Die Warsteiner Brauerei investiert 11 Millionen Euro in ihren Schwesterstandort Paderborn und dürfte damit das Preiseinstiegs-Segment der Haus Cramer-Gruppe weiter verstärkt befeuern. Ein Großteil der Investition fließt innerhalb der nächsten drei Jahre in den Ausbau der Produktionskapazität sowie in ein neues Verpackungszentrum, meldet das Unternehmen. Damit macht das vor zwei Jahren von Inhaberin Catharina Cramer aufgefrischte Management unter CEO Helmut Hörz ernst mit seiner letztjährigen Ankündigung, die Nebenstandorte zu stärken (wir berichteten).
Kapazität soll um 25 Prozent erhöht werden
Mit einem Investitionsvolumen von 7,5 Millionen Euro wird die Brauerei umfangreich umgebaut. Außerdem werden 3,2 Millionen Euro in ein neues Verpackungszentrum investiert, das im Frühjahr 2024 den Betrieb starten soll. „Wir steigern die Produktivität und Flexibilität in der Produktion, reduzieren den Verbrauch von Betriebsstoffen und senken gleichzeitig unsere Fixkosten“, erklärt Jens Hoffmann, Technischer Geschäftsführer aller drei Warsteiner-Brauereistandorte. Damit sei die Paderborner Brauerei bestens für die Zukunft aufgestellt und für die flexiblen Marktanforderungen gerüstet. Bei Fertigstellung des Projekts Ende 2024 könnten dann am Standort Paderborn insgesamt 1,25 Millionen Hektoliter produziert werden. Das entspreche einer Steigerung von etwa 25 Prozent, so Hoffmann.
Schon in diesem Jahr soll die Menge von 900.000 Hektoliter auf eine Million Hektoliter angehoben werden, berichtet die „Neue Westfälische“. Obwohl in der Brauwirtschaft seit Jahren Zweifel daran bestehen, dass angesichts der Kostenentwicklung und weitreichender Überkapazitäten in der Branche eine Preiseinstiegsstrategie ein wirkungsvolles Geschäftsmodell sei, dreht das Warsteiner-Management genau an dieser Stellschraube.
Bislang kämpfte die Marke Paderborner Pilsener mit einem Kastenpreis von unter acht Euro vorwiegend gegen Wettbewerber wie Oettinger oder Traugott Simon. Letztere Handelsmarke von Edeka und Trinkgut braut die Haus Cramer-Gruppe nach der Insolvenz der Iserlohner Brauerei in der Herforder Brauerei. Der zugekaufte Standort in Ostwestfalen kämpft ebenfalls seit vielen Jahren um Auslastung, nachdem ein Verkauf scheiterte und im Frühjahr 2021 abgeblasen wurde. Für den Preiseinstiegs-Marktführer Oettinger dürften mit der Auslistung bei Kaufland rund 400.000 Hektoliter im Feuer stehen – einen Teil davon ersetzt bereits jetzt das Paderborner Sortiment.
Bewegte Vergangenheit der Paderborner Braustätte
Die Paderborner Brauerei hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Vor über vier Jahrzehnten wurden mit der Auslagerung des Standortes aus der Paderborner City an den Rand der Domstadt zugleich die drei Standorte der damaligen Nies-Gruppe zusammengeführt – die Standorte Hamm mit ihrer Marke Isenbeck und Lippstadt mit der Marke Weissenburger wurden liquidiert. Beide Marken wurden innerhalb der Warsteiner-Gruppe auf lokale Größe zusammengeschrumpft; die vorangetriebene Internationalisierung von Isenbeck trug keine Früchte.
In der heißen Wachstumsphase der Warsteiner Brauerei hatte Albert Cramer mit der Grenzöffnung 1989 nach vergeblichem Bemühen um Standorte der DDR-Hinterlassenschaft den Paderborner Standort in den Fokus genommen. Bei einem Rückflug zum Airport Paderborn hatte er die Paderborner Brauerei aus der Luft gesehen und seinen damaligen Vertriebsgeschäftsführer Dr. Lothar Wiechers aufgefordert, mit der Inhaberfamilie Nies über einen Verkauf zu verhandeln. Dahinter stand das Cramer-Kalkül, dort die 1991 vorgestellten Newcomer-Sorten Warsteiner Alkoholfrei (Claim: „Der Traum von einem Bier“) und das Warsteiner Light (Claim: „Das halbe Vergnügen“) ausschließlich in Paderborn zu brauen und aus dem dortigen Standort eine Spezialitätenbrauerei zu machen.
Ungeliebte Billig-Bier-Hektoliter sollten liquidiert werden
Die von Albert Cramer so ungeliebten Billig-Bier-Hektoliter von Paderborner Pilsener sollten nach und nach liquidiert werden. Heute weiß man, dass es anders kommen sollte. Das Warsteiner Wachstum geriet in der Mitte der Neunzigerjahre ins Stocken und nach einem juristischen Scharmützel über die Herkunfts- und Markenbezeichnung der Marke Warsteiner blieb Albert Cramer nichts anderes übrig als seine angestammte Premium-Marke nur noch am Stammsitz in Warstein zu brauen. Damit war der eigentliche Strategieansatz zunichtegemacht.
Kompensiert wurde er in den späten Neunzigerjahren, als die Paderborner Braustätte zu einer Exportplattform aufgewertet worden war. Schon damals wurden Spezialgebinde, vor allem Mehrstück-Kartons von Dosenware, auch für die Warsteiner-Produktpalette in Paderborn konfektioniert.