Die Warsteiner Brauerei will ihr Lohnbraugeschäft noch in diesem Jahr deutlich ausbauen. Nachdem am Stammsitz bereits das polnische Bier Tyskie gebraut wird, kündigte Technik- und Logistik-Geschäftsführer Jens Hoffmann einen weiteren Lohnbrauauftrag an. „Noch in diesem Jahr werden wir ein weiteres Fremdprodukt brauen, definitiv“, sagte Hoffmann der Westfalenpost. Er räumte ein, dass die Warsteiner Brauerei allein mit der Stammmarke „allenfalls zu einem Drittel ausgelastet“ sei.
Damit wird der von Gruppenchef Helmut Hörz 2021 ausgerufene Sanierungskurs immer deutlicher. In Warstein, wo man vor genau 30 Jahren noch 6,5 Millionen Hektoliter der Marke Warsteiner brauen konnte, geht es ihm heute um dringenden Mengenzugewinn. Auch an den zwei weiteren Standorten in Herford und Paderborn wird sichtbar um Auslastung auf dem Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit in der Haus Cramer-Gruppe gerungen. Die Sauerländer haben damit einen strategischen Sonderweg beschritten – sämtliche Wettbewerber unter den Top 10-Marken lehnen das bekanntermaßen margenschwache Lohnbrauen ab. Die Radeberger Gruppe hatte in der Vergangenheit stattdessen eigene Überkapazitäten konsequent aus dem Markt genommen, zuletzt am Standort Frankfurt.
Eigene Firma für Fremdaufträge
Warsteiner-CEO Helmut Hörz, den Inhaberin Catharina Cramer 2021 als Branchenneuling auf den Chefsessel hob, kündigte in Interviews an, das Unternehmen bis 2025 wieder in die Profitabilität geführt zu haben. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Doch es zeichnet sich ab, dass Hörz weniger auf organisches Wachstum setzt und stattdessen auf Menge und Kapazitätsauslastung. Der Marktstart im großen Wachstumssegment des Hellen sollte mit Oberbräu nicht gelingen – ein kompletter Markenrelaunch musste her (wir berichteten).
Derweil schärfen sich die Konturen im strategisch aufgesetzten Lohnbraugeschäft. 2022 wurde Adriano Leo als Direktor Business Development zur Haus Cramer-Gruppe geholt. Er kam als Vertriebsdirektor von der preiseinstiegserfahrenen Darguner Brauerei und besetzte die neu geschaffene Position des Direktors Business Development. Seit dem letzten Jahr ist er Geschäftsführer der H.C. Drinks Solutions GmbH, die sich um das Lohnbraugeschäft jenseits der Marken Warsteiner, Paderborner und Herforder kümmert.
Mengenstrategie auch für Tochter-Brauereien
Im letzten Jahr ließ Helmut Hörz ankündigen, wie sich die Standorte für die neue Mengenstrategie fit machen. So kündigte die Unternehmensführung im Herbst 2023 eine Investition von 11 Millionen Euro für die Paderborner Brauerei an. Als Ziel habe man sich nach damaligen Aussagen gesetzt, in der Bistumsstadt 1,25 Millionen Hektoliter Bier pro Jahr zu produzieren. Dort, wo die Marke Paderborner für das Preiseinstiegsgeschäft gebraut wird, soll die Kapazität am Standort um rund 25 Prozent wachsen. Zusätzlich ist ein neues Verpackungszentrum für Glasflaschen und Dosen geplant, das noch in diesem Jahr an den Start gehen soll.
Tatsächlich profitiert die Haus Cramer-Gruppe von der Oettinger-Marktschwäche und konnte deren Listungen für die Marke Paderborner übernehmen. Nach dem gescheiterten Verkauf der Herforder Brauerei fließen derzeit rund 20 Millionen Euro in die ostwestfälische Brauerei am Standort in Hiddenhausen. Größtes Projekt ist dabei die Installation einer neuen Flaschenabfüllung, die bereits im Sommer 2024 in Betrieb genommen werden soll. Auch dort finden seit Jahren Fremdabfüllungen für Edeka/Trinkgut statt.
Personalkosten signifikant gesenkt
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) wird die Weichenstellungen derweil mit Aufmerksamkeit beobachten. Mit Zähneknirschen hatte die NGG einen mehrjährigen Haustarifvertrag mit der Warsteiner-Führung abgeschlossen, nachdem das Unternehmen aus der Tarifgemeinschaft der Sauer- und Siegerländer Brauereien 2021 ausgetreten war. Dadurch konnte CEO Helmut Hörz die Personalkosten signifikant senken. Die Warsteiner-Mitarbeiter erhalten seither deutlich geringere Bezüge als ihre Kollegen von Krombacher und Veltins. Mohamed Boudih, Landesvorsitzender der NGG Nordrhein-Westfalen, kritisierte nach der Tarifflucht, dass sich Warsteiner mit dieser Entscheidung in der Branche weiter isoliert habe.