Mit dem Eintritt von Aldi in die Mineralwasserproduktion verschärft sich der Wettbewerb in der Brunnenbranche. Die Politik treibt ihre Kampagnen zugunsten von Leitungswasser weiter voran. Der Kampf um die Ressource Wasser spitzt sich zu. Und jetzt machen auch noch die explodierenden Energiepreise den Unternehmen das Leben schwer. Getränke News sprach mit Dr. Karl Tack, Vorsitzender des Verbands Deutscher Mineralbrunnen (VDM) und Gesellschafter der Rhodius Mineralquellen, über eine Branche, die immer stärker unter Druck gerät.
Getränke News: Wie wirkt sich die anhaltende Krise auf die Branche aus?
Tack: Die explodierenden Gas- und Strompreise treffen die Mineralbrunnen hart. Manche Unternehmen müssen Kostensteigerungen in Höhe des zwei- bis dreifachen Vorjahresgewinns verkraften. Zu verantworten hat das die Politik, die aus der Atomkraft ausstieg, bevor es Alternativen gab, und zudem unsere eigenen Gasvorkommen nicht erschließen will. An diesen Rahmenbedingungen wird sich so bald nichts ändern, die Branche muss sich darauf einstellen, dass die Energiepreise auch in den nächsten Jahren sehr hoch sein werden.
Getränke News: In welchem Maße können die Mehrkosten weitergegeben werden?
Tack: Die Unternehmen werden ihre Preise erhöhen müssen, um ihre Existenz zu sichern. In voller Höhe wird das aber wegen des Margendrucks nicht möglich sein, es gab deshalb auch schon Auslistungen. Wir werden also zunächst mit geringeren Margen rechnen müssen. Aktuell laufen Verhandlungen mit dem Handel, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Ich erwarte, dass der Preis für einen Kasten Mineralwasser zu Jahresbeginn um einen Euro steigen wird. Damit sind zwar die Mehrkosten noch nicht gedeckt, aber die stärksten Auswirkungen eingedämmt.
Getränke News: Die Deckelung der Strom- und Gaspreise dürfte die Brunnen auch entlasten …
Tack: Die ist mehr als notwendig. Allerdings bekommt die Industrie nur 70 Prozent des Vorjahres gedeckelt, das Vergleichsjahr ist für uns jetzt 2021. Doch durch die Schließungen der Gastronomie haben auch die Brunnen weniger abgesetzt. Entsprechend niedrig war auch der Energieverbrauch. Wenn wir jetzt wieder wachsen, entsteht eine Lücke von 30 Prozent. Mit anderen Worten: Wachstum wird bestraft. Um aus der Krise zu kommen, brauchen wir aber Wachstum. An dieser Stelle müsste die Politik nachschärfen.
Getränke News: Viele Verbraucher sehen sich gezwungen, bei Lebensmitteln zu sparen. Stellen Sie bereits Effekte fest: Verstärkt sich der Trend zum Preiseinstieg, wechseln mehr Verbraucher von Premium- zu B-Marken oder gleich zum Wassersprudler?
Tack: Die Kaufkraft sinkt deutlich, und natürlich reagieren die Verbraucher mit Verzicht und kaufen preisbewusster ein. Ich befürchte, das wird vor allem das mittlere Preissegment treffen, man wird sicherlich öfter zu Produkten im Preiseinstieg greifen. Die Premiummarken hingegen werden vermutlich kaum zu leiden haben.
Die Wassersprudler bleiben ein ernstzunehmender Wettbewerber, aktuell gewinnen sie aber nicht mehr dazu. Der Markt scheint gesättigt. Laut Nielsen ist der Kauf von Kartuschen für die Geräte im ersten Halbjahr 2022 um fünf bis sechs Prozent zurückgegangen.
Getränke News: Wie erklären Sie sich das?
Tack: In einer eigenen Untersuchung des VDM sagten Verbraucher, dass ihnen Mineralwasser deutlich besser schmeckt. Und sie können offenbar unterscheiden und wissen zu schätzen, dass Mineralwasser ein Naturprodukt mit einem zusätzlichen Nutzen ist. Das bestätigt mir, dass die Brunnen in den letzten Jahren nicht untätig waren und die hohe Qualität von Mineralwasser vermitteln konnten.
Für den VDM war es ein Glücksfall, dass wir die Spitzensportlerin Malaika Mihambo als Botschafterin für Mineralwasser gewinnen konnten. Es ist jedem plausibel, dass sie hochwertiges Wasser benötigt, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Presse hat das Thema vielfach aufgegriffen. Das hat uns Rückenwind gegeben. Der Absatz von Mineralwasser ist bis Oktober um 7,5 Prozent gewachsen. Das ist nicht allein auf den heißen Sommer zurückzuführen.
Getränke News: Werden Sie diese Partnerschaft fortsetzen?
Tack: Für 2023 ist die Zusammenarbeit bereits vereinbart, und für die Zeit danach sind wir in Gesprächen.
Getränke News: Aldi Nord hat Anfang November bekanntgegeben, Teile des Altmühltaler Brunnens zu erwerben – mit dem Ziel, weiterhin „hochwertiges Mineralwasser zu bestmöglichen Preisen“ anbieten zu können. Wie stark wird das den Druck in der Branche erhöhen?
Tack: Das ist ein Ausdruck des zunehmenden Wettbewerbs. Auf horizontaler Ebene gab es den schon immer, jetzt verstärkt er sich auch vertikal. Die Handelsunternehmen müssen entscheiden, ob das für sie sinnvoll ist; schließlich ist Produktion nicht ihre Kernkompetenz. Ich glaube nicht, dass der Handel dadurch seine Kosten weiter senken kann, denn die Lieferanten arbeiten bisher schon äußerst effizient. Hier und da kann das zu Lasten kleiner Betriebe gehen, eine zusätzliche große Bedrohung für unsere Branche sehe ich aber nicht.
Getränke News: Der Druck aus der Politik lässt auch nicht nach. Im Sommer hat die Bundesregierung beschlossen, dass Städte und Gemeinden Trinkbrunnen aufstellen müssen …
Tack: Die Idee kommt aus Brüssel. Es geht darum, dass sauberes Trinkwasser für jedermann zur Verfügung steht. In manchen Ländern ist das sicherlich sinnvoll, doch in Deutschland ist Wasser überall günstig verfügbar. Wir akzeptieren den Bau der Trinkbrunnen natürlich, haben aber den Anspruch, dass für sie die gleichen hygienischen Kriterien gelten müssen wie für die Mineralbrunnen, die Wasser als Lebensmittel anbieten. Das liegt aber in der Verantwortung der öffentlichen Wasserversorger.
Was uns auf die Barrikaden bringt, ist, dass die Initiative „A tip: tap“ vom Bundesumweltministerium durch Steuergelder finanziert wurde. Das heißt, die Brunnen bezahlen mit dafür, dass ihnen das Leben schwer gemacht wird. Das ist ein No-Go, gerade vor dem Hintergrund der ohnehin angespannten Situation.
Getränke News: Es geht ja nicht nur um überall verfügbares sauberes Wasser, sondern auch um das Einsparen von Plastikflaschen …
Tack: Das Argument der Plastikvermüllung greift bei uns nicht. Aus Deutschland gelangen keine Plastikflaschen in die Weltmeere. Im Gegenteil, für uns ist PET das neue Gold, wir wollen die Flaschen unbedingt im Kreislauf halten. Es ist bedauerlich, dass wir darunter zu leiden haben, was andere Länder versäumen. Es gab da viele Fake News, um die Brunnen zu diskreditieren. Dabei sind wir die erste Branche, die erklärt hat, bis 2030 klimaneutral zu sein. An diesem Ziel arbeiten wir vehement.
Getränke News: Der Streit um die Ressource Wasser ist in Deutschland angekommen, daher müssen sich auch die Brunnen immer stärker mit der Frage nach der Trinkwassernutzung auseinandersetzen. Wie positionieren Sie sich?
Tack: Wir müssen alle akzeptieren, dass sich der Klimawandel auf die Wasserverfügbarkeit auswirkt, und deutlich behutsamer damit umgehen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Brunnenbetriebe im Vergleich zur Gesamtentnahme aller Wassernutzer nur 0,1 Prozent des Wassers aus dem Boden entnehmen. Zur Einordnung: Allein für die Toilettenspülung in den Haushalten werden 27 Prozent des Trinkwassers verbraucht. Es ist eben gut sichtbar, dass die Mineralbrunnen Wasser fördern – und deshalb stehen wir im Fokus. Damit wird das Problem aber an der falschen Stelle angepackt.
Getränke News: Welche Alternativen sehen Sie?
Tack: Wir müssen umdenken und technische Lösungen schaffen. Wir brauchen in Haushalten zwei Leitungssysteme, eines mit Trinkwasser für den Verzehr und Hygiene und ein weiteres mit Brauchwasser, etwa zum Rasensprengen, für die Toilette und zum Autowaschen.
In der Landwirtschaft sollten Möglichkeiten geschaffen werden, Regenwasser aufzufangen, Gemeinden und Kommunen müssen auf eine stärkere Nutzung von Zisternen hinwirken, und wir brauchen mehr Bäume in den Städten zur Regulierung der Temperatur, um nur wenige Beispiele zu nennen. Die Techniken dafür stecken noch in den Kinderschuhen, aber wir können und müssen diese Dinge machen. Dagegen führt es zu keinem Ergebnis, sich die Mineralbrunnen vorzunehmen.