an einem Strang. Kernanliegen der deutschen Mineralbrunnen sind der nachhaltige Wasserschutz und die verantwortungsvolle Wassernutzung in allen Lebensbereichen und Wasserstockwerken. Das Bündel der vielschichtigen Maßnahmen in der Nationalen Wasserstrategie muss nun mit allen Akteuren weiter mit Leben gefüllt und föderal umgesetzt werden.
Getränke News: Was sind aus Sicht der Mineralbrunnen die dringendsten Punkte, die schnellstmöglich konkretisiert werden sollten? Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es in dem Thema zügig vorangehen wird?
Reichle: Drei zentrale Themen sind: Erstens, wir benötigen ein belastbares, nationales Lagebild über Wassernutzung und Transparenz bei allen Wasserentnahmen, insbesondere auch aus dem Grundwasser. Lücken im Datenbestand müssen gefüllt und die Informationen zu einem ganzheitlichen Bild verknüpft werden. Unkontrollierten und nicht-dokumentierten Entnahmen aus Grundwasser muss entgegengewirkt werden. Zweitens, die Risiken der Wasserverschmutzung durch Stoffeinträge sind zu minimieren. Dabei gilt das Vorsorge- und Verursacherprinzip. Drittens, um Wasserknappheit effektiv vorzubeugen, muss in Maßnahmen zur Förderung der Grundwasserneubildung investiert werden.
Die ersten zwei Themen sind aus meiner Sicht umsetzbar in den nächsten Jahren, wenn der politische Wille da ist und mit der Unterstützung aller Wassernutzer. Das Thema Grundwasserneubildung ist komplexer. Hier bedarf es auch der politischen Unterstützung durch beschleunigte Genehmigungsverfahren.
Getränke News: Sehen Sie inzwischen Ihre Interessen durch die Politik ausreichend berücksichtigt?
Reichle: Wie wir auch im Rahmen unseres Symposiums und Parlamentarischen Abends in Berlin gesehen haben, sind die Dialogbereitschaft auf allen Seiten und der Wille, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, absolut vorhanden. Bei dem lebenswichtigen Thema „Wasser“ muss das auch so sein. Wasser in guter Qualität für den menschlichen Verzehr ist sowohl im Haushalt als auch in der Lebensmittelwirtschaft sowie in anderen Bereichen unverzichtbar. An der Stelle habe ich hier die politische Unterstützung aller Parteien wahrgenommen.
Im Falle einer Priorisierung muss die Verwendung und nicht der Verwender im Vordergrund stehen. Die Nationale Wasserstrategie berücksichtigt dies bereits prinzipiell. Es kommt darauf an, dass sich dies auch im Rahmen der weiteren Umsetzung in den Bundesländern wiederfindet. Wasser ist ein emotionales Thema. Es ist jedoch wichtig, dass die Diskussion über nachhaltige Wassernutzung und die Vorbeugung von Nutzungskonflikten sachlich und faktenbasiert und nicht ideologisch geführt wird.
Getränke News: Wie wir bei Ihrem Symposium gehört haben, sieht sich die Landwirtschaft oft als „Buhmann“ dargestellt. Wie stark sehen Sie die Geschäfte der Mineralbrunnen durch die Landwirtschaft beeinträchtigt? Welche Industrien sind aus Branchensicht die Verursacher der größten Probleme?
Reichle: Bei der Nationalen Wasserstrategie geht es nicht darum, „Buhmänner“ zu finden, sondern gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und umzusetzen. Fast ein Drittel der Grundwasser-Messstellen zeigen erhöhte Nitratwerte oder auch andere Stoffeinträge, z.B. Arzneimittel, Pestizide und Chemikalien (PFAS), welche die Nutzung des Grundwassers für Trinkwasser nur eingeschränkt oder nach Behandlung zulassen. Im Dialog mit der Landwirtschaft müssen die Nitrateinträge reduziert werden. Darüber hinaus ist aus meiner Sicht die zumindest selektive Nachrüstung von Kläranlagen mit der vierten Reinigungsstufe alternativlos. Die Verursacher müssen beim Wasserschutz noch stärker in die Pflicht genommen werden.
Getränke News: In den Bemühungen um die Wasserwende sind ohne Zweifel alle Akteure gefordert. Inwiefern nehmen sich die Brunnen selbst in die Pflicht, wo kann die Branche auch Abstriche machen?
Reichle: Deutsche Mineralbrunnen gehören zu den kleinsten Wassernutzern mit einem Anteil von rund 0,17 Prozent gemessen an der Gesamtwasserentnahme aller Wassernutzer in Deutschland. Sie sind sich jedoch ihrer Verantwortung für die wertvolle Ressource Wasser sehr bewusst. Viele Brunnen kooperieren regional z.B. mit der Landwirtschaft und Forstwirtschaft, zum Schutz des Grundwassers in allen Stockwerken.
Ebenso wird der Schutz der Quellen engmaschig überwacht. Mineralbrunnen entnehmen nicht mehr aus dem Grundwasser, als es dem natürlichen Dargebot entspricht. Das ist das Grundprinzip der jeweils vor Ort erteilten wasserrechtlichen Entnahmeerlaubnisse, die den Einzelfall und die klimatischen und hydrogeologischen Gegebenheiten am Brunnenstandort berücksichtigen. Nur so ist auch die erfolgreiche Nutzung von Mineralwasserquellen über Generation hinweg möglich.
Getränke News: Die Brunnenbranche betont, sie wolle aufgrund ihrer Expertise mitgestalten. Wie kann das konkret geschehen?
Reichle: Ein nachhaltiger Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser sowie der Schutz der Quellen sind die Grundlagenarbeit der deutschen Mineralbrunnen. Hier liegt Expertise von Generationen. Darüber hinaus sind die dezentrale Mineralbrunnenstruktur sowie die Wasserinfrastruktur der Brunnenbetriebe wichtige Bausteine eines resilienten, redundanten Versorgungssystems in Ergänzung zur leitungsgebundenen Wasserversorgung.
Wir werden uns weiterhin sowohl auf nationaler als auch auf Länderebene für den Schutz und den nachhaltigen Umgang insbesondere des Grundwassers einsetzen. Insbesondere wollen wir auch weiterhin eine aktive Rolle einnehmen, faktenbasiert aufzuklären über das Thema Wasser und die unterschiedlichen Wassernutzer an einen Tisch zu bekommen, um Lösungen zu finden und umzusetzen.
Getränke News: Der VDM hat den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Prof. Udo di Fabio mit einem Rechtsgutachten beauftragt, das sich mit der Frage befasst, wer bei Wasserknappheit Vorrang haben soll – die öffentlichen Wasserversorger oder die Mineralbrunnen. Di Fabio spricht sich aus verfassungsrechtlicher Sicht dafür aus, dass beide Seiten gleichrangig behandelt werden sollten. Was ist für Sie die Quintessenz des Gutachtens? In welcher Weise wollen Sie die Erkenntnisse nutzen?
Reichle: Die Nahrungsmittel- und Getränkewirtschaft, speziell die marktwirtschaftliche Gewinnung von Mineralwasser, ist als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu werten. Nach dem Grundgesetz hat der Staat nicht nur Leib und Leben vor schädlichen Einwirkungen zu schützen, sondern auch die Voraussetzungen zu schaffen, dass gesundheitlich einwandfreies Wasser gewonnen werden kann.
Diese Aufgabe erfüllt die öffentliche Wasserversorgung, aber auch die wasserrechtliche Nutzungsart als Mineral- und Heilwasser zur Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser nimmt an diesem staatlichen Schutzauftrag teil. Die Nationale Wasserstrategie berücksichtigt dies bereits prinzipiell, und auch vor Gericht wäre diese Argumentation ein wesentlicher Teil einer belastbaren Begründung. Unser Kernanliegen ist, dass sich dies auch im Rahmen der weiteren Umsetzung in den Bundesländern wiederfindet.
Unser Gesprächspartner
Jürgen Reichle ist seit August 2021 Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen (VDM). Vor seinem Einstieg beim VDM war er bereits über 20 Jahre in der Konsumgüterbranche und insbesondere der Getränkeindustrie tätig. Fast zwölf Jahre lang verantwortete er verschiedene Geschäftsfelder bei Pepsico; zuletzt war er dort als CEO und Geschäftsführer für die DACH-Region verantwortlich.